Für mehr Mittel und gegen Zulassungsbeschränkung
Tiefe Gebühren, hohes Niveau und freier Zugang lassen die Zahl ausländischer Studierender an Schweizer Hochschulen in die Höhe schnellen. Die Unis schlagen Alarm. Laut Pädagogik-Professor Fritz Osterwalder fehlt es an Mitteln zur Betreuung der Studierenden.
Die Schweiz ist stolz auf ihr hohes Bildungsniveau und geniesst im internationalen Vergleich einen hervorragenden Ruf. Gewisse Hochschulen, allen voran die Universität St. Gallen und die ETH Zürich, werden von Studierenden «regelrecht überrannt» und sehen sich dem Ansturm nicht mehr gewachsen. Sie fordern Hürden für Studierende aus dem Ausland.
Für Fritz Osterwalder, Professor für Allgemeine und Historische Pädagogik an der Universität Bern, ist die Situation nicht dramatisch. «Sie stimmt auch sehr optimistisch. Wenn diese Studiengänge so viele Leute anziehen, ist das auch ein Zeichen dafür, dass sie gut sind. Die Zahl ausländischer Studierender ist bei Evaluationen ein Kriterium für die Qualität und wird von den ‹Elitehochschule› wie ETH und Uni St. Gallen auch immer als Bescheinigung ihrer hohen Qualität ins Feld geführt.»
Stark zugenommen haben vor allem die Master-Studiengänger: Jeder vierte Master-Absolvent kommt unterdessen aus dem Ausland. Dies ist möglich, weil im Gegensatz zu anderen Bologna-Staaten in der Schweiz jede und jeder, der einen Bachelor im Sack hat, automatisch ins Master-Studium eintreten kann. «Im Gegensatz zu den meisten Studiengängen in Deutschland kennt die Schweiz keinen Numerus Clausus», so Osterwalder.
Ungleichbehandlung ist heikel
Die CRUS, die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten, berät zur Zeit, ob der automatische Übergang vom Bachelor zum Master aufgehoben werden soll. Möglich wäre die Einführung von Kontingenten für Masterstudien, vor allem für ausländische Studierende.
Fritz Osterwalder findet dies problematisch. «Das ist kein glücklicher Weg. Die beiden Teile Bachelor und Master gehören zusammen. So wurde es konzipiert, als wir in der Schweiz die Bologna-Reform realisiert haben. Wenn wir gegenüber den Schweizer Studierenden Wort halten wollen, müssen wir den automatischen Übertritt beibehalten.»
Für den Erziehungswissenschaftler ist es zudem politisch fragwürdig, für ausländische Studierende andere Regeln als für einheimische einzuführen. Deren Diskriminierung, so Osterwalder, könnte sich auch nachteilig auf Schweizer Studenten im Ausland auswirken.
Politisches Kalkül
Dass auch Bachelor-Absolventen mit «dürftigem Leistungsausweis» an Schweizer Hochschulen studierten und so das hohe Ausbildungsniveau gefährdeten, wie das ETH-Rektorin Heidi Wunderli-Allenspach jüngst dargestellt hat, kann der Berner Professor für sein Fach nicht bestätigen.
«An unserem Institut haben wir relativ wenig ausländische Masterstudenten. Und ich kann nicht sagen, dass diese sich durch besonders tiefe Qualifikation auszeichnen.» Er gehe aber davon aus, dass die ETH und die Uni St. Gallen gewisse Daten hätten, welche diese Aussage stützten.
Für Osterwalder steckt hinter der Kampagne der bei Ausländern besonders beliebten Hochschulen in erster Linie politisches Kalkül. Der starke Ausländerzugang gelte als Qualitätskriterium, und mit diesem Argument werde nun versucht, mehr Geld zu bekommen. «Das ist legitim.»
Denn mit oder ohne Ausländer, so Osterwalder, befinde sich die Schweiz in einer Phase, in der die Studentenzahl immer noch zunehme. «Mit Bologna hat man gleichzeitig ein betreuungsintensiveres Angebot eingeführt als bisher. Die finanziellen Mittel der Universitäten hat man aber nicht oder ungenügend ausgebaut. Das stellt die Unis vor gewisse Probleme und geht auf Kosten der Forschung.»
Botschafter für die Schweiz
Auch wenn sein Fach nicht von ausländischen Studierenden überrannt werde, könnten die erforderlichen Leistungen an seinem Institut nicht mehr erbracht werden. «Die Betreuungsdichte steigt stetig, die Professorenstellen aber nicht. Das gilt für die ganze Schweiz.»
Für den Professor aus Bern sind es denn in erster Linie die fehlenden Mittel, welche die Leistung gefährden, und nicht die grenzüberschreitenden Studenten.
«In der ganzen Debatte um die ausländischen Studierenden, die angeblich nur wegen des unkontrollierten Zugangs herkämen, muss man sagen, dass alle eine Abschlussprüfung machen müssen. Es zählt die Leistung, nicht der Pass.»
Und Osterwalder sieht in den ausländischen Studenten eher eine Bereicherung als eine Belastung: «Dank ihnen fördern wir den Kontakt zum Ausland. Wer gute Erinnerungen an seine Studienzeit in der Schweiz hat, wird zum Fürsprecher im Ausland. Das kann unser Land brauchen.»
Laut einer Prognose des Bundesamts für Statistik dürfte die Zahl der Studierenden auf Masterstufe in den kommenden Jahren von 24’000 im Jahr 2009 auf rund 38’000 im Jahr 2013 klettern.
Ihr Anteil wird voraussichtlich von 29% im Jahr 2009 auf 32 bis 33% im Jahr 2015 steigen.
Am ausgeprägtesten ist diese Entwicklung in den Technischen Wissenschaften, wo Studierende mit ausländischem Zulassungsausweis in 5 Jahren voraussichtlich fast die Hälfte ausmachen dürften (2007: 31%, 2009: 39% und 2015: 46 bis 47%).
2015 dürfte ihr Anteil in den Exakten und Naturwissenschaften und in den Wirtschaftswissenschaften ebenfalls fast oder sogar über 40% betragen.
In Lugano zahlen ausländische Studierende doppelt so viel wie Schweizer Studenten, nämlich 4000 Fr. mehr pro Jahr.
In Neuenburg sind es 550 Fr. mehr, in St. Gallen 300 Fr., in Zürich 200.
An den Universitäten Basel, Bern, Genf, Lausanne und Luzern gibt es keine Unterschiede zwischen in- und ausländischen Studierenden.
In der Schweiz gibt es zehn Universitäten: Basel, Bern, Freiburg, Genf, Lausanne, Luzern, Neuenburg, Zürich, St. Gallen und Lugano.
Dazu kommen die zwei Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich, deren Trägen der Bund ist, während die Universitäten durch die Kantone finanziert werden.
Die Studienreform wurde 1999 beschlossen. 47 Staaten sind beteiligt.
Herzstück der Reform ist die Unterteilung in die drei Phasen Bachelor, Master und Doktorat.
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