Wo die Kluft zwischen Frauen und Männern besonders gross ist
Arbeit, Politik, Lohn: Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Schweiz sind gross. Fünf Felder, in denen Frauen heute noch untervertreten sind – ein internationaler Vergleich.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist längst in der Schweizer VerfassungExterner Link verankert – seit 1981. In der Realität sind die Unterschiede aber noch immer gross.
1. Erwerbstätigkeit
Wie viel Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren geht einer bezahlten Tätigkeit nach? In den meisten Ländern ist der Anteil bei Männern grösser, auch in der Schweiz.
In der Türkei ist laut Daten der Weltbank der Unterschied zwischen Frau und Mann am grössten. In der Schweiz sind etwa 60 Prozent der Frauen ab 15 Jahren erwerbstätig, bei den Männern sind es 70 Prozent. Ein unter Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchschnittlicher und dennoch deutlicher Unterschied. Ähnlich ist es in Deutschland, Frankreich und Italien. Am geringsten sind die Unterschiede zwischen Frauen und Männern in Skandinavien.
2. Arbeitszeit
Auch was die Vollzeit- und Teilzeitarbeit angeht, sieht es bei Männern und Frauen nicht gleich aus. In allen OECD-Mitgliedsländern arbeiten anteilsmässig mehr Frauen Teilzeit als Männer.
In der Schweiz arbeiteten 2017 fast 45 Prozent aller erwerbstätigen Frauen 30 Stunden oder weniger pro Woche, bei den Männern waren es nur 11,2 Prozent. Im Vergleich mit anderen Ländern ist der sogenannte «Gender Gap» somit in der Schweiz sehr gross.
Wenn man näher hinschaut, gibt es sogar noch grössere Unterschiede, und zwar in der Verteilung der Teilzeitpensen. Knapp ein Viertel der Frauen arbeitet weniger als 50 Prozent, im Gegensatz zu 7 Prozent der Männer.
Der internationale Vergleich zeigt: In vielen Ländern Osteuropas ist die Differenz zwischen Frauen und Männern klein. Das liegt unter anderem daran, dass die gesamte Bevölkerung selten weniger als 30 Stunden pro Woche arbeitet. In Russland, Ungarn, der Slowakei, Litauen und Lettland waren es 2017 bei Frauen als auch Männern weniger als 10 Prozent.
3. Lohn
In den meisten Ländern verdienen Männer mehr Geld als FrauenExterner Link. Auch in der Schweiz gibt es noch einen frappanten Unterschied: Laut Daten der OECDExterner Link Externer Linkverdienten Frauen 2016 noch immer 14,8 Prozent weniger als Männer. Damit ist der Lohnunterschied in der Schweiz im Vergleich mit anderen OECD-Ländern mittelgross. Am grössten ist der Gender Pay Gap in Südkorea, Estland, Japan und Israel.
In den vergangenen Jahrzehnten sind die Lohnunterschiede bei den Medianlöhnen von Frauen und Männern in fast allen Ländern gesunken. Der Medianlohn bedeutet, die Hälfte der Erwerbstätigen verdient mehr, die Hälfte weniger. Besonders deutlich sanken sie zum Beispiel in den USA und Japan.
Daten der US-Bevölkerungsstatistik legen nahe, dass der Lohnunterschied in reichen Ländern aber je grösser ist, je älter die arbeitenden Personen sind.
Der Blick in die Schweiz: 1996 hatten Frauen noch 25,5 Prozent weniger verdient als Männer, die Kluft wird also auch hierzulande kleiner. Die Lohndifferenzen variieren je nach Jobbranche und nach Jobposition. Im Gastgewerbe beispielsweise sind sie eher gering, in der Maschinenindustrie und im Kredit- und Versicherungsgewerbe grösser. Laut Bundesamt für Statistik (BFS) ist der Lohnunterschied je grösser, je höher die Kaderfunktion istExterner Link.
4. Führungspositionen
Noch immer besetzen weltweit vor allem Männer die oberen Firmenetagen. In keinem OECD-Land hatten 2016 mehr Frauen als Männer eine Führungsposition mit Entscheidungskompetenz inne. In dieser Grafik sind untere, mittlere und obere Führungspositionen in grossen Unternehmen, Institutionen und RegierungenExterner Link inbegriffen.
Die Schweiz liegt auf Rang 11 – vor Spanien, Deutschland und Italien. In Lettland, Polen und Slowenien und Litauen war der Frauenanteil 2016 am höchsten, auch in Schweden und Norwegen war er relativ hoch. Schlusslicht ist Südkorea mit nur 10 Prozent Frauen in Kaderfunktionen.
5. Zusammensetzung des Parlaments
Obwohl Parlamente weltweit zwar immer weiblicher werden, sind sie immer noch mehrheitlich männlich. In der Schweiz sind aktuell nur 64 der 200 Sitze des Nationalrats, der grossen Kammer des Parlaments, von Frauen besetzt. Vorbild ist die Schweiz damit nicht unbedingt.
194 Länder werden von der internationalen Parlamentsvereinigung IPUExterner Link nach dem Frauenanteil in der grossen Kammer des Parlaments aufgelistet. In diesem Ranking nimmt die Schweiz aktuell den 37. Platz ein. In vielen OECD-Ländern – Mexiko, Schweden und Finnland zum Beispiel – aber auch in Ländern wie Ruanda, Bolivien und Costa Rica ist der Frauenanteil bedeutend höher.
Quellen
1. Erwerbstätigkeit: Der Anteil der Frauen und Männer über 15 Jahren, die erwerbstätig sind. Erwerbstätig heisst: Die Personen sind in einer kurzen Referenzperiode einer Aktivität nachgegangen, die bezahlt wurde oder profitabel war. Originalquelle: Modellierte Schätzung der International Labour Organization (ILO).Externer Link
2. Arbeitszeit: Anteil der erwerbstätigen Frauen und Männer, die weniger als 30 Stunden pro Woche in ihrem Hauptjob arbeiten. Die Daten beruhen auf Befragungen. Quelle: OECDExterner Link.
3. Lohn: Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. Die OECD betrachtet hier nur die Medianlöhne (Median: die Hälfte der Bevölkerung verdient mehr, die Hälfte weniger) der Vollzeitstellen bei Angestellten und Selbstständigen. Der Wert schliesst also folgendes aus: Unterschiede in den Gehältern, die aus Stundenlohnunterschieden in Voll- und Teilzeitstellen entstehen. Wir zeigen nur die Daten für die Angestellten. Quelle: OECDExterner Link.
5 Führungspositionen: Der Anteil von Frauen in unteren, mittleren und oberen Führungspositionen in grossen Firmen, Institutionen und RegierungeExterner Linkn inbegriffen. Quelle: Modellierte Schätzungen der ILOExterner Link.
6. Parlamente: Die Auflistung von Frauenanteilen in Parlamenten in 194 Ländern stammt von der Interparliamentary UnionExterner Link.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch