Frühere Erkennung von Brustkrebs bei gefährdeten Frauen
Brustkrebs, die häufigste Todesursache bei Frauen im Alter von 40 bis 50 Jahren, betrifft immer häufiger auch jüngere Frauen. Die am Dienstag lancierte Präventionskampagne Pinker Oktober macht darauf aufmerksam. Alexandre Bodmer ist Chefarzt des Brustzentrums am Genfer Universitätsspital. Er schlägt vor, das Screening dieser Entwicklung anzupassen.
Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen in den westlichen Ländern: Jede neunte Frau ist davon betroffen. In der Schweiz werden jedes Jahr fast 6000 neue Fälle diagnostiziert.
Die Mehrheit der Brustkrebserkrankungen betrifft Frauen über 50 Jahre. Aber 20% der Patientinnen sind zum Zeitpunkt der Diagnose jünger.
Eine Studie des Nationalen Instituts für Krebsepidemiologie und -registrierungExterner Link hat für den Zeitraum von 1996 bis 2009 folgendes herausgefunden: Die Zahl der Fälle von Frauen im Alter von 20 bis 39 Jahre stieg jährlich um 1,8%. Bei Frauen im Alter von 40 bis 49 Jahren betrug der jährliche Anstieg 0,5%. Dieser Trend wird auch in europäischen und amerikanischen Studien beobachtet.
Alexandre BodmerExterner Link, ist Onkologe am Universitätsspital Genf. Er ist einer der Herausgeber der Studie. Er weist darauf hin, dass der beobachtete Anstieg gering sei. Er solle nicht angsteinflössend wirken, sondern Forschende anspornen, die Ursache zu finden.
swissinfo.ch: Was sind mögliche Erklärungen für die Zunahme von Brustkrebs bei jungen Frauen?
Alexandre Bodmer: Es gibt Faktoren, die mit unserem Lebensstil zusammenhängen, wie beispielsweise die Zunahme von Übergewicht in unserer Gesellschaft und die daraus resultierende Abnahme von körperlicher Aktivität oder der Tabakkonsum.
In unserer Gesellschaft sind Frauen zudem bei ihrer ersten Regelblutung tendenziell immer jünger. Gleichzeitig tritt die erste Schwangerschaft immer später ein. Dadurch wird die so genannte hormonelle Imprägnierungszeit verlängert. Ein Phänomen, das ein Risikofaktor ist. Das Stillen, das eine schützende Rolle gegen Brustkrebs spielt, wird heutzutage für einen kürzeren Zeitraum praktiziert.
«Es genügt, zu natürlicheren Dingen zurückzukehren.»
Die Erklärungen sind auch in unserer Umgebung zu finden: Kunststoffderivate wie Bisphenol oder Paraben sind Substanzen, die unser Hormonsystem beeinflussen und ein Risiko darstellen. Wir sind davon umgeben, die Substanzen finden sich in unseren Lebensmitteln, in Plastikbehältern, in denen wir unsere Lebensmittel in der Mikrowelle aufwärmen, in Plastikflaschen oder Kosmetika. Sie können bereits während der Schwangerschaft auf das Kind einwirken und im Erwachsenenalter dann ihre Effekte entfalten.
swissinfo.ch: Wie kann man sich unter diesen Umständen schützen?
A.B.: Wenn immer möglich, ist es ratsam, heisses Essen nicht in Plastikbehältern zu servieren oder diese Art Behälter in der Mikrowelle zu verwenden. Denn thermische Unterschiede können dazu führen, dass Schadstoffe in unseren Körper gelangen. Einige Schoppen für Kinder unter drei Jahren, die Bisphenol enthalten, wurden bereits verboten.
Im Allgemeinen empfehle ich, Lebensmittel biologischen Ursprungs und hausgemachte statt Fertiggerichte zu bevorzugen. Empfehlenswert ist zudem ein mässiger Verzehr von Fleisch und Fisch, denn das sind Lebensmittel, die Schadstoffe und Hormone enthalten können. Auch bei bisphenolhaltigen Reinigungs- und Waschmitteln ist Vorsicht geboten. Das tönt nach viel, aber es genügt, zu natürlicheren Dingen zurückzukehren.
swissinfo.ch: Sollten Präventionsmassnahmen angepasst werden, indem auch bei jüngeren Patientinnen ein systematisches Screening durchgeführt wird?
A.B.: Die Zahl der betroffenen jungen Frauen ist zu klein, als dass ein breit angelegtes Screening-Programm wirksam sein könnte. Da das Brustgewebe dichter ist, wird bei einer jungen Patientin die Krankheit durch eine Mammographie oder einen Ultraschall zudem nicht unbedingt erkannt. Oder die Methoden zeigen etwas an, das kein Krebs ist, was zu mehr Angst und zusätzlichen Tests führen würde.
Wir könnten aber für jede Patientin eine Risikobewertung vornehmen, welche die Familiengeschichte und andere Faktoren berücksichtigt. So könnte ein geeignetes Screening-Programm für Frauen mit hohem Risiko erstellt werden.
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