Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Gibt es bald neue Schweizer Schulen im Ausland?

Eine der 17 Schweizer Schulen im Ausland: jene in Santiago de Chile. baselland.ch

Die ursprünglich für Auslandschweizer bestimmten Schweizer Schulen im Ausland sollten internationaler werden und mehr Autonomie erhalten. Eine Gesetzesvorlage, die bald ins Parlament kommen soll, eröffnet neue Perspektiven.

«Ich bin Spanierin, meine Eltern sind Spanier, und als ich 2011 meine Matura in Deutsch bestand, beherrschte ich fünf Sprachen.» Marta Porta Comin, die heute Physik und Mathematik studiert, ist ein lebendes Aushängeschild für die Schweizerschule Barcelona. Die junge Frau erzählt in ausgezeichnetem Deutsch, wie sie im Kindergarten Spanisch und Katalanisch lernte, und danach Deutsch, Französisch und Englisch.

Marta Porta Comin war im Juli an die Jahreskonferenz der Direktoren der Schweizer Schulen im Ausland in Glarus eingeladen. Vor den rund 100 Personen erbrachte sie den Beweis, dass ihre ehemalige Schule im Bereich Sprachunterricht das Siegel der hervorragenden Qualität («Best practice») verdient.

Ein anderes Beispiel ist die Schule in Bangkok, wo nach dem Lehrplan des Kantons Luzern unterrichtet wird. «Ein Vergleich mit unseren fünf anderen öffentlichen Gymnasien bewies, dass die Englischkenntnisse der Schülerinnen und Schüler in Thailand viel besser waren», erklärt Jürg Lustenberg, der Vertreter des Patronatskantons Luzern.

Seit 2012 heisst das 1942 gegründete ehemalige Komitee für Schweizer Schulen im Ausland Educationsuisse.

In dem Verein sind die weltweit 17 Schweizer Schulen im Ausland zusammengeschlossen: 7 in Europa, 8 in Lateinamerika und 2 in Asien.

Insgesamt werden in diesen Institutionen heute 7200 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, darunter 1800 Schweizer Kinder. Jede dieser Schulen wird von einem Kanton in der Schweiz materiell und pädagogisch unterstützt, der Unterrichtsplan der Schulen entspricht dem des Patronatskantons.

Educationsuisse vertritt die Interessen der Schweizer Schulen gegenüber der Öffentlichkeit, der Wirtschaft und den Behörden in der Schweiz. Der Verein ist Bindeglied zwischen den Bildungs-Institutionen der Schweiz und den Schweizer Schulen im Ausland. Zudem evaluiert er Synergiepotentiale mit lokalen Schulen und prüft die Möglichkeiten neuer oder zusätzlicher Schulen.

Educationsuisse ist auch zuständig für die Administration der Sozialversicherungen (Pensionskasse, AHV) für Schweizer Lehrkräfte sowie für Zahlung der Prämien.

Dazu organisiert Educationsuisse jedes Jahr eine Konferenz für die Verantwortlichen der Schweizer Schulen im Ausland, in deren Zentrum Innovation, Erfahrungsaustausch sowie Weiterbildung stehen. 2013 fand die Konferenz vom 8. bis 11. Juli statt, im Saal des Glarner Kantonsparlaments.

Markenzeichen

Die Sprachen sind gerade in Ländern, die wenig mit Mehrsprachigkeit zu tun haben, das Markenzeichen der Schweizer Schulen. So schrumpft die Warteliste der Schweizer Schule in Mailand für italienische Schulkinder trotz der Wirtschaftskrise nicht, im Gegenteil.

«Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder Deutsch lernen, um ihnen eine bessere berufliche Zukunft zu garantieren», sagt Claudio Burkhard, der Direktor der Schule. «Damit ist ein grosses Opfer verbunden, sowohl finanziell als auch kulturell, denn das Kind muss schon im Kindergarten damit beginnen.»

Damit unterscheidet sich die Situation von jener in der Schweiz, wo noch immer darüber diskutiert wird, in welchem Alter eine zweite Sprache erlernt werden soll. «Im Ausland ist dieses Problem seit langem geregelt, denn die Schulen wurden gegründet, damit die Kinder von Auslandschweizern ihre Sprache und ihre Kultur bewahren können, während sie sich gleichzeitig in ihrem neuen Land integrieren. Zudem ist es viel einfacher, eine Sprache zu lernen, wenn man sehr jung ist», erklärt Derrick J. Widmer, der Präsident von Educationsuisse, dem Verein der 17 Schweizer Schulen im Ausland.

Widmer kämpft auch gegen den Informatik-Analphabetismus: «Im Gegensatz zu dem, was in der Schweiz geschieht, sind wir der Ansicht, dass Informatik zum Schulplan gehören sollte, dass Schüler und Schülerinnen ab der Primarstufe auch Programmieren lernen können sollten.»

Widmer setzt auf Innovation in Schulfragen, denn der globale Wettbewerb verschärfe sich rapide. «Es gibt immer mehr internationale Schulen. Wir haben noch immer ein hervorragendes Image und bleiben gut positioniert, aber um neue Schüler und Schülerinnen anzuziehen, müssen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Mit dem neuen Gesetz sollte das möglich werden. Geht alles gut, könnte das Gesetz 2015 in Kraft treten.»

An den 17 Schweizer Schulen im Ausland ist Deutsch die Hauptunterrichtssprache. Eine Ausnahme ist die Schule in Bogota (Kolumbien), wo es einen französischsprachigen Studiengang gibt.

Die ältesten Schweizer Schulen wurden in Italien gegründet, vor allem für Kinder von Auslandschweizern aus der Deutschschweiz.

Für Auslandschweizer aus der Romandie (zahlenmässig weniger) war das Bedürfnis nach Schweizer Schulen geringer, da Frankreich schon seit sehr langer Zeit ein französischsprachiges Schulnetz in der ganzen Welt unterhält.

Mit Innovation gegen die Konkurrenz

Wird die von der Regierung verabschiedete Vorlage vom Schweizer Parlament angenommen, dürfte das neue Gesetz Anfang 2015 in Kraft treten. Es wird zwar nicht alles regeln, aber es sollte den Schweizer Schulen im Ausland ermöglichen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, den bisher zur Anerkennung als Schweizer Schule notwendigen Mindestanteil von Schweizer Schulkindern – 20% – aufzuweichen, sowie die Möglichkeiten, neu berufliche Grundbildung (Lehre) anzubieten und vor allem, weitere Schulen zu eröffnen.

Mit dem neuen Gesetz, sagt Widmer, «würde es in Zukunft möglich sein, zur Gründung einer neuen Schule finanzielle Unterstützung zu erhalten. Aber dazu müsste man sich am Angebot der internationalen Konkurrenz ausrichten, mit Turnhallen und Schwimmbad, denn die Eltern der lokalen Kinder haben in diesem Bereich Ansprüche. Und dafür muss man Geld finden», sagt Widmer.

Der Präsident von Educationsuisse gibt sich trotz allem optimistisch und hat Asien im Blick: «Wir haben dort bisher nur eine geringe Präsenz, und man kann da einiges tun. Die Schulen in Bangkok und Singapur laufen gut. Sie ziehen eine Menge Leute an, die sehr an der dualen Berufsausbildung interessiert sind, denn Berufslehren gibt es in diesen Ländern nicht.»

Schluss mit der Folklore

Ursprünglich waren alle Schweizer Schulen im Ausland von Schweizer Gemeinden gegründet worden, oft unter folkloristischen Bedingungen. Wie in Bangkok vor gerade 50 Jahren: «Mitglieder der Schweizer Kolonie liessen ein Lehrerpaar aus der Schweiz kommen, das den Unterricht in einem Holzhaus mit 17 Kindern aufnahm», erzählt Dominique Tellenbach, der neue Direktor der Schule. Heute zählt die «Swiss School of Bangkok» 200 Schülerinnen und Schüler, darunter 60 Schweizer Staatsangehörige, unterrichtet wird in einem modernen, grossen Gebäude.

Oder die Schule in Catania, Süditalien, die vor 110 Jahren gegründet wurde: «Die Schweizer Gemeinde hatte damals eines ihrer Mitglieder gebeten, sechs Kindern Deutschunterricht zu erteilen. Heute zählt unsere Schule 70 Schülerinnen und Schüler», erklärt die Direktorin Loretta Brodbeck.

Der frühere Ansatz sei aber heute Vergangenheit, und es werde grosse Anstrengungen brauchen, damit die Schweizer Schulen in einer globalisierten und internationalisierten Welt ihren Platz behalten oder sich einen schaffen könnten, unterstreicht Widmer. «Anders als die öffentlichen Schulen im Inland erhalten die Schweizer Schulen im Ausland zwar Unterstützung aus der Schweiz, sind aber Privatschulen. Der Direktor einer Lehranstalt im Ausland ist nicht nur verantwortlich für die Erziehung, sondern ist auch Chef eines Privatunternehmens. Er ist verantwortlich für die Finanzen, das Marketing und den Dialog mit den Eltern.»

Ein Direktor müsse daher die Innovationen verdoppeln, um seine Institution als Einrichtung mit internationalem Standard zu «verkaufen», die gleichzeitig besonderen Wert auf die «Vermittlung schweizerischer Bildung und Kultur im Ausland» lege, wie es die Schweizer Regierung formuliert hat.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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