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Covid-19: «Niemand ist sicher, bis die Welt sicher ist»

Eine nepalesische Frau und ihre Tochter mit Maske und Visier
Eine nepalesische Frau und ihre Tochter, ausgestattet mit Masken zum Schutz vor Covid-19. Das Coronavirus hat sich in Nepal innerhalb weniger Wochen exponentiell ausgebreitet. Copyright 2021 The Associated Press. All Rights Reserved.

Während die reichsten Länder dank den Impfstoffen das Licht am Ende des Tunnels sehen, wütet die Pandemie in Asien und Lateinamerika weiter. Die Glückskette, der "humanitäre Arm" der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, hat eine Spendenaktion gestartet, um Menschen in Not zu helfen.

Auf Südasien mit seinen fast zwei Milliarden Einwohnern entfällt derzeit die Hälfte aller weltweit bekannten neuen Fälle von Covid-19. Jede Sekunde werden dort mehr als drei Neuinfektionen registriert, warnte UNICEF am 21. Mai. Jede Minute sterben mehr als drei Menschen.

Dramatisch ist die Situation in Indien, das in den vergangenen Wochen eine Rekordzahl an täglichen Todesfällen seit Beginn der Pandemie verzeichnete. Aber auch im benachbarten Nepal, wo sich das Virus exponentiell ausbreitet.

Die Zahl der Neuinfektionen ist dort innert kurzer Zeit von rund 150 auf mehr als 8000 pro Tag gestiegen – eine Zahl, die nach Angaben des UN-Länderteams in Nepal wahrscheinlich die tatsächlichen Infektionen weit unterschätzt. Das Gesundheitssystem, das noch fragiler ist als in Indien, ist überfordert und es fehlt an essenziellen medizinischen Geräten. Die Schweiz hat kürzlich 30 Tonnen an Hilfsgütern nach Nepal geschickt, nachdem Anfang Mai bereits eine Lieferung nach Indien erfolgte.

Andere betroffene Länder in der Region wie Bangladesch, Pakistan und Afghanistan sind laut UNICEF ebenfalls gefährdet.

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Fortschritte in Lateinamerika

Auf der anderen Seite des Globus trifft die Pandemie auch Lateinamerika hart, die Region mit der bisher höchsten Zahl an bestätigten Todesfällen. Neben Brasilien, wo die Pandemie seit Monaten ausser Kontrolle ist, hat sich die Situation in mehreren mittel- und südamerikanischen Ländern drastisch verschlechtert. Vor allem in Peru, das eine der schlimmsten Sterblichkeitsraten hat, oder in BolivienExterner Link, das sich mitten in einer dritten Welle befindet.

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In den meisten Ländern dieser Gebiete hat weniger als jede zehnte Person mindestens eine Impfdosis gegen das Coronavirus erhalten – viel zu wenig, um das Virus zu bändigen.

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Gefährliche Kettenreaktionen

Die fragile Infrastruktur, die Armut und die politische Instabilität bedeuten, dass die Auswirkungen der Pandemie katastrophal und lang anhaltend sein könnten, sagt Ernst Lüber, Leiter der Programmabteilung der GlücksketteExterner Link. Deshalb hat sich die humanitäre Stiftung, die mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR (zu der auch SWI swissinfo.ch gehört) verbunden ist, entschlossen, einen neuen Spendenaufruf zu starten.

Der Zugang zu medizinischer Versorgung war in den Schwellenländern schon vor der Krise ein grosses Problem, und heute stehen die Gesundheitssysteme teilweise am Rande der Implosion. Medien haben über die Verzweiflung der Menschen berichtet, die Sauerstoffflaschen suchen oder von Krankenhäusern abgewiesen werden. Die Behandlung von anderen chronischen Krankheiten, die noch immer weit verbreitet sind, kann nicht mehr gewährleistet werden.

Neue Virusvarianten haben die Lage noch verkompliziert und die Mängel staatlicher Massnahmen aufgezeigt, «besonders in Ländern mit mittlerem Einkommen [wie Indien und Brasilien], die normalerweise bessere Chancen gehabt hätten, damit fertig zu werden», sagt Lüber.

Darüber hinaus hatte die Pandemie verheerende wirtschaftliche Auswirkungen. In vielen dieser Länder ist ein grosser Teil der Bevölkerung von der informellen Wirtschaft und kleinen Tagesjobs abhängig. Die daraus resultierenden Arbeitsplatzverluste können «Kettenreaktionen auslösen, die später nur schwer zu reparieren sind», so Lüber.

«Die Menschen verlieren ihr gesamtes Einkommen und müssen die Dinge, die sie zum Leben brauchen, verkaufen oder sich verschulden; Kinder gehen nicht mehr zur Schule; Menschen, die früher in der Stadt gearbeitet haben, müssen aufs Land zurückkehren.» All das trage dabei zu, dass sich das Virus in ländlichen Gebieten ausbreitet, wo die Gesundheitsversorgung noch schlechter zugänglich ist.

«Geben Sie sich nicht mit der Situation zufrieden»

Die Spendenaktion «Coronavirus International» wurde im Oktober von der Glückskette initiiert und brachte über 9 Millionen Schweizer Franken ein. Mit dem Geld wurden die Projekte von 16 Nichtregierungsorganisationen unterstützt, die in 14 Ländern vor Ort arbeiten. «Aber das Geld ist fast aufgebraucht und das Problem besteht weiter», sagt Ernst Lüber.

Spenden können direkt online auf der WebsiteExterner Link der Glückskette oder auf das Postkonto 10-15000-6 der Glückskette mit dem Vermerk «COVID INT» überwiesen werden.

Die Glückskette arbeitet mit 16 NGOs – darunter Caritas, Rotes Kreuz, Helvetas und Ärzte ohne Grenzen – an der Kampagne «Coronavirus International».

Bisher wurden Projekte in 14 Ländern unterstützt, hauptsächlich in Südasien und Lateinamerika, aber auch in Ländern im Nahen Osten und Afrika. Für zusätzliche Hilfe wurde die Liste um Indien und Brasilien erweitert.

Die geförderten Projekte haben zwei Schwerpunkte: Der erste besteht in direkter sozioökonomischer Hilfe für die am stärksten Betroffenen – Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, Migranten, Vertriebene, Randgruppen. Das Ziel ist es, «den wirtschaftlichen Schock abzufedern, in der Hoffnung, Kettenreaktionen zu vermeiden und den Menschen zu ermöglichen, wieder auf die Beine zu kommen», sagt der Programmleiter.

Der andere Schwerpunkt umfasst die Unterstützung von Gesundheitsdiensten, die Lieferung von medizinischer Ausrüstung, Aufklärungskampagnen usw. Einige Dutzend Franken können schon viel bewirken: Laut der NGO HelvetasExterner Link entspricht eine Spende von 120 Franken zum Beispiel Hygiene-Kits für zehn Personen.

Während die reichsten Länder dank der Impfstoffe das Licht am Ende des Tunnels zu sehen beginnen, betonen humanitäre Organisationen, wie wichtig es ist, die Pandemie gemeinsam zu bekämpfen. Zum einen, weil «niemand sicher ist, bis alle sicher sind»; und vor allem aus Solidarität. Für Ernst Lüber besteht das Risiko, «sich an die Situation zu gewöhnen».

Die Glückskette wurde 1946 in Lausanne als «Chaîne du Bonheur» im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Westschweiz gegründet. Die Idee verbreitete sich bald auch in den beiden anderen Sprachregionen – «Glückskette» in der Deutschschweiz und «Catena della Solidarietà» in der italienischen Schweiz.

Am Anfang waren es regelmässige Radiosendungen, um Spenden für humanitäre Zwecke zu sammeln. 1983 wurde die Glückskette als unabhängige Stiftung gegründet, bleibt aber mit dem der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft verbunden, dessen «humanitärer Arm» sie ist. Die Aktivitäten der Glückskette werden im Radio übertragen.

Die gesammelten Spenden werden auf 24 Partner-NGOs verteilt. Die Projekte konzentrieren sich auf langfristige Vorhaben wie den Wiederaufbau nach Katastrophen in der Schweiz und anderswo auf der Welt.

Seit ihrer Gründung hat die Glückskette mehr als 250 Spendenaktionen organisiert und 1,7 Milliarden Franken gesammelt. Damit ist sie die grösste Spenderin für humanitäre Hilfe in der Schweiz.

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