Auch sechs Monate nach dem verheerenden Erdbeben auf der Karibikinsel leben trotz massiver internationaler Hilfe noch immer 1,6 Millionen Menschen in Notlagern, die Hälfte davon Kinder. Am Montag haben diverse Hilfsorganisationen den schleppenden Wiederaufbau im verarmten Haiti kritisiert.
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Die Lage für die Menschen habe sich zwar stabilisiert, die Not sei aber geblieben, bemängelte das Hilfswerk Caritas.
«Erschütternd ist, dass es in Port-au-Prince praktisch nur Zeltstädte gibt, sonst sieht man nur Trümmer», sagte Caritas-Direktor Hugo Fasel am Telefon aus Port-au-Prince. «Die Menschen haben sonst nichts. Ich kann nur hoffen, dass nicht auch noch ein Hurrikan die Zelte wegfegt.»
Rund 600’000 Menschen sind gemäss Hilfsorganisationen aus der Hauptstadtregion geflohen. Dort würden sie jedoch nicht ausreichend versorgt, wie Guerty Aimé, Landeskoordinatorin von Terre des Hommes (TdH) Schweiz, sagte.
Millionen von Menschen bleiben auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Allein das UNO-Welternährungsprogramm WFP ernährt mit Hilfe eines Programms «Nahrung und Geld für Arbeit» die Familien von 35’000 Betroffenen. Ziel ist es, so insgesamt 140’000 Menschen zu unterstützen. Zudem werden hunderttausende Kinder, Schwangere und stillende Mütter mit Mahlzeiten versorgt.
Vor allem die Kinder seien «in hohem Mass von Krankheiten, Mangelernährung, Ausschluss von Bildung sowie Missbrauch und Gewalt bedroht», warnte das UNO-Kinderhilfswerk Unicef am Montag in einer in New York veröffentlichten Zwischenbilanz. Es rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, Schutz und Hilfe für die besonders benachteiligten Kinder zu verstärken.
Als grossen Erfolg der internationalen Hilfe werte Unicef die Tatsache, dass es bisher gelungen sei, Hunger und Epidemien in Haiti zu verhindern.
Dagegen ist von einem Wiederaufbau nichts zu sehen. «In der Schweiz wären bereits überall Kräne und Baumaschinen an der Arbeit», so Caritas-Direktor Fasel. Das Problem, vor dem die Helfer stehen, ist die Armut. «Wie soll man einen Wiederaufbau betreiben, wenn vorher nichts da war», so Fasel.
Caritas-Direktor Fasel ist pessimistisch: «Ich befürchte, dass das an den Geberkonferenzen gesprochene Geld Haiti nicht erreichen wird.» Die Gefahr sei gross, dass das Land vergessen werde.
Bei dem Erdbeben der Stärke 7,0 waren am 12. Januar 2010 zwischen 250’000 und 300’000 Menschen ums Leben gekommen. Haitis ohnehin marode Infrastruktur wurde weitgehend zerstört.
swissinfo.ch und Agenturen
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