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«Hier hat der Aberli gewohnt, dort der Dubs»

In diesem Haus wuchs Irma auf, bis die Familie Ille 1941 aus Zürichtal deportiert wurde. Norbert Rütsche

Irma Jakovlevna Tarusova ist 1919 im russischen Zürichtal als Irma Ille geboren. Sie ist heute die einzige in der Schweizer Kolonie Zürichtal geborene Person, die wieder auf der Halbinsel Krim lebt.

Irma Jakovlevna Tarusova ist bekannt in Staryj Krym, der nächstgelegenen Kleinstadt unweit von Zolotoe Pole, dem einstigen «Zürichtal».

1955 war sie mit ihrem russischen Mann aus der Verbannung in Kasachstan hierher gekommen und arbeitete bis 1974 als äusserst beliebte Deutschlehrerin.

Ihr Heimatdorf aber ist das «Schweizer Dorf» Zürichtal, wo sie 1919 als Irma Ille geboren und von wo sie 1941 deportiert worden war.

Letzte Zeugen

Irina Jakovlevna, wie sie heute von ihren russischen Nachbarn und den ehemaligen Schülern meist genannt wird, ist die einzige in Zürichtal geborene Person, die heute auf der Krim lebt.

In Zolotoe Pole selbst wohnt mit Antonia Schmidt-Marx noch eine Frau mit direkten Verbindungen zu Zürichtal: Sie ist die Tochter von Adeline und Reinhold Marx-Bär, die 1941 als Kinder nach Kasachstan verschickt worden waren, wo auch Antonia geboren wurde.

Zusammen mit ihrem wolgadeutschen Mann Alexander und ihren Eltern hatte sich Antonia Schmidt in den 1970er Jahren entschieden, ins Heimatdorf ihrer Eltern zurückzukehren.

Die meisten Zürichtaler blieben aber in ihren Deportationsgebieten, viele von ihnen sind von dort direkt nach Deutschland ausgewandert. Dort leben seit 1999 auch Antonias Eltern.

Schweizer Erbe verwischt

Irma erinnert sich noch genau an ihre Kindheit und Jugendzeit in Zürichtal. Ihre Erinnerungen sind umso wertvoller, als dass in Zolotoe Pole heute kaum mehr etwas darauf hinweist, dass man sich in einem von Schweizern gegründeten Dorf befindet.

Von den Grabsteinen mit deutschen Inschriften ist kein einziger mehr erhalten. Das Schulhaus aus Irmas Jugendzeit, als der Unterricht noch gänzlich in deutscher Sprache erteilt wurde (1938 wurden alle nationalen Schulen aufgehoben, ab diesem Zeitpunkt wurde auf Russisch unterrichtet), steht nicht mehr, die Laufbrunnen, die sie so gemocht hatte, sind ausgetrocknet oder entfernt.

Einzig die Kirche – heute von den orthodoxen Gläubigen genutzt – erinnert noch direkt an die Schweizer Kolonie.

Jugenderinnerungen

Wer aber mit Irma zuerst die Strasse des Unterdorfes und dann jene des Oberdorfes entlang schreitet, kann mit ihr eintauchen in ihre Jugendzeit in Zürichtal. Von jedem Haus kann sie noch den damaligen Besitzer nennen.

«Hier hat der Aberli gewohnt und dort der Dubs, da der Vollenweider und dort der Pfeifer.» Und ganz besonders betont Irma immer wieder, dass man im Dorf ausschliesslich Deutsch gesprochen habe.

Selbst die Angehörigen anderer Nationalitäten, von welchen es in Zürichtal auch einige gab, sprachen alle fliessend Deutsch. Heute sind deutsche Laute in Zolotoe Pole selten geworden.

Einzig wenn Irma «ihr Zürichtal» besucht und von früher erzählt, scheint sich das Rad der Zeit für einen Moment zurückzudrehen, und man glaubt, auf dem Platz vor der Kirche Kindergeschrei in schwäbisch-schweizerdeutschem Dialekt und im Hintergrund die gestrenge Stimme des Pfarrers zu vernehmen.

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