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Studieren in der Schweiz: Was junge Auslandschweizer:innen wissen müssen

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Student:innen an der Universität St. Gallen. Unter ihnen befinden sich sicherlich auch einige junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. © Keystone / Christian Beutler

Das kantonale Bildungssystem und die Gleichwertigkeit von Diplomen können jungen Auslandschweizer:innen den Zugang zu einem Hochschulstudium erschweren. Wer sich nicht rechtzeitig informiert, hat das Nachsehen.

Die Schweiz geniesst bei der Hochschulbildung einen guten Ruf. Darum möchten viele junge Leute aus dem Ausland hier studieren. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFSExterner Link) zählte die Schweiz im Jahr 2022 knapp 75’000 ausländische Studierende an allen Schweizer Universitäten und Hochschulen zusammen. Darunter befanden sich 7526 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. In den letzten zehn Jahren ist ihre Zahl leicht gestiegen.

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«Die Schweizer Diplome sind international anerkannt und die Schulen werden gut eingestuft», sagt Frédéric Bouillaud, ein Franko-Schweizer, der bei Toulon im Südosten Frankreichs lebt. Er ist Vater von zwei Kindern im Alter von 12 und 7 Jahren und plant bereits die weiterführende Ausbildung seiner älteren Tochter in der Schweiz. 

Weitere hilfreiche Artikel zum Auswandern und Leben im Ausland finden Sie auf unserer Ratgeber-Seite.  

Frédéric Bouillaud
Frédéric Bouillaud màd

Er sieht noch weitere Vorteile des Schweizer Systems, insbesondere seine Offenheit: «Im Schweizer Curriculum macht es sich gut, wenn man sich Zeit für eine Weltreise nimmt. In Frankreich wird ein Zwischenjahr hingegen als Zeichen für einen chaotischen Lebenslauf gelesen.» Bouillaud schätzt auch die Flexibilität. In der Schweiz sei es einfacher, die Studienrichtung zu wechseln. 

Keine Vorzugsbehandlung

Allerdings ist die Schweizer Staatsbürgerschaft keine Garantie, dass man in der Schweiz studieren kann. Martina Weiss ist Generalsekretärin von swissuniversities, der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten, Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen. Sie erklärt: «Entscheidend ist der Abschluss und nicht die Nationalität.» Studierende mit einem Abschluss auf Sekundarstufe 2 können sich an allen Schweizer Hochschulen um einen Studienplatz bewerben. «Junge Menschen mit ausländischer oder schweizerischer Staatsangehörigkeit werden daher gleich behandelt», erklärt Weiss. 

Eine Schweizer Staatsbürgerschaft hingegen bedeutet, dass man weniger Studiengebühren bezahlt und Zugang zu den durch die Kantone gesprochenen Stipendien hat. Denn die Schweiz ist ein Land mit hohen Lebenshaltungskosten.   

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Eine logistische Herausforderung

Wenn man aus dem Ausland kommt, ist ein Studium in der Schweiz in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung, angefangen bei der Unterkunft. Frédéric Bouillaud ist sich dessen bewusst. Er plant bereits: Er wird wohl eine Schule in der Region Neuenburg suchen, wo er Verwandte hat, die seine Tochter aufnehmen könnten. «Wir wissen, dass wir uns finanziell nach der Decke strecken müssen.» 

Katharina Stalder
Katharina Stalder màd

Als Problem entpuppte sich die Unterkunft auch bei Katharina Stalder, einer Franko-Schweizerin aus Toulouse, als deren Tochter 2020 an der Universität Genf studierte. «Es gab keinen Platz mehr, weder in der Cité U noch in den Wohngemeinschaften», erinnert sich die Mutter. Bei Stalder war die Unterbringung bei Verwandten keine Option, diese wohnten zu weit weg. Erst nach einigen Recherchen erfuhr die Mutter von einer Wohnbaugenossenschaft für Menschen in Ausbildung und konnte ihrer Tochter einen Platz finden. 

Finanzielle Belastungen

Die finanzielle Belastung ist auch der Grund, warum Katharina Stalders Tochter noch in Frankreich versichert ist. «Wir können uns eine Schweizer Krankenversicherung schlichtweg nicht leisten.»

Als Staatsangehörige eines EU/EFTA-Landes fällt die junge Frau unter das Abkommen über den freien Personenverkehr für Personen, die sich zu Ausbildungszwecken in der Schweiz aufhalten. Sie unterliegt daher nicht der Versicherungspflicht in der Schweiz, sofern sie nicht erwerbstätig ist. Allerdings muss man sich eine Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK) besorgen. 

Jugendliche aus Drittländern können eine Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen, «sofern sie über eine private Versicherung verfügen, deren Deckung derjenigen einer Schweizer Krankenkasse gleichwertig ist», sagt das Bundesamt für Gesundheit (BAG).

Stipendien – ein bürokratischer Spiessrutenlauf

Um das Portemonnaie zu entlasten, kann man einen Antrag auf ein kantonales Stipendium stellen. Ruth von Gunten, Mitarbeiterin bei educationsuisse, dem Dachverband der Schweizer Schulen im Ausland und Auskunftszentrum für junge Auslandschweizer:innen, warnt jedoch: «Es gibt so viele Verfahren wie Schweizer Kantone.»

Junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer können bei ihrem Heimatkanton Finanzhilfe beantragen, sofern es sich um ihre erste Ausbildung in der Schweiz handelt – also eine Lehre oder ein Hochschulstudium – und diese mit einem vom Bund anerkannten Diplom abgeschlossen wird. 

Aus wirtschaftlichen Gründen sind die Kantone in den letzten Jahren jedoch bei der Stipendienvergabe strenger geworden, erklärt Ruth von Gunten. Einige vergeben keine Stipendien mehr an junge Menschen aus der EU und andere nur noch selten an Auslandschweizer:innen. Eine letzte Kategorie hat sich für eine gemischte Lösung entschieden: Die Studierenden müssen zuerst einen Bescheid (positiv oder negativ) für ein Stipendium in ihrem Wohnsitzland erhalten, bevor sie sich um ein Stipendium in ihrem Heimatkanton bewerben können.  

In den letzten Jahren hat sich die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) für eine Harmonisierung der kantonalen Stipendiengesetze eingesetzt. Es steht den Kantonen jedoch frei, strengere Regeln anzuwenden.  

Katharina Stalder, die sich im Kanton Bern um ein Stipendium für ihre Tochter beworben hat, berichtet, dass «die Zusammenstellung der Stipendiendossiers eine echte Knacknuss ist». Sie ist der Meinung, dass «die verlangten Informationen fast schon intim sind, während die Hilfen nur punktuell greifen und die Beträge letztlich ziemlich lächerlich sind». 

Ruth von Gunten von educationsuisse sagt, dass ihre Organisation Auslandschweizer:innen bei Bedarf Unterstützung bieten und «als Bindeglied zwischen dem Heimatkanton und dem Studierenden fungieren kann».

Unterschiedliche Aufnahmebedingungen

Eine der grössten Herausforderungen, mit denen junge Auslandschweizer:innen und ihre Eltern konfrontiert sind, ist, das schweizerische Bildungssystems überhaupt zu verstehen. In vielen anderen Ländern wird das Bildungswesen auf nationaler Ebene verwaltet. In der Schweiz aber unterstehen die Schulen der Tertiärstufe den Kantonen, mit Ausnahme der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne (EPFL) und Zürich (ETH). 

Konkret bedeutet dies, dass jede Institution – Hochschule oder Universität – die Zulassungsbedingungen für ausländische Studierende autonom festlegt. «swissuniversities veröffentlicht jedes Jahr die Zulassungsbedingungen. Im Zweifelsfall empfehlen wir, direkt mit den betreffenden Schulen oder Universitäten Kontakt aufzunehmen», sagt Ruth von Gunten.

Der Abschluss entscheidet

Allen kantonalen Sonderfällen zum Trotz gilt schweizweit ein Kern von sechs Fächern. Er soll sicherstellen, dass Bewerber:innen aus dem Ausland über einen Abschluss verfügen, welcher der schweizerischen gymnasialen Maturität gleichwertig ist.  

Laut swissuniversities müssen in den letzten drei Jahren der Sekundarstufe 2 folgende Fächer belegt worden sein, unabhängig davon, ob ein geistes- oder naturwissenschaftliches Studium angestrebt wird: Erstsprache (Muttersprache), Zweitsprache, Mathematik, Naturwissenschaften (Biologie, Chemie oder Physik), Geistes- und Sozialwissenschaften (Geografie, Geschichte oder Wirtschaft/Recht) sowie Informatik, Philosophie oder ein Wahlfach aus den anderen Fächern.

Claude Genier
Claude Genier màd

Als Sonderfall gilt inzwischen Frankreich. Bis 2020 galt das französische Baccalauréat als gleichwertig mit der Schweizer Matura. Dann führte Frankreich jedoch eine Reform durch, die Einfluss auf Zulassungsbedingungen hatte. Der Sohn von Claude Genier, der ein Studium an der Haute École de Gestion de Genève (HEG) plante, wurde Opfer dieser Reform. Bei einem Informationstag in Genf erfuhr er, dass er in Frankreich andere Fächer hätte belegen müssen.  

Um nicht in eine solche Situation zu geraten, heisst das Zauberwort: «Antizipation» – vorausgesetzt, der zukünftige Student, die zukünftige Studentin weiss, welchen Studiengang er oder sie wählen möchte.

Übertragung aus dem Französischen: Balz Rigendinger

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Emilie Ridard

Planen Sie, für die Ausbildung Ihrer Kinder in die Schweiz zurückzukehren?

Wenn Sie im Ausland leben, Ihren Kindern jedoch eine Schweizer Ausbildung ermöglichen wollen, sind wir gespannt auf Ihre Geschichte(n)!

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