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Hoffnung für neue Schweizer Schulen im Ausland

In der Gegend des Comersees leben verhältnismässig viele Schweizer Familien. AFP

Erstmals seit 1946 hat in Italien eine neue Schweizer Schule ihre Pforten geöffnet. Das Komitee für Schweizer Schulen im Ausland hofft, dass dank einer Gesetzesrevision in naher Zukunft wieder vermehrt Schweizer Schulen im Ausland gegründet werden können.

Bei den Schweizer Schulen in Italien gab es in den letzten 30 Jahren eigentlich nur eine Tendenz, diejenige der Schliessung.

Fünf Institute machten seit 1983 nacheinander dicht: Genua, Florenz, Neapel, Luino und zuletzt Domodossola. Geblieben sind die Schweizer Schulen in Mailand, Bergamo, Catania und Rom.

Doch nun gibt es einen Hoffnungsschimmer. In Cadorago bei Como hat die Mailänder Schweizer Schule soeben einen Ableger eröffnet. Diese erste Neugründung in Italien seit 1946 erfolgte nicht zufällig, sondern aus einer gewissen Notwendigkeit.

«Wir haben in Mailand auf Gymnasialstufe in jedem Jahrgang jeweils nur eine sehr kleine Klasse mit sechs bis acht Schülern“, hält Robert Engeler, Präsident der Schweizer Schule Mailand, fest. Zu wenig, um einen gesunden schulischen Wettbewerb zu erreichen.

Der Grund für den Schrumpfungsprozess: Schüler verlassen die Schule, wenn ihre Eltern wegziehen. Und der Quereinstieg in die Schweizer Schule von anderen Instituten ist wegen der Zweisprachigkeit in den höheren Jahrgängen praktisch unmöglich.

Höchste Schweizerdichte im Raum Como

Die neue Schule bei Como hat somit die Aufgabe, potenziellen Nachwuchs für die Gymnasialstufe in Mailand zu generieren. Warum gerade Como? Marktuntersuchungen haben ergeben, dass in diesem Gebiet die meisten Schweizer Familien mit Kindern leben. Viele Schweizer Familien sind von der City Mailand ins Umland gezogen.

Ausserdem gibt es im Raum Como einen guten Prozentsatz italienischer Familien aus dem Mittelstand, die es sich leisten können, den Besuch einer Schweizer Schule zu bezahlen. Immerhin kann dieser Schulbesuch bis zu 6000 Euro pro Kind und Jahr kosten.

Die Vorarbeit für den Standort hat sich als erfolgreich erwiesen. Denn das Feedback auf die neue Schule ging weit über die Erwartungen hinaus. «Wir rechneten mit 26 Kindern, davon 7 Schweizer; aber wir hatten 41 Anmeldungen, davon 16 Schweizer», sagt Engeler.

So konnten zwei Kindergartenklassen und eine erste Primarschulklasse den Betrieb aufnehmen. Und jedes Jahr kommt nun eine Stufe hinzu, bis die acht Jahre obligatorische Schulzeit beendet sind (in Italien fünf Primarschuljahre und drei Jahre Oberstufe).

Zufriedenheit bei Koordinationsstelle

Nach der Gründung von zwei Filialen der Schweizer Schule von Mexiko-Stadt in den Jahren 1992 und 2007 ist dies in Europa die erste Neugründung einer solchen Schule. «Darüber sind wird hocherfreut», sagt Irène Spicher, Geschäftsführerin des Komitees für Schweizer Schulen im Ausland (KSA) in Bern.

Sie verweist darauf, wie schwierig es geworden sei, eine Schweizer Schule neu zu gründen, seit der Bund mit Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes von 1987 über die Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer keine Anstoss-Finanzierungen mehr leiste.

Im Falle Cadorago erfolgte de facto die gesamte Finanzierung durch die Schweizer Schule in Mailand als Trägerin.

Allerdings könnte sich dies ändern: Im Rahmen einer Gesetzesrevision soll das geltende Fördermodell im bisherigen Subventionsrahmen von 20 Millionen Franken, die den Betrieb und Unterhalt der Schulen betreffen, aktualisiert und optimiert werden. «Das könnte allenfalls eine Anstoss-Finanzierung wieder ermöglichen», meint Spicher.

Ohne Mindestanteil von Schweizern

Ein weiteres Hindernis für die Gründung von Schweizer Schulen ist momentan der Mindestprozentsatz von Schweizer Schülerinnen und Schülern. Zurzeit beträgt dieser 20 Prozent bei grossen Schulen und 30 Prozent bei kleinen Schulen.

«Der Wegfall dieses Anteils gibt mehr betriebswirtschaftlichen Spielraum», sagt Spicher. So könnten sich die Schulen besser im Markt positionieren, was sie weniger abhängig von der Bundesunterstützung werden lasse.

Im Extremfall könnte es somit zu Schweizer Schulen ohne Schweizer Schüler kommen. Spicher erschreckt diese Vision nicht: «Die Swissness wird durch die Schweizer Lehrpersonen und den Schweizer Lehrplan gewahrt.»

Geduld bei Gesetzesrevision gefragt

Die KSA-Geschäftsführerin ist überzeugt, dass es gerade in aufstrebenden Ländern wie Indien, China und Russland ein grosses Potenzial für Schweizer Schulen gibt. Diese seien ein wichtiger Faktor für die Präsenz der Schweiz im Ausland; das Schweizer Bildungssystem geniesse weltweit einen guten Ruf.

«Man hat aber auch erkannt, welchen nachhaltigen Wert es hat, wenn Schüler im Gastland die Schweizer Gewohnheiten und die Mentalität aus der Schule kennen», hält sie fest.

Bis ein revidiertes Gesetz in Kraft tritt, ist aber noch viel Geduld gefragt. Dies dürfte kaum vor 2014 der Fall sein. Erst im Herbst 2011 wird die Vernehmlassung eröffnet, dann muss der Bundesrat die Botschaft verabschieden und den Vorschlag ans Parlament überweisen.

Dabei werden sich sicherlich auch wieder Kritiker zu Wort melden, die der Ansicht sind, es sei nicht Aufgabe des Bundes, sich an der Finanzierung von Privatschulen im Ausland zu beteiligen.

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Vernehmlassung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Vernehmlassung oder das Vernehmlassungsverfahren ist die Konsultation von betroffenen und interessierten Kreisen (auch Mitwirkungsverfahren). Sie ist eine wichtige Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren. Bei der Vorbereitung wichtiger Gesetze und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen werden die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise zur Stellungnahme eingeladen.

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Rund 6700 Kinder und Jugendliche werden an den 18 Schweizer Schulen im Ausland nach schweizerischen Grundsätzen unterrichtet.

Die Schweizer Kinder, die diese Schulen besuchen, können so einerseits eine Verbindung zur Schweiz behalten, andererseits eine multikulturelle Schule besuchen und vom Kindergarten an zweisprachig unterrichtet werden. An allen Schulen kommt noch die englische Sprache dazu.

Diese Kinder können jederzeit ins schweizerische Schulsystem wechseln. Sie können in der Schweiz studieren, falls sie mit der Matur abschliessen oder mit dem International Baccalaureate (IB).

Asien:

Singapur (Singapur), Bangkok (Thailand)

Afrika:

Accra (Ghana)

Europa:

Catania, Bergamo, Rom, Mailand, Cadorago (Italien); Barcelona, Madrid (Spanien)

Mittel- und Südamerika:

Mexiko, Querétaro, Cuernavaca (Mexiko); Bogota (Kolumbien); Lima (Peru); Santiago (Chile); Sao Paulo, Curitiba (Brasilien)

Die 18 vom Bund anerkannten Schweizer Schulen sind private Einrichtungen der einzelnen Auslandschweizer Gemeinschaften.

Aus der Schweiz erhalten die Schulen von drei Seiten Unterstützung: vom Bundesamt für Kultur, von den Patronats-Kantonen und vom Komitee für Schweizer Schulen im Ausland.

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