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Hooligans: Schweizer Behörden wählen die harte Gangart

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Rauch von Fackeln bei einem Spiel des FC Zürich. Keystone/ennio Leanza

Eine neue Strategie der Schweizer Behörden gegen Gewalt im Fussball sieht teilweise Stadionschliessungen vor. Kann das funktionieren?

Da der Fussball in der Schweiz ein gewisses Mass an Gewalt gewöhnt ist, erschien ein Vorfall in Zürich im vergangenen Monat zunächst wenig bemerkenswert. Nach dem torlosen Unentschieden zwischen dem FC Zürich und dem FC Basel – ein Spiel, das die Nachrichtenagentur Keystone-SDA als «langweilig» bezeichnete – gerieten 100 Zürcher Fans mit der Polizei aneinander; es flogen Steine, Feuerwerkskörper und Fackeln.

Wenige Tage später zeigte sich in der offiziellen Reaktion darauf jedoch ein neuer Wille, gegen das Fussballgewalt vorzugehen. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) stufte den Vorfall als «schwerwiegend» ein und ordnete an, dass für das nächste Heimspiel des FC Zürich ein ganzer Sektor des Stadions gesperrt werden soll. «Wir wollen die Gewalt der Fans nicht mehr hinnehmen und ergreifen entsprechende Massnahmen», sagte die Co-Präsidentin der Konferenz, Karin Kayser-Frutschi.

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Als der FC Lausanne-Sport zehn Tage später das Zürcher Letzigrund-Stadion besuchte, war die «Südkurve» des Stadions, wo sich in der Regel die eingefleischten Fans aufhalten, leer.

Kollektivstrafen

Der Entscheid, wie auch ähnliche Entscheide in den letzten Wochen in Bern, Lausanne, Luzern und St. Gallen, hat zu einer Flut von Medienberichten und Kritik geführt.

Vor allem die Fans ärgern sich über die » Kollektivstrafen». Im Fall des FC Zürich wurden rund 4000 Personen – darunter auch Saisonkarteninhaber – wegen der 100 Störenfriede von ihren Stammplätzen verwiesen. In verschiedenen Stadien sind seither riesige Transparente zu sehen, die gegen die Massnahmen protestieren. In Bern planten Fans verschiedener Klubs – normalerweise verfeindet – eine gemeinsame Demonstration, die dann aber abgesagt wurde.

Auch die Vereine selbst sind unzufrieden. Der Präsident des FC Zürich, Ancillo Canepa, argumentierte, dass die Zusammenstösse im vergangenen Monat einige Kilometer vom Stadion entfernt stattfanden – «ausserhalb unseres Einflussbereichs», wie er gegenüber dem Schweizer Radio SRF sagte. Zusammen mit einigen Fans hat Canepa gegen die Entscheidung Berufung eingelegt und die Gerichte aufgefordert, die Rechtmässigkeit solcher Massnahmen zu klären.

Auch die Politik mischte sich ein: Linke Zürcher Parlamentarier forderten vergeblich eine Rücknahme des «populistischen» Entscheids, den sie als «Signal der Ohnmacht» bezeichneten. Die linke Zeitung WOZ schrieb, solche harten Regeln seien typisch für «konservative Karriere-Politiker». Eine Politikerin, die damit wohl gemeint war, ist Stephanie Eymann aus Basel. Sie sagte in der Neuen Zürcher Zeitung: «Weshalb richtet sich der Ärger gegen die Behörden – und nicht gegen die Hooligans?»

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Die Fans des FC Sion feiern einen Sieg gegen den FC Thun, 2008. Keystone / Jean-christophe Bott

Kontraproduktiv?

Experten für Fan-Gewalt reagieren ihrerseits zurückhaltend. Alain Brechbühl von der Universität Bern sagte gegenüber SRFExterner Link, dass solche Massnahmen kontraproduktiv sein könnten: «Lässt man niemanden mehr in den Gästefan-Sektor, verliert man den Kontakt zur problematischen Gruppe. Die Frustration steigt und somit das Gewaltpotenzial.»

Dirk Baier, Kriminalexperte der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist vorsichtiger, was die Frage betrifft, ob kollektive Massnahmen die Situation verschlimmern. Sie könnten jedoch bewirken, dass sich einige frustrierte, gemässigte Fans ganz vom Fußball abwenden – was den Sport als solchen «weniger attraktiv» macht, sagt er gegenüber swissinfo.ch.

Baier sagt, es gebe kaum verlässliche Daten darüber, was bei der Eindämmung von Fan-Gewalt funktioniert und was nicht. Zur Gewaltprävention allgemein sagt er jedoch, dass «harte Strafen nicht abschreckend sind». Und im Fall des Fussballs, wo Gewalt ein «komplexes» Phänomen sei, bei dem eine Kombination aus Gruppenidentität, Impulsivität sowie Alkohol und Drogen eine Rolle spiele, seien Pauschalansätze nicht die Lösung.

Was also könnte funktionieren? Neben der traditionellen Polizeiarbeit, bei der einzelne Hooligans gejagt und strafrechtlich verfolgt werden, ist laut Baier ein wichtiger Faktor, sich auf den lokalen Kontext zu konzentrieren: «Zürich braucht einen anderen Ansatz als Luzern oder Basel», sagt er. «Die verschiedenen Akteure – Polizei, Vereine, Fanbetreuung etc. – müssen die Situation gemeinsam besprechen und Massnahmen beschliessen.» Es brauche ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten, wie es in Deutschland mit den StadionallianzenExterner Link gelungen sei.

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Absperrungen, die den Ansturm der Fans auf das Spielfeld verhindern soll, in Basel im Jahr 2009. Keystone / Patrick B. Kraemer

Stufen der Eskalation

Solche landesweiten Stadionkontrollen könnten ein Vorgeschmack auf das sein, was noch kommen wird. Nach jahrelangen Bemühungen – inklusive Einrichtung einer Datenbank mit rund 1000 bekannten Hooligans, die letztes Jahr gehackt wurde – arbeiten die Schweizer Behörden derzeit an einem Fünf-Punkte-Plan. Er wurde von der Konferenz der Polizeidirektoren und der Fussballliga gemeinsam ausgearbeitet.

Darin werden verschiedene Stufen der Eskalation und die entsprechenden Massnahmen, die sie automatisch auslösen würden, festgelegt.

Stufe eins – gefährliche Verwendung von Feuerwerkskörpern und Sachbeschädigung – würde beispielsweise einen obligatorischen Dialog zwischen Klubs, Fans und Behörden auslösen

Stufe fünf – wiederholte körperliche Gewalt – würde einen Klub dazu zwingen, in einem leeren Stadion zu spielen oder ein Spiel zu verlegen. Die Schliessung von Stadionsektoren ist eine Reaktion der Stufe drei.

Der Plan, der im März fertiggestellt und in der nächsten Saison eingeführt werden soll, stösst auf ein gemischtes Echo, wie SRF berichtet. Während die Klubs die Klarheit darüber, welche Aktionen zu welcher Reaktion führen, weitgehend begrüssen, ist das Element der Kollektivstrafe nach wie vor umstritten.

Steigender Eskapismus

Die Schweiz ist nicht das einzige Land, das mit Hooliganismus zu kämpfen hat. Auch in der französischen Liga gab es in den vergangenen Spielzeiten Probleme mit Fans, die das Spielfeld stürmten und Spieler oder gegnerische Fans angriffen.

Auch in England nahmen die Ausschreitungen nach der Pandemie zu: In der Saison 2021-2022 stieg die Zahl der Festnahmen im Zusammenhang mit Fußball um 60 %. Einem Bericht des GuardianExterner Link zufolge gibt es keine monokausale Erklärung für diesen Anstieg. Von der Zeitung befragte Experten und Polizisten nannten jedoch aufgestaute Energie und den Wunsch nach eskapistischem Verhalten nach der Pandemie sowie den zunehmenden Kokainkonsum in und um die Stadien als mögliche Faktoren. Zuvor war die Zahl der Hooligan-Vorfälle ein Jahrzehnt lang zurückgegangen.

Und auch in der Schweiz scheinen die aktuellen Debatten eine Verschlechterung der Situation zu suggerieren, doch die Statistiken sprechen laut Baier eine andere Sprache. «In den letzten Jahren ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle sogar zurückgegangen», sagt er.

Warum also das harte Durchgreifen? Wie bei allen Arten von Gewalt besteht das Problem laut Baier darin, dass «einzelne Vorfälle einen sehr starken Einfluss auf die Wahrnehmung des Problems haben.» Sie erhalten grosse Aufmerksamkeit. «Eine Gesellschaft, deren Ziel es ist, jegliche Gewalt zu verhindern, gerät dann unter Handlungsdruck», sagt Baier.

Editiert von Balz Rigendinger

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