«Immer weniger werden sich Skifahren noch leisten können»
Dieses Jahr müssen Schweizer Familien für Skiferien viel tiefer in die Tasche greifen. Für Experte Jürg Stettler ist es der Anfang eines Trends.
Eine vierköpfige Familie bezahlt Anfang Februar 2024 ein Drittel mehr für eine Woche Skiferien in der Schweiz. Dies zeigt eine Studie der Bank Cler in Kooperation mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics.
Diese Entwicklung beobachtet auch Jürg Stettler. Er leitet das Institut für Tourismus und Mobilität der Hochschule Luzern und setzt sich mit der nachhaltigen Entwicklung im Tourismus auseinander.
SRF: Wie lange kann es sich eine durchschnittliche Familie in der Schweiz noch leisten, in die Skiferien zu fahren?
Jürg Stettler: Für viele Leute ist es heute schon zu teuer. Natürlich stellt man sich mehr und mehr die Frage, ob man sich das noch leisten will. Früher hatte man keine andere Option, heute hat man Alternativen.
Welche Alternativen gibt es?
Ein Trend, der schon länger zu sehen ist, ist, dass man in den Schneesportferien nicht Ski fährt, sondern andere Sportarten ausübt: Schneeschuh laufen, Schneewandern, Schlitteln. So kann man der Preisentwicklung zu einem gewissen Grad ausweichen, aber sobald man die Transportanlagen benötigt, um auf den Berg zu kommen, treffen einen auch hier die höheren Preise.
Wieso wird Skifahren immer teurer?
Die Kosten, um die Skipisten zu präparieren, werden immer grösser. Das ist eine Folge des Klimawandels. Heute kann man davon ausgehen, dass ein Skigebiet unter 2000 Meter über Meer ohne künstliche Beschneiung nicht mehr funktioniert. Dazu kommt die Erneuerung der Transportanlagen. Früher hatte man vielerorts einfache Skilifte. Heute sind es in der Regel schnelle Sessellifte und leistungsfähige Seilbahnen, die im Vergleich teurer sind.
Viele Schweizer Skigebiete haben dynamische Preise eingeführt. An gewissen Tagen kosten Billette mehr, an anderen weniger. Verstärken sie das Problem?
Für Leute mit knappem Budget sind dynamische Preise ein Vorteil, wenn sie früh buchen. Den Bergbahnen ist es gelungen, das Wetterrisiko den Skifahrenden zu übertragen. Früher konnte man kurzfristig buchen, abhängig von Wetter und Schnee.
Das kann man noch immer, nur ist das kurzfristige Buchen aufgrund der dynamischen Preise teurer geworden, besonders in der Hochsaison. Das ist unglücklich für Familien mit Kindern, die zeitlich gebunden sind aufgrund der Schulferien.
Wie sieht es bei den Übernachtungen aus?
Auch bei den Übernachtungen sind die Preise angestiegen. Hotels haben schon länger dynamische Preise. Aber hier dasselbe Spiel: Wer an die Schulferien gebunden ist, zahlt mehr.
Gehen heute tatsächlich weniger Leute in die Skiferien als vor 20 Jahren?
Die Anzahl Skifahrer hat in den letzten 20 Jahren nicht markant abgenommen. Aber man geht weniger häufig Ski fahren. Das hat damit zu tun, dass immer weniger Leute eine eigene Skiausrüstung besitzen. Wenn man seine Ausrüstung jedes Mal neu mieten muss, wird der einzelne Skitag teurer. Auch bei der Saisonkarte sieht man eine Entwicklung. Heute gibt es mehr Skigebiete, die eine vergünstigte Saisonkarte anbieten. Dann geht man tendenziell häufiger Ski fahren, auch, weil man dann spontaner sein kann. Aber man muss sich das leisten können.
Was glauben Sie, wie wird sich der Skitourismus in der Schweiz entwickeln?
Die Prognosen zeigen, wenn die Klimaerwärmung sich fortsetzt, dass es für Skigebiete immer aufwändiger wird, die Skigebiete schneesicher zu halten. Skifahren wird längerfristig ein Freizeitvergnügen, das sich immer weniger Leute leisten können.
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