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Jahr des Waldes, Natur- und Kulturerbe der Schweiz

Der Wald ist in der Schweiz per Gesetz für alle zugänglich. Keystone

Die UNO hat 2011 zum internationalen Jahr der Wälder erklärt. Dieses Ökosystem, das rund einen Drittel der Schweiz bedeckt, ist sehr wichtig, etwa als Bannwald. Olivier Schneider vom Bundesamt für Umwelt über die Bedeutung der Ressource Wald.

«Die Menschen sollen für die Bedeutung der Wälder als Ökosysteme sensibilisiert werden, und zwar auf globaler Ebene», sagt der Forstingenieur Olivier Schneider von der Sektion Waldpolitik und Walderhaltung im Bundesamt für Umwelt (Bafu).

Wälder als lebenswichtige Ökosysteme seien insbesondere in Zentralamerika und Südostasien von der Zerstörung durch Abholzung betroffen.

swissinfo.ch: Was erhoffen sich die Schweizer Behörden vom Jahr des Waldes?

Olivier Schneider: Es bietet der Schweizer Bevölkerung Gelegenheit, die Probleme der Wälder auf dem ganzen Globus besser kennen zu lernen.  Bei uns sind Pflege und Schutz des Waldes  eine Jahrhunderte alte Tradition. Auf internationaler Ebene ist solches Bewusstsein aber oft nur schwach vorhanden, manchmal selbst bei unseren europäischen Nachbarn.

Die Schweiz engagiert sich für die Bewahrung und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder, wie sie in internationalen Abkommen als Ziele formuliert sind.

swissinfo.ch: Was können sich andere Länder betreffend Umgang mit dem Wald von der Schweiz abschauen?

O.S.: Beispielsweise das Rodungsverbot. Es wurde schon vor über 100 Jahren erlassen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Wälder bei uns hoffnungslos übernutzt. Zudem richteten die damals üblichen riesigen Überschwemmungen grosse Schäden auch am Wald an. Heute hat sich der Wald nicht nur erholt, sondern seine Fläche auch auf das Doppelte vergrössert.

Der freie Zugang für jedermann zu allen Wäldern ist ein weitere Errungenschaft, die in der Schweiz zur Selbstverständlichkeit geworden ist, unabhängig davon, ob der Wald dem Staat gehört oder Privatbesitz ist. In Frankreich dagegen können Besitzer den Zugang in Wälder einschränken oder verbieten.

swissinfo.ch: Der Wald existierte vor uns Menschen und wird uns auch überleben. Weshalb muss sich der Staat um ihn kümmern?

O.S.: Der Mensch ist auf den Wald angewiesen, der Wald aber nicht auf den Menschen. Das Interesse des Staates am Wald gründet im Nutzen, den die Gesellschaft aus ihm zieht. Der Staat garantiert den Schutz des Waldes und setzt als Regulator die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Nutzung.

Die Kantone müssen beispielsweise per Gesetz garantieren, dass der Wald seine Schutzfunktion gegen Naturgefahren wahrnehmen kann. Insbesondere im Gebirge bieten Wälder einen Schutz vor Lawinen, Erdrutsch, Steinschlag und Hochwasser. Überlässt man Wälder sich selbst, überaltern sie und können ihre Funktion als Schutzwald verlieren. Es ist Aufgabe des Staates, das zu verhindern.

Private nutzen ihren Wald für die Produktion von Bauholz oder Pelets zum Heizen. Hier hat der Staat für Waldbesitzer eine beratende Funktion.

swissinfo.ch: In Berggebieten dehnt sich der Wald aus. Im Mittelland dagegen geht er zurück, aber noch grösser ist der Druck auf bestes Kulturland,  Stichwort Urbanisierung und Zersiedelung der Landschaft. Wie beurteilen Sie die Situation?

O.S.: Die verschiedenen Interessen müssen im Rahmen der Raumplanung und der regionalen Entwicklung beurteilt werden. Fakt ist, dass jährlich viertausend Hektaren bestes Kulturland überbaut werden.

Dies hat mit dem Wald nichts zu tun. Es wäre verhängnisvoll, den Schutz des Waldes zu senken, denn auch der Wald ist angesichts der Urbanisierung unter Druck. Hingegen muss der Schutz der Landwirtschaftszonen erhöht werden. Anders sieht es in den Berggebieten aus, wo sich der Wald auf Kosten von Landwirtschaftsland ausdehnt.

Eine mögliche Lösung wäre die Rodung bewaldeter Gebiete. Dabei müssten aber Kriterien aufgestellt werden, um die gerodete Waldfläche anderswo zu ersetzen.

Eine solche Lösung scheint mir vernünftig, auch weil dadurch der Grundsatz des Waldschutzes nicht tangiert wird.

Rodungen allein würden aber nichts bringen. Es braucht auch eine aktive Landwirtschaftspolitik, damit die wieder gewonnenen Flächen dauerhaft landwirtschaftlich genutzt würden.

swissinfo.ch: Was macht Ihnen in Bezug auf den Schweizer Wald am meisten Sorgen?

O.S.: Die Entwicklung des Klimas, nicht nur hinsichtlich Temperaturen, sondern auch in bezug auf meteorologischen Extremereignisse, die den Wald sehr stark belasten können. Aufgrund der Klimaerwärmung haben Fähigkeiten, die sehr gut angepasst sind, zunehmend Mühe, mit den hiesigen Bedingungen zurecht zu kommen. Dadurch gerät das fragile Gleichgewicht des Ökosystems Wald ins Wanken.

Mit einer Vergrösserung der Artenvielfalt in unseren Wäldern soll deren Widerstandskraft gestärkt werden.

swissinfo.ch: Ist der der Schweizer Wald angesichts des Klimawandels besonders gefordert oder trifft dies auf die Wälder Europas generell zu?

O.S.: Beides. Eine Besonderheit des Schweizer Waldes liegt darin, dass er im Vergleich zur Fläche holzreicher ist als anderswo.

Dass die Menge Holz pro Flächeneinheit grösser ist, ist einerseits Folge der natürlichen Umgebung, aber andererseits auch des Willens, den Wald als natürliches Kapital zu schützen.

Seit mehr als einem Jahrhundert dürfen Waldbesitzer nicht mehr ernten, als der Wald produziert. «Von den Zinsen leben», hiesse das in der Bankensprache.

Totale Fläche 1,28 Mio. Hektaren, das sind rund ein Drittel der Gesamtfläche. Über 70% sind in privater Hand.

Der Wald ist im Alpenraum im Vormarsch.

Der Schweizer Wald lässt sich in 120 Typen unterscheiden, die insgesamt 20’000 Pflanzen- und Tierarten umfassen, was rund der Hälfte der heimischen Flora und Fauna entspricht.

2,5% der Wälder sind Schutzgebiete, wo keine Nutzung erlaubt ist. Dieser Anteil soll auf 10% erhöht werden.

Der offizielle Startschuss ins Jahr des Waldes erfolgt Anfang Februar am Sitz der UNO in New York.

Am 21. März findet der Internationale Tag des Waldes statt. In der Schweiz wird Umweltministerin Doris Leuthard aus diesem Anlass eine Medienkonferenz abhalten.

Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi

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