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Kontroverse um russische Uranaufbereitungsanlage

Kein Brennmaterial mehr für Beznau aus dem russischen Majak. axpo.ch

Einer der führenden Schweizer Energiekonzerne, Axpo, will bis auf weiteres auf Uranimporte aus der umstrittenen russischen Wiederaufbereitungsanlage Majak verzichten. Die Anlage war jahrelang von Umweltschützern wie Greenpeace kritisiert worden.

Das aufbereitete Uran aus Majak, das auf der Grenze zwischen Europa und Asien liegt, wurde bisher für das Atomkraftwerk Beznau im Norden der Schweiz benutzt.

Statt aus Majak will Axpo das Uran künftig aus der sibirischen Anlage Sewersk beziehen, einer Anlage, die ebenfalls im Fadenkreuz von Greenpeace steht.

Die Zukunft der Importe aus Majak hing seit Juni in der Schwebe, als ein geplanter Besuch von Axpo-Vertretern von den russischen Behörden mit der Begründung abgesagt wurde, die Anlage befinde sich in militärischem Sperrgebiet.

Axpo konnte die Anlage seither nicht inspizieren. Daher kündigte der Energiekonzern am Samstag an, auf Uran aus Majak zu verzichten «bis die notwendige Transparenz hergestellt ist».

Lieferkette

Das Uran kommt jedoch nicht direkt von der russischen Anlage in die Schweiz: Laut Sprecher Rainer Meier hat Axpo einen Liefervertrag mit der französischen Areva-Gruppe abgeschlossen, die ihrerseits Uran von der russischen Anreicherungsanlage in der Stadt Elektrostal, einem Vorort Moskaus, kauft. Diese wiederum bezieht ihr Material aus verschiedenen russischen Anlagen.

«Wir werden nun Areva beauftragen, uns zu garantieren, dass unser Brennstoff ohne Uranprodukte aus Majak hergestellt wird», so Meier gegenüber swissinfo.ch.

Die Ankündigung von Axpo sei alles andere als eine PR-Aktion wegen der breiten Kritik an der Anlage in Majak, sagte Meier. Axpo nehme Umweltsorgen sehr ernst.

Schliesslich sei es die vom Unternehmen gewünschte Transparenz, die Greenpeace erst darauf gebracht habe, einige ihrer Informationen anzuzweifeln. Dies schliesslich habe Axpo dazu geführt, der Lieferkette des russischen Brennstoffs nachzugehen.

Wer ist der Nächste?

Laut Patricia Marie, Leiterin der Presseabteilung bei Areva, ist Axpo der einzige Kunde, der kein Uran mehr aus Majak beziehen will. Alpiq, der Energiekonzern, der das Kernkraftwerk Gösgen betreibt, macht nicht mit beim Boykott.

«Wir werden sehen, ob andere Kunden diesen Weg beschreiten werden», so Marie gegenüber swissinfo.ch. «Es ist ein Entscheid von Axpo, die sich selber sehr weitgehende Anforderungen an die Transparenz gesetzt hat.»

Gerade weil Axpo viel Wert auf seine Umweltfreundlichkeit lege, habe die Schweizer Sektion der Umweltschutz-Organisation Greenpeace den Konzern unter Druck setzen können, sagt der in der Schweiz für Kernenergie-Kampagnen zuständige Florian Kasser.

Doch er ist der Meinung, das sei noch nicht das Ende der Angelegenheit: «Axpo setzt mit diesem Entscheid ein klares Zeichen, nicht nur in der Schweiz. In Zukunft werden sich Atomkraftwerk-Betreiber viel mehr Gedanken über die Herkunft ihres Brennmaterials machen.»

Areva-Sprecherin Marie hingegen ist betreffend Majak ganz anderer Meinung. Gegenüber swissinfo.ch sagte sie, ihre Firma habe Inspektoren in jene Teile der Anlage schicken können, die nicht aus militärischen Gründen gesperrt seien.

«Wir haben einen Verhaltenskodex. Wir kaufen nirgends etwas ohne vorherige Prüfung. Die Resultate der Überprüfungen an diesem Ort waren absolut zufriedenstellend. Es gibt keinen Grund, nicht mit Material aus Majak zu arbeiten.»

Dialog in der Schweiz

Axpo steht in einem Dialog mit Greenpeace und hat zahlreiche Fragen der Umweltschützer an die russische Atomenergiebehörde Rosatom weitergereicht. Zudem liess der Energiekonzern Wasserproben analysieren, die ihm Greenpeace aus dem verschmutzten Fluss Techa bei Majak zur Verfügung gestellt hatte.

Für Kasser ist der Verzicht auf Importe aus Majak «ein Schritt in die richtige Richtung. Die Erklärung aber, Importe aus Sewersk zu erhöhen, können wir nicht verstehen. Die Umweltprobleme in der Region Sewersk sind vergleichbar mit jenen in Majak».

Das Hauptproblem in Sewersk sei die Tatsache, dass radioaktive Abfälle dort direkt in Kiesschichten injiziert würden – ein Verfahren, das laut Kasser im Westen «absolut undenkbar» sei. Es herrsche eine «totale Diskrepanz» zwischen den von Axpo postulierten Nachhaltigkeitszielen und den Lagerprozessen in Sewersk, so Kasser.

Dialog in Russland

Axpo steht nicht nur mit Greenpeace in einem Dialog, sondern auch mit Rosatom. Laut Axpo-Sprecher Meier sei die Haltung der dortigen Vertreter «von westlicher Art und offen».

Kasser bestätigt, dass sich Rosatom wegbewegt habe von der Geheimhaltung nach sowjetischem Vorbild. Doch von einer totalen Offenheit der Behörde ist er weniger überzeugt.

«Wir sehen in unseren Diskussionen mit Axpo, dass Rosatom versucht, über ihre Tätigkeiten zu informieren – doch oft ist es nur ein Teil der nötigen Auskünfte und häufig unter der Bedingung, dass diese nicht veröffentlicht werden», bemängelte er.

Der grösste Schweizer Energiekonzern beschäftigt über 4000 Personen.

Zusammen mit Partnerunternehmen beliefert er rund 3 Millionen Menschen in der Schweiz mit Elektrizität.

Sein erklärtes Ziel ist es, «eine sichere Versorgung mit umweltverträglich produziertem Strom zu günstigen Preisen zu gewährleisten».

Produziert wird ein Mix aus Atom- und Wasserkraft sowie neuen Energieformen.

Dem Unternehmen gehören die beiden Kernkraftwerke Beznau I und II sowie Anteile an den Kraftwerken Gösgen und Leibstadt.

Axpo ist auch im Besitz von Bezugsrechten für Energie aus französischen AKW.

Die Anlage von Majak ist die weltgrösste Kernenergie-Anlage. Sie liegt etwa 1400 km östlich von Moskau in der Nähe der Stadt Tscheljabinsk im südlichen Ural, an der Grenze von Europa und Asien.

1957 verseuchte die Explosion eines Lagertanks mit hoch radioaktiven Flüssigabfällen ein grosses Gebiet.

Die weltweit schlimmste Atomkatastrophe vor dem GAU in Tschernobyl (1986) wurde während 30 Jahren stillgeschwiegen.

Rund ein Jahr nach der Explosion wurden 1000 km2 zur geschlossenen Zone erklärt und die Menschen umgesiedelt. Laut Greenpeace wurden viele aber nie aus dem verseuchten Gebiet evakuiert, das immer noch «eines der radioaktivsten Gebiete der Welt» sei.

Während Jahren wurden radioaktive Abfälle direkt in den Techa-Fluss geleitet, der Trinkwasser für über 100’000 Menschen liefert.

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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