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«Man kann nur zuschauen, wie das Wasser steigt»

Land unter: In Rockhampton stehen gewisse Gegenden über einen Meter unter Wasser. Keystone

Mit grosser Anteilnahme schaut die Welt auf die Region Queensland in Australien, wo Hochwasser mittlerweile eine Fläche so gross wie Frankreich und Deutschland zusammen überschwemmt. Zwei Schweizer berichten aus der in Mitleidenschaft gezogenen Region.

swissinfo.ch hat mit zwei Schweizern gesprochen, die in den betroffenen Regionen leben. Der Australien-Schweizer Rolf Hauert lebt mit Frau und Kind  in der vom Hochwasser bedrohten Küstenstadt Rockhampton. Er betreibt eine Chiropraktik-Klinik, die (noch) nicht überschwemmt ist. «Einige Meter die Strasse runter, sieht man aber das Wasser schon», berichtet er. Das Wasser komme nicht nur vom Fluss sondern auch aus der Kanalisation.

«So wie es ausschaut, werden wir Glück haben und die Klinik sollte nicht zu sehr betroffen werden, auch wenn am Mittwoch der Fluss seinen Höchststand von 9,4 Metern erreichen wird, 20 cm höher als heute,» sagt er gegenüber swissinfo.ch.

In gewissen Teilen der Stadt habe man das Gefühl, dass alles normal sei. «Die Leute kaufen ein, die Läden sind geöffnet, aber in anderen Teilen kann man nur noch per Boot zu den Häusern gelangen».

Es seien schon viele Leute evakuiert worden, aber Panik bestehe keine. «Heute Morgen habe ich im Supermarkt eingekauft, Ich habe gestaunt, wie viele Waren noch da waren. Gewisse Regale waren relativ leer, jene mit frischen Produkten wie Käse und Yoghurts. Das Milchregal war allerdings komplett gefüllt.»

Keine grosse Aufregung

Vor einer Woche, als man vor dem Hochwasser warnte, habe fast mehr Aufregung geherrscht als aktuell. «Da waren Milch und Brot ausverkauft. Beim Gemüse und den Früchten gab es hingegen das volle Angebot. Hungern muss hier niemand.»

Die Bevölkerung in Rockhampton sei recht ruhig, denn die Wassermassen seien ja keine Überraschung gewesen. «Bereits vor einer Woche wusste man, was da kommen würde. Das Komische daran ist, dass man weiss, was kommen wird, aber man kann wenig bis nichts dagegen tun. Man kann sich ein wenig vorbereiten. So haben wir Sandsäcke bereit gestellt. Sonst kann man nicht viel tun, man kann nur zuschauen, wie das Wasser steigt», erklärt Hauert.

«Bei der Universität wurde ein Lager für die Evakuierten eröffnet. Aber vor zwei Tagen waren bloss etwa 60 Leute dort. Die anderen sind bei Familien und Freunden untergekommen.»

Zudem sei die Lage dort nicht so dramatisch wie in Gemeinden im Landesinnern. Hauert ist der Ansicht, dass die Behörden ihre Arbeit gut machen würden.

«Es sind Spezialeinsatzkräfte für den Katastrophenschutz im Einsatz, vergleichbar mit dem Schweizerischen Zivilschutz. Zivilschutzanlagen wie in der Schweiz gibt es jedoch nicht. Für das Evakuationscenter in der Universität wird zum Beispiel eine Turnhalle verwendet,

Für Hauert läuft die Organisation recht gut. «So wurde bereits vor einigen Tagen ein Plan auf dem Internet veröffentlicht, der aufzeigte, wo welche Strassen wahrscheinlich überschwemmt werden dürften. Wir denken, dass wir sicher sind.»

Auch die Armee hilft; sie hat Nahrungsmittel und Medikamente eingeflogen und verteilt diese zum Teil per Helikopter an jene Ortschaften, die schon komplett vom Strassennetz abgeschnitten sind. 

Milliardenschäden

Die Hochwasserschäden in Landwirtschaft, Bergbau und der Infrastruktur sind immens.

Die Bergbauindustrie in Queensland ist stark betroffen. Rund ein Drittel der Kohleexporte des weltgrössten Kohleexporteurs Australiens sind lahmgelegt.

Der Hauptteil des Rohstoffabbaus finde im Landesinnern statt, erklärt Daniel Gschwind, Schweizer Honorarkonsul in Brisbane und Chef des Tourismusverbands Queensland, gegenüber swissinfo.ch. Er lebt seit 25 Jahren in Australien. «Auch der Transport ist betroffen. Kohle und Erz werden meist via Eisenbahn zur Küste zur Verschiffung gebracht. Aber das ist jetzt alles ziemlich zum Stillstand gekommen.»

Nach der fast zehn Jahre dauernden Dürre hatte die Landwirtschaft wieder auf eine normale, gute Ernte gehofft. Auch sie ist schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Weiter gehen die Schäden an der Infrastruktur in die Milliarden. Rolf Hauert: «Viele Strassen waren schon vor der Überschwemmung zu einem grossen Teil durch den Regen beschädigt. Es wird lange dauern, bis man sich davon erholt haben wird.» 

Belastbares Volk

Die Australier seien aber auch belastbar, sagt Hauert. «Es ist ein hartes Volk. Ich glaube nicht, dass Unwetter die Menschen zerstören werden. Die Leute hier sind es gewohnt, dass sie sich selbst helfen müssen. Sie machen einfach das Beste daraus.

Das soziale Netz sei zwar weniger engmaschig als in der Schweiz, aber der Staat offeriere den betroffenen Bauern und kleineren Unternehmen auch Darlehen.

Vom Menschen verursachte Krise?

Es gibt Leute, die behaupten, die katastrophale Lage in Australien sei auch darauf zurückzuführen, wie das Land seine Umwelt behandle. So hatte das Land sehr lange mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls gezögert.

«Natürlich spricht man auch bei uns über den Klimawandel. Man ist sich einig, dass der Mensch einen gewissen Einfluss auf das Klima hat. Die Aussage, unser Umweltverhalten sei verantwortlich für die Umweltkatastrophen, ist aber gar biblisch», meint Gschwind. «Man weiss, dass der Regen von der Wassertemperatur im Ostpazifik abhängig ist, verantwortlich ist das Phänomen La Niña. Und das hat mit uns nichts zu tun.»

… ist mit über 1,7 Mio. km2 der zweitgrösste Bundesstaat Australiens. Damit ist er fast 42-Mal so gross wie die Schweiz. Er liegt im Nordosten des australischen Kontinents

Mit rund 4 Mio. Einwohnern zählt er nur fast die Hälfte der Einwohnerzahl der Schweiz.

Hauptstadt: Brisbane (1,7 Mio. Einwohner).

Mehrere Naturschutzgebiete Queenslands sind Teil des Unesco-Weltkulturerbs: Great Barrier Reef, Fraser Island und der tropische Regenwald auf der Kap-York-Halbinsel im Norden.

Honorarkonsul Daniel Gschwind hat bis jetzt keine Hinweise, dass Schweizer Staatsbürger von den Überschwemmungen stark betroffen sind: «Die Polizei würde mich sofort verständigen, wenn sich jemand aus der Schweiz in Schwierigkeiten befände.»

«Ich würde aber staunen, wenn nicht Schweizer Rucksacktouristen irgendwo festsässen. Aber diese Menschen melden sich normalerweise erst beim Konsulat, wenn sie ein ernsthaftes Problem haben.»

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