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Massentourismus im Schweizer Dorf: «Wir fühlen uns wie Angestellte in einem Freizeitpark»

Asiatische Tourist:innen machen vor einem Wasserfall Selfies
In der "Overtourism"-Falle: Lauterbrunnen wird wegen des Staubbachfalls mit Menschen aus aller Welt überschwemmt. Für viele Einheimische sind sie mehr Ärger als Segen. SRF / Adrian Müller

Der Tourismus ist in Lauterbrunnen im Berner Oberland zum Problem geworden. Die Leute machten an der Bezirksversammlung ihrem Unmut Luft.

«Wir verzweifeln schier, wir Einheimischen haben in Lauterbrunnen einfach keinen Platz mehr», sagt eine Einwohnerin. Die Gemeinde in der Jungfrauregion ächzt unter den Touristenströmen. Die Erfahrungen dieses Sommers brachten das Fass zum Überlaufen.

Die Gemeinde sah sich genötigt, der Einwohner:innenschaft das Wort zu geben. Sie veranstaltete vor einer Woche eine Bezirksversammlung, wo die Menschen Dampf ablassen konnten. Eine «Chropf-Läärete», wie Gemeindepräsident Karl Näpflin es nannte.

Magnet Staubbachfall

Für den Verkehr sind Tagestourist:innen problematisch. Diese kommen vor allem wegen des Staubbachfalls, dem höchsten frei fallenden Wasserfall der Schweiz. «Sie kommen mit dem Mietauto, fotografieren den Staubbachfall und gehen dann wieder.»

Riesiger Wasserfall
300 Meter im freien Wasser-Fall: Der Staubbachfall in Lauterbrunnen ist zu einem Tourismus-Hype geworden. Roland Gerth/swiss-image

Das führt zu Verkehrschaos. «Ich habe das Gefühl, dass ich neben einer Autobahn wohne, die Leute fahren rein ins Tal und wieder raus. Das ist lästig», beklagt sich ein Anwohner an der Versammlung.

Tatsächlich staut sich der Verkehr im Tal oft lange. Warum nicht einfach eine Schranke bauen? «Das wäre wünschenswert, ist aber nicht umsetzbar», sagt Gemeindepräsident Karl Näpflin. «Zum einen fehlt die gesetzliche Grundlage, die Kantonsstrasse mit einer Schranke anzuhalten, zum anderen ist es im Tal schlicht zu eng.»

Fremde auf der privaten Toilette

Neben den verstopften Strassen und vollen Parkplätzen verhalte sich zudem ein Teil der Gäste problematisch: «Die Leute gehen auf dem Trottoir nicht zur Seite, und die Strassen sind vollgestopft», sagt eine Teilnehmerin.

Eine andere fügt an: «Gerade alte Leuten wissen sich kaum mehr zu helfen.» Ein dritter Einwohner beklagt sich über den Müll, der überall herumliege.

Auch Näpflin erzählt von Ereignissen aus seiner Gemeinde: «Auf unserem Friedhof haben Touristen Fussball gespielt und zwischen den Gräbern stehend und liegend Fotos gemacht. Das hat uns gar nicht gepasst.»

Sogar in Privathäusern habe es schon Vorfälle gegeben: «Heute muss man die Haustüre abschliessen, wenn man kurz in den Garten geht. Sonst sitzen plötzlich Fremde auf dem eigenen WC.»

Regeln aufstellen

Der Dorfpfarrer Markus Tschanz bringt die Sorgen vieler Leute auf den Punkt: «Wir fühlen uns wie Angestellte in einem Freizeitpark. Sogar der Schreiner muss alle Sprachen können und ist zum Tourismusmitarbeiter geworden. Der Sache entfliehen können wir nicht, denn wir wohnen hier.»

Man spürt die Hilflosigkeit der Leute. Wie versucht die Gemeinde die Probleme abzufedern, die der Tourismus mit sich bringt? Sie stellte Plakate und Flyer mit Verhaltensregeln auf. Auch Personen, die den Verkehr regeln, gibt es.

Man habe auch zwölf mobile WCs aufgestellt. Letzteres sei zum Teil verboten gewesen, da manche WCs nicht in entsprechenden Zonen installiert wurden. «Das Ziel ist es nicht. Für Sofortmassnahmen mussten wir aber kurz illegal handeln», sagt Näpflin.

Das Problem kennen viele Tourismusorte. Werden viele Wohnungen vermietet, schwindet der Wohnraum. Einheimische finden nur schwer und teuer ein Zuhause.

So auch in Lauterbrunnen. Zwar dürfen dort keine Zweitwohnungen mehr gebaut werden, viele bestehende Wohnungen werden aber verkauft und dann z.B. via Airbnb vermietet.

Sie stehen also den Ansässigen nicht mehr zur Verfügung. Der Gemeinderat bittet deshalb Leute, die Wohnraum besitzen, diesen zu angemessenen Preisen an Einheimische zu vermieten.

«Dauerhafte Lösungen sind das nicht. Wir müssen die Leute bereits abholen, bevor sie in die Jungfrauregion kommen. Sie müssen unsere Regeln und Verhaltensweisen im Tal kennen, nur so können sie ihren Aufenthalt mit uns verbringen», so Näpflin.

Als Dauerlösung seien zum Beispiel Eintritte mit Ticket und Schranke für den Staubbachfall geplant. Weitere Lösungen wolle man zusammen mit den Jungfraubahnen, dem grössten Tourismusplayer in der Region, ausarbeiten. Wie diese konkret aussehen könnten, konnte Gemeindepräsident Näpflin jedoch auch nach der Bezirksversammlung nicht sagen.

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