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Mega-Sportevents als Machtdemonstration

Am Tag der Eröffnung der Sommerspiele 2008 in Peking demonstrierten etwa 200 burmesische und tibetische Sympathisanten vor dem Olympischen Museum in Lausanne. Keystone

Olympische Spiele oder Fussball-Weltmeisterschaften bieten den Organisatoren eine einmalige Möglichkeit, ihren Machtanspruch auf internationaler Ebene zu demonstrieren. Doch die Mega-Events machen nicht alle glücklich.

Wenn der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, wie es der deutsche Stratege Clausewitz formuliert hat, dann ist die Organisation von Olympischen Spielen die Fortsetzung des Krieges mit friedlichen Mitteln.

Laut Loïc Ravenel, Forscher am Internationalen Zentrum für Sportstudien (CIES) in Neuenburg, ist die Veranstaltung von Olympischen Spielen immer Teil eines Projekts, seine Macht auf internationaler und nationaler Ebene zu demonstrieren.

«Es ist eine durch und durch geopolitische Botschaft: Wir sind eine grosse Macht, weil wir ein grosses Sportereignis organisieren können. Dahinter steckt viel Soft-Power, die Fähigkeit, seine Kraft durch andere als militärische Mittel zu zeigen.»

Dies sei in Peking 2008 deutlich zu sehen gewesen, wie auch Grossbritannien nun in London beweise, dass man dazu fähig sei. «Und die Briten betonen wiederholt, dass sie dies bereits zum dritten Mal tun.»

Es ist ein Glücksfall für Grossbritannien, in diesem Moment eine Demonstration der Stärke präsentieren zu können, bedenkt man, in welcher misslichen Lage sich die europäischen Wirtschaften gegenwärtig befinden.

Hauptstädte der Globalisierung

«London versucht, sich als eines der Zentren der Globalisierung zu bestätigen, indem es der Welt kommuniziert, dass es eine globale Stadt ist», ergänzt Ravenel. Einzig der Sport sei in der Lage, ein Weltereignis zu schaffen, das Milliarden Zuschauer auf der ganzen Welt erreiche.

Dies sei umso bemerkenswerter, als die westliche Welt heute eher auf der Ersatzbank sitze: «Die alte Welt (Europa, USA, Japan) ist bei der Organisation von grossen Sportveranstaltungen nicht mehr dabei, und wenige Länder verfügen über die Mittel, solche zu organisieren. Wenn man die Olympischen Spiele und die Fussball-Weltmeisterschaften der letzten Jahre betrachtet, waren es aufstrebende Mächte, die an vorderster Front standen», so Ravenel.

Nach den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking und den Fussball-Weltmeisterschaften 2010 in Südafrika wird Fussball 2014 in Brasilien gespielt. Im gleichen Jahr wird Russland die Olympischen Winterspiele ausrichten, 2018 die Fussball-WM, deren folgende Ausgabe 2022 in Katar geplant ist.

Machtverhältnisse

Die Geografie dieser sportlichen Mega-Events bilde exakt ab, wie es um die Machtverhältnisse zwischen Ländern und Weltregionen stehe, betont Ravenel. Daher ist aus der Sicht des Forschers die Frage nach der Rentabilität dieser Sportereignisse für das Land und die Stadt zweitrangig.

«Die finanziellen Einschätzungen sind mit Vorsicht zu geniessen. Doch der Imagegewinn und die Mediatisierung, die sehr schwer messbar sind, entsprechen einer Tatsache», so Ravenel.

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Doch es sei nicht die Bevölkerung der Austragungsländer, die profitiere. Im Gegenteil: Die Veranstaltung von solchen Spielen führe oft zu einem Ausnahmezustand im Land.

Unter diesem wurden etwa in Südafrika die fliegenden Händler mit einem Handelsverbot belegt, oder in brasilianischen Stadien soll während der Fussball-WM Alkohol verkauft werden können – was laut Gesetz gegenwärtig nicht erlaubt ist. Und in China fanden vor den Spielen von 2008 Zwangsumsiedlungen statt.

Gegen die Schwächsten

Dies führte 2009 zu einem Bericht zuhanden des Menschenrechts-Rats. «Die Erfahrung hat gezeigt, dass in vielen Fällen im Vorfeld der Olympischen Spiele Stadterneuerungen vorgenommen worden sind, bei denen es zu Menschenrechtsverstössen in grossem Stil gekommen ist, besonders, was das Recht auf angemessenen Wohnraum betrifft», schrieb die Autorin des Berichts, Raquel Rolnik.

«Den Gastgeber-Städten werden oft Zwangsräumungen in grossem Ausmass vorgeworfen, im Zusammenhang mit dem Bau von Infrastrukturen und Stadterneuerungen. Weitere Vorwürfe sind der Anstieg der Mieten durch die ‹Gentrifizierung› von gewissen Quartieren, massive Einsätze gegen Obdachlose sowie Unterdrückung und Diskriminierung von Randgruppen.»

Und die Sonderberichterstatterin für angemessenen Wohnraum betont: «Die Auswirkungen dieser Praxis werden von den am meisten Benachteiligten und Verletzlichsten der Gesellschaft am stärksten wahrgenommen: Einkommensschwache, ethnische Minderheiten, Migranten, Alte, Behinderte und Randständige wie Strassenverkäufer und Sexarbeiterinnen.»

Eine Kritik, die Loïc Ravenel etwas differenziert: «Für die Olympischen Spiele in Rio 2016 hat die Befriedung der Favelas zum Zweck, die Drogenbanden loszuwerden, indem die Quartiere eine Polizei und Strukturen des öffentlichen Lebens erhalten. Vielleicht werden sich diese Quartiere auch ‹gentrifizieren›, doch für die Bewohner besteht die Hoffnung, so aus den Fängen der Drogenhändler zu kommen.»

Risikomanagement

Ein Paradox aber bleibt, wie Pascal Viot, Dozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), betont: «Ein Massen-Event ist immer riskant und gefährlich. Mit den grossen Menschenmassen begibt sich die Stadt, die sich der Welt öffnet, auch in Gefahr, zum Ziel von möglichen Anschlägen zu werden. Es ist also eine Möglichkeit, sein Image aufzupolieren – kombiniert aber mit einem Risiko.»

Deshalb sei die Sicherheit zum Standard bei der Organisation von sportlichen Grossanlässen geworden. «Man erwartet vom Veranstalter, dass er das terroristische Risiko berücksichtigt – am wenigsten wahrscheinlich, doch am meisten gefürchtet. Damit kann man sein Organisationstalent unter Beweis stellen. Auch das ist eine Machtdemonstration für die organisierenden Staaten.»

Bis in die 1930er-Jahre hinterliessen Olympische Spiele und ähnliche internationale Sport-Anlässe kaum städtebauliche Spuren in den Austragungsorten.

1932 vermochte Los Angeles als Austragungsort die Spiele zu nutzen, um die lokale Wirtschaft anzukurbeln. So baute man das erste olympische Dorf. Dessen Unterkünfte waren auch für die Zeit nach den Spielen geplant und wurden deshalb als permanente Bauten konstruiert.

Dieser Bezug zwischen internationalem Anlass und planerischer Anpassung von städtischem Raum kam in den 1970er-Jahren noch offensichtlicher zur Geltung. Man platzierte die Wettkampf-Stätten zentral, um der Stadtmitte neues Leben zu geben.

Nach 1980 begann das Olympische Komitee, vermehrt den Privatsektor in die Promotion der Spiele miteinzubeziehen. Damit wurde die Organisation von Mega-Anlässen zum Teil einer integrierten stadtplanerischen Politik, Stadtzentren von Austragungsorten in eine immer globalisierter werdende Wirtschaft einzubetten.

Diese neue Ausrichtung hat sich 1992 mit dem Olympischen Spielen von Barcelona gefestigt. Diese Spiele dienten zwei Zielen: Der Modernisierung der Infrastrukturen und der Promotion eines neuen Images der Stadt. Letzteres geschah durch das Bevorzugen von innovativer Architektur und durch mehr internationalen Geist.

Heute dominieren diese beiden Elemente die Beziehungen zwischen sportlichen Grossveranstaltungen und ihren städtischen Austragungsorten. Ihr Einfluss auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ist dabei beträchtlich.

(Quelle: Bericht über angemessenen Wohnraum, Raquel Rolnik, 18. Dezember 2009)

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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