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Mehrheit findet: Ungleichheit zwischen Arm und Reich ist zu gross in der Schweiz

Menschen kaufen im Caritas Laden ein
Menschen in prekären Lebensumständen können unter anderem Lebensmittel zu reduzierten Preisen in Caritas-Märkten einkaufen. KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi

Die Zahl ist eindrücklich: Rund 80% der Menschen sind der Meinung, dass das Wohlstandsgefälle zwischen Arm und Reich in der Schweiz zu gross ist. Wir klären mit einer Expertin, ob sich die Wahrnehmung mit der Realität deckt.

Liegt dieses Jahr unter Ihrem Weihnachtsbaum eher das Buch für 29 Franken oder vielleicht doch der Brillantring für 2900 Franken? Die Autorin dieses Artikels musste selbst erst einmal nachschauen, was ein solcher Ring überhaupt kostet. Ein sicheres Indiz dafür, dass sie sich nicht in diesen Preissphären bewegt. Wie viele andere Menschen in der Schweiz auch. Das mag nicht weiter stören. Hingegen was die Leute stört: Die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich.

Eine grossangelegte Umfrage der SRG unter rund 57’000 Personen zeigt: 4 von 5 Befragten finden, dass das Wohlstandsgefälle zu gross ist.

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Unterschied zwischen Wahrnehmung und Fakten

Tatsache ist: Wahrnehmung und Zahlen decken sich nicht ganz. So ist das Einkommen in der Schweiz laut verschiedener Studien relativ breit verteilt. Einzig bei den obersten 10% wachse das Einkommen stärker als die Durchschnittseinkommen. Das sagt Isabel Martinez von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich gegenüber Radio SRF. Bei der Einkommensungleichheit liege die Schweiz im internationalen Vergleich im Mittelfeld und diese Ungleichheit sei auch nicht wesentlich gestiegen.

Isabel Martinez hat 2016 an der Universität St. Gallen doktoriert. Seit 2022 arbeitet sie als Senior Researcher an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Ausserdem ist sie seit 2018 Mitglied der WEKO.

Bei den Vermögen sieht es etwas anders aus. So seien die höchsten Vermögen hierzulande sehr viel stärker gewachsen als die höchsten Einkommen. Jedoch ist dieses Bild mit der eher breiten Verteilung der Einkommen und der grösseren Ungleichheit bei den Vermögen nicht neu. Die Wahrnehmung hat sich aber offenbar verändert, beobachtet Martinez. In den letzten Monaten habe sich dies durch die Inflation noch akzentuiert.

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Wahrnehmung als Entscheidungsgrundlage

Ob die Ungleichheit tatsächlich so stark ist wie wir sie wahrnehmen, sei gar nicht entscheidend, sagt die Ökonomin. Denn die Wahrnehmung sei ausschlaggebend dafür, was Menschen politisch entscheiden.

Wie unterschiedlich beispielsweise die Wahrnehmung im Tessin und in der Deutschschweiz ist, erfahren Sie in der Auswahl weiterer Artikel zum Thema:

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