Minderjährige vor Sextourismus schützen
Die Schweiz hat gemeinsam mit Österreich und Deutschland eine Kampagne zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch im Tourismus lanciert. Ein breites Publikum soll sensibilisiert werden, Verdachtsfälle zu melden.
«Wir können den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verhindern, wenn wir nicht wegschauen.» Dieser Satz wird mehrere Male eindringlich wiederholt. Im Bild erscheint ein Mädchen in Begleitung eines Erwachsenen – ihre Beziehung ist unmissverständlich.
Dies ist eine Szene aus dem neuen Spot der Kampagne zum Schutz von Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch im Tourismus. Lanciert wurde er vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und ECPAT Switzerland, der Fachstelle gegen die kommerzielle und sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen der Stiftung Kinderschutz Schweiz. Mitgewirkt haben auch Deutschland und Österreich.
«Gemäss Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind rund zwei Millionen Kinder von Prostitution oder Pornographie betroffen, es gibt jedoch eine hohe Dunkelziffer», erklärte Jacqueline Fehr, Präsidentin der Stiftung Kinderschutz Schweiz, anlässlich einer Pressekonferenz.
Um der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Tourismus entgegenzutreten, haben die drei Länder beschlossen, eine Allianz zwischen Regierungen, Behörden, Kinderschutzorganisationen und Reiseorganisationen zu bilden.
Sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen ist ein Verbrechen. Dafür sollen alle Akteure des Tourismussektors sensibilisiert werden.
«Zur Zeit gehen uns viele Informationen über die Ausbeutung von Minderjährigen im Tourismus verloren. Viele Akteure leisten gute Arbeit, jedoch handelt jeder für sich. Es fehlt die Möglichkeit, die Anstrengungen zu koordinieren», so Ronja Tschümperlin, Fachstellenleiterin von ECPAT Switzerland.
Die Verantwortung der Schweiz
Nach Maschinen und elektronischen Geräten sowie chemischen Produkten ist der Tourismus der dritte Exportsektor der Schweiz.
Unser Land darf vor den Delikten, die in diesem Industriezweig geschehen, die Augen nicht verschliessen. Ebenso wenig sind jene Einwohner zu schonen, die ins Ausland reisen und Kinder missbrauchen und oft unbestraft bleiben.
Es fehlen die Mittel, die Schuld dieser Touristen zu beweisen, die vom Elend profitieren. Denn die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen ist besonders häufig in Entwicklungsländern anzutreffen, wo oft die wirtschaftlichen Mittel fehlen.
«Eine Studie der Unicef (UNO-Kinderhilfswerk) erwähnt zum Beispiel, dass 2007 allein an den kenianischen Küstengebieten 3000 Minderjährige täglich ausgebeutet wurden. 70 % der Täter waren keine Kenianer. 18 % kamen aus Italien, 14% aus Deutschland und 12% aus der Schweiz», hebt Jacqueline Fehr hervor.
Hinweise auf Verdachtsfälle per Internet melden
Das Bundesamt für Polizei und ECPAT haben 2008 ein Online-Formular entwickelt, mit dem Reisende Hinweise auf Verdachtsfälle von Missbrauch von Minderjährigen im Tourismus melden können.
Die Kampagne will dieses Instrument nun in den drei Ländern besser bekannt machen, denn bis heute wurden so nur gerade 12 Fälle gemeldet.
«Die Problematik besteht darin, dass das Formular zu wenig bekannt ist, sowohl hier in der Schweiz wie auch im Ausland. Jeder Tourist muss es ausfüllen können, wenn er etwas Verdächtiges feststellt.
Deshalb muss die Reisebranche so breit wie möglich ihre Kunden informieren, mit Werbung in ihren Magazinen und auf den Info-Flyers. Kindersextourismus geht alle Reiseveranstalter etwas an.
Die Täter haben nicht alle das Profil eines klassischen Sextouristen, sie können sich auch unter unseren Kunden befinden», bemerkt Matthias Leisinger, Verantwortlicher für Nachhaltigkeit bei Kuoni und Präsident von TheCode.org, einer Organisation, deren Ziel es ist, einen weltweiten Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus umzusetzen.
Der Kodex wurde bereits von mehreren Schweizer Tourismus-Akteuren unterzeichnet.
Eine deutschsprachige Kampagne
Die von der Schweiz lancierte Kampagne ist sehr lobenswert, doch hat sie einen kleinen Makel: Der Videospot wurde nur auf Deutsch realisiert.
«Wir haben diese Kampagne in Zusammenarbeit mit Deutschland und Österreich lanciert, deshalb haben wir uns vorläufig auf die deutsche Sprache beschränkt.
Zudem ist es auch eine Kostenfrage, wir hoffen jedoch, dass wir den Spot zu einem späteren Zeitpunkt auf Französisch übersetzen werden und so den Röstigraben überwinden können», so Ronja Tschümperlin.
Die Wahl der deutschen Sprache erlaubt jedoch keineswegs Rückschlüsse auf unterschiedliche Häufigkeit von Kindersextourismus in den Sprachregionen.
Potentielle Täter verstecken sich überall in der Schweiz. Der Spot wird übrigens in der Romandie zum ersten Mal vor Publikum gezeigt werden, anlässlich der Tourismusmesse in Montreux im Kanton Waadt.
Eingeführt von der internationalen Nichtregierungsorganisation «Tourism Child-Protection Code» mit Sitz in Stockholm. Der Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder (früher genannt Code of Conduct) zählte im August 2010 971 Unterzeichner aus 40 verschiedenen Ländern.
Die Unterzeichnung des Verhaltenskodex richtet sich an Reiseunternehmen, Tourismusorganisationen, Flug- und Schiffsgesellschaften, Bars und Nachtclubs, lokale Anbieter, Agenturen, Restaurants und Hotels.
Die Fachstellen von ECPAT (End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes) in den verschiedenen Ländern überwachen die Umsetzung des Verhaltenskodex und die Durchführung durch ihre Mitglieder.
Die Massnahmen beinhalten die Ausbildung des Personals in den Herkunftsländern und den Tourismuszentren, die Information der Kunden, die offizielle Einführung einer Unternehmensphilosophie, die sich von Kindersextourismus distanziert, und die Ausgabe von Jahresberichten.
In der Schweiz wurde der Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder von folgenden Unternehmen unterzeichnet:
Hotelplan 2003
Kuoni 2006
Accor Hotels Switzerland 2007
Globetrotter Travel Services 2007
Der Schweizerische Reisebüro-Verband 2008
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)
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