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Mindestens zwölf Tote bei Angriff auf Satire-Zeitung in Paris

Charlie Hebdo vom 7. Januar mit einer Karikatur zum neuen Roman von Michel Houellebecq. AFP

Bei einem blutigen Anschlag auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" in Paris sind am Mittwoch mindestens zwölf Menschen getötet und mehrere schwer verletzt worden. Unter den Opfern befinden sich mindestens vier Karikaturisten. Die Täter sind auf der Flucht.

Frankreichs Präsident François Hollande sprach von einem «Terroranschlag». Die Regierung rief für den Grossraum Paris die höchste Terrorwarnstufe aus. Hollande sprach am Anschlagsort im elften Arrondissement im Stadtzentrum von Paris von einer «aussergewöhnlich barbarischen Tat». Nach seinen Angaben wurden in den vergangenen Wochen mehrere versuchte Anschläge in Frankreich verhindert.

Mindestens zwei vermummte Männer hatten mit einer Kalaschnikow und einem Raketenwerfer kurz vor Mittag den Sitz der Satire-Zeitung angegriffen, die für ihre provokanten Mohammed-Karikaturen bekannt ist.

Nach dem Anschlag gab es laut Ermittlern einen Schusswechsel mit den Sicherheitskräften. Bei ihrer Flucht hätten die Angreifer einen Polizisten angeschossen und später einen Fussgänger überfahren. Die Täter riefen nach Angaben von Zeugen: «Wir haben den Propheten gerächt.»

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Für den Schweizer Terrorismus-Experten Jacques Baud ist das Massaker Ausdruck der Logik des «Dschihads, der jeden Angriff sofort mit einem Gegenangriff» kontert.

«Auch wenn es bald zehn Jahre her ist, dass Charlie Hebdo die Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hat, haben die Terroristen nun die blutige Antwort auf das geliefert, was sie als Attacke auf den Propheten verstanden hatten», sagt Baud gegenüber swissinfo.ch.

Baud hoff, dass Frankreich nicht in die Falle der Terroristen fällt. «Man soll jetzt nicht im Namen der Pressefreiheit diese Karikaturen noch einmal publizieren. Das wäre ein neuerlicher Sieg sowohl für den Dschihad wie auch für die Anti-Islam Bewegungen in Europa und in Deutschland.»

Dieser Angriff sei «eine Folge der einseitigen schwarz-weiss Logik, die seit dem 11. September 2001 herrscht.

Laut Baud haben die westlichen Regierungen «noch keine Strategie gegen den Terrorismus entwickelt, die nicht auf militärische und polizeiliche Mittel setzt». Und das verstärke den Dschihad in seiner Meinung darüber, was er als eine Aggression ansieht.

Frédéric Burnand, swissinfo.ch

Der Anti-Terror-Plan Vigipirate wurde für den Grossraum Paris auf die höchste Stufe «Anschlagsalarm» angehoben, wie es am Sitz von Premierminister Manuel Valls hiess. Für Mediengebäude, grosse Kaufhäuser, Kirchen und den öffentlichen Nahverkehr wurde der Schutz verstärkt.

Seine neueste Ausgabe vom Mittwoch widmete die Wochenzeitung dem neuen Roman des französischen Skandal-Autors Michel Houellebecq. Dieser beschreibt in «Soumission» (Unterwerfung) den Sieg der Präsidentschaftswahl 2022 durch einen muslimischen Kandidaten, der in der Folge Frankreich regiert. Houellebecqs Roman erschien in Frankreich ebenfalls am Mittwoch.

«Charlie Hebdo» war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen in die Kritik geraten. Bereits im November 2011 waren nach der Veröffentlichung einer «Scharia»-Sonderausgabe mit einem «Chefredaktor Mohammed» die Redaktionsräume in Flammen aufgegangen. Die Website  war zudem mehrfach von Hackern angegriffen worden.

Entsetzen bei Schweizer Kollegen

Gross ist die Bestürzung auch in der Schweiz. Thierry Barrigue, Karrikaturist und Gründer des Satire-Magazins «Vigousse» versteckte  seine Emotionen nicht, seine Stimme zitterte. «Ich bin sehr, sehr, sehr beängstigt», sagte Barrigue gegenüber der Westschweizer Tageszeitung Le Temps. «Ich habe keine Nachrichten von meinen Freunden wie Cabu oder Charb. Ich habe sie für September nach Morges zu einer Diskussion über Meinungsäusserungsfreiheit eingeladen. Charb ging nur in Begleitung eines Polizisten auf die Strasse, der sich Fabrice nannte, glaube ich.»

Er hoffe, dass es auch ihm gut gehe, sagte Barrigue wenige Minuten bevor die französische Polizei mitteilte, dass sich zwei Polizisten sowie die Karikaturisten Cabu, Charb, Tignous und Wolinski unter den Toten befänden.

«Charb hat mir gesagt, dass er niemals klein beigeben werde. Es sind nicht nur Karikaturisten und Journalisten, die sich um die Meinungsäusserungsfreiheit Sorgen machen müssen. Es gehe alle etwas an, sagte Barrigue. Die Gesellschaft müsse zusammenstehen und sich dafür mobilisieren.

«Ich bin traurig», sagte der Westschweizer Karikaturist Raymond Burki und sprach von einem «unvorstellbaren, grauenvollen Drama».

Externer Inhalt

Im Namen der Schweizer Bevölkerung drückt der Bundesrat den Angehörigen der Opfer des Anschlags sein tiefes Beileid aus. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga verurteilt im Namen des Bundesrates das Attentat als Anschlag auf Menschenrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit. Der Anschlag zeige, dass diese «grundlegenden Rechte und Freiheiten auch in westlichen Demokratien nicht selbstverständlich seien und mit allen Mitteln verteidigt werden müssten».

«Wie ein Fanal»

Eine solche Tat habe grosse Wirkung und Konsequenzen, es sei «wie ein Fanal», sagte der Präsident des schweizerischen Verlegerverbandes Hanspeter Lebrument. Nach diesem Angriff könne man sich nicht einfach zurücklehnen.

Der Verlegerpräsident sieht neue Herausforderungen auf die Medien zukommen. Man müsse sich überlegen, ob die Sicherheit der Redaktionen gewährleistet sei. Zudem werde es zunehmend schwierig für Medienschaffende, das Verhältnis zwischen einheimischer Bevölkerung und Zugewanderten mit muslimischem Hintergrund zu beschreiben.

Der Journalistenverband Impressum zeigte sich in einer Mitteilung «zutiefst erschüttert». «Wir verurteilen den Angriff auf die Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit aufs Schärfste», schreibt der Verband «und rufen die Behörden auf, die Verantwortlichen des Massakers und ihre Hintermänner ohne Rücksicht auf andere Interessen zur Verantwortung zu ziehen.» 

Schockiert reagierte auch der Islamische Zentralrat. Er verstehe zwar den Missmut gegen die «gezielten Provokationen des Magazins. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Anwendung von Gewalt», heisst es in einer Mitteilung.

«Solidarität gegen Gesinnungsterrorismus»

Der Anschlag löste sofort auch in anderen Ländern Bestürzung und Betroffenheit aus. Der britische Premierminister David Cameron äusserte sich über den Anschlag entsetzt. Es handele sich um eine abscheuliche Tat. Sein Land stehe beim Kampf gegen den Terrorismus an der Seite Frankreichs.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilt den Anschlag in einem Kondollenztelegramm an den französischen Staatspräsidenten François Hollande. «Mit Erschütterung habe ich die Nachricht von dem niederträchtigen Anschlag auf die Zeitungsredaktion in Paris erhalten.» Sie wolle in diesen Stunden des Schmerzes die Anteilnahme der Menschen in Deutschland «und mein ganz persönliches Mitgefühl ausdrücken sowie den Hinterbliebenen der Opfer mein aufrichtiges Beileid übermitteln», betonte Merkel. 

Der Chef der deutschen SPD und Vizekanzler Sigmar Gabriel hat den Terroranschlag in Paris als Attacke «gegen die Meinungsfreiheit in unserer offenen Gesellschaft» verurteilt. «Der Mord an 12 Menschen in den Redaktionsräumen einer Satirezeitung ist ein unglaublich brutales Verbrechen», teilte er am Mittwoch in Berlin mit. «Die Angehörigen der Opfer, aber auch alle Journalisten, Schriftsteller und Künstler, die sich für das freie Wort einsetzen, brauchen unsere volle Solidarität», betonte Gabriel.

Er unterstütze den französischen Präsidenten François Hollande und die Regierung Frankreichs beim Kampf gegen diesen fanatischen Gesinnungsterrorismus.   «Wir werden auch in Deutschland mit aller politischen Kraft und allen Mitteln des Rechtsstaates die Freiheit verteidigen», so Gabriel. «Jeder hat das Recht zu kritisieren – auch und gerade mit den Mitteln der Satire. Einschüchterung und Angst lassen wir nicht zu.»

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat den Anschlag als «brutale und unmenschliche Attacke» verurteilt. «Dies ist eine unerträgliche Tat, eine Barbarei», teilte Juncker in Brüssel mit.

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete den Anschlag als «eine barbarische Tat und einen abscheulichen Angriff auf die Pressefreiheit. (…) Terrorismus in all seinen Arten und Erscheinungsformen kann niemals toleriert oder gerechtfertigt werden», sagte Stolltenberg.

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