Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

«Man sagt auch ‹verpartnert'»

Zwei Männer lachen in eine Kamera, in ihren Händen tragen sie einen Blumenstrauss.
Nun also doch: Andreas (links) und Christoph entschieden sich nach langem Zögern doch für die eingetragene Partnerschaft. Ursula Häne

Gesetz und Lebensrealität in Schweizer Schlaf- und Wohnzimmern klaffen auseinander, eine Anpassung des Familienrechts drängt sich auf. Dazu gehört auch das Anliegen einer "Ehe für alle", das seit Jahren in der Luft hängt. Heiratswillige gleichgeschlechtliche Paare brauchen aber noch bis mindestens 2020 Geduld. Zwei Männer erzählen, weshalb sie diese nicht mehr haben.

Andreas wollte der Beziehung ein symbolisches Gewicht geben: «Ich wollte heiraten aus Liebe, es war ein romantischer Akt. Es macht Spass, einen Ehering zu tragen.» Heiraten? «Ja, wir sind verheiratet», sagt er und lacht. Neben ihm an einem Gartentisch eines Restaurants in Zürich sitzt sein Mann, Christoph. Der schmunzelt und präzisiert: «Man sagt auch ‹verpartnert'».

Ehe und eingetragene Partnerschaft – die Unterschiede

Homosexuelle Paare haben seit 2007 die Möglichkeit, ihre Partnerschaft beim Zivilstandsamt einzutragen. Eingetragene Paare haben in vielen Belangen die gleichen Recht und Pflichten wie Ehegatten und Ehegattinnen.

Allerdings gilt für eingetragene Partnerschaften grundsätzlich die Gütertrennung, für Ehepaare die Errungenschaftsbeteiligung (ein Ehegatte ist also bei Auflösung der Ehe am wirtschaftlichen Erfolg des anderen beteiligt).

Eingetragene Paare dürfen keine Kinder adoptieren und keine künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen. Ab 2018 steht eingetragenen Paaren die Stiefkindadoption offen.

Die eingetragene Partnerschaft hat im Gegensatz zur Ehe keine Auswirkungen auf das Bürgerrecht.

Seit zehn Jahren können gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz ihre Partnerschaft beim Zivilstandsamt eintragen lassen. Damit gehen sie eine Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten ein, ähnlich der Ehe. Christoph sagt, ihm sei es eher um diese rechtliche Absicherung gegangen als um Romantik – beispielsweise darum, «zu wissen, dass wenn dem anderen etwas passiert, das Besuchsrecht keine Probleme schaffen wird».

Kennen tut sich das Paar seit 14 Jahren. Über eine Internet-Plattform kontaktierte Christoph seinen künftigen Mann. Dieser hatte sein Profil mit der Frage «Darf ich Ihnen mein Herz zu Füssen legen?» betitelt, einem Zitat des deutschen Dramatikers Heiner Müller. Christoph, selber Schauspieler und Theaterschaffender, fühlte sich angesprochen.

«Nicht heiraten, weiterlieben!»

Lange wollten die beiden nichts wissen von einer eingetragenen Partnerschaft. Die Abneigung war politisch begründet. Es handle sich hier um eine Lösung, die gleichgeschlechtliche Paare rechtlich und gesellschaftspolitisch schlechter stelle als heterosexuelle Paare, so Andreas. Das sei ungerecht. «Wir arbeiten, zahlen Steuern und führen ein ganz normales Leben, wie alle anderen auch.»

«Wir fanden, dass wir diesen Mist nicht unterstützen sollten», sagt Andreas. Stattdessen feierten sie ihre Liebe vor sechs Jahren mit einem grossen Fest unter dem Motto «Nicht heiraten, weiterlieben!». Fünf Jahre später sollte das Fest wiederholt, ihre Liebe erneut gefeiert werden. Doch es kam anders.

Der Entscheid fiel spontan bei einem Essen mit Freunden. Vier Monate später, im vergangenen November, standen die beiden zusammen mit einer riesigen Festgemeinde vor dem Standesamt. Mit reinkommen, um die eingetragene Partnerschaft zu besiegeln, durften nur zehn Personen. Andreas schwärmt vom anschliessenden «rauschenden Fest» in einem Restaurant auf dem Land. Auf der Hochzeitstorte standen zwei Männer.

Zwei Männer, verkleidet als Brautpaar stehen vor grünem Hintergrund.
«Weiterlieben, nicht heiraten!»: Christoph und Andreas bei ihrer ersten «Hochzeit». Andreas Lehner
​​​​​​​

Obwohl Andreas und Christoph nun eine Familienkrankenkasse haben, sie das Steueramt als Paar anschreibt und die Gesellschaft sie eher wie «ein ganz normales, verheiratetes Paar» wahrnimmt, bleibt da ein gemischtes Gefühl, eine Art «Zweitklasse-Ehe» eingegangen zu sein.

Weniger Suizide dank «Ehe für alle»?

In der Schweiz dauert dieses Anliegen der «Ehe für alle» seit Jahren an. Andreas gehörte vor 18 Jahren zu den Mitorganisatoren der zweiten grossen Lesben- und Schwulen-Demonstration für gleiche Rechte. Zwischen 5000 und 6000 Personen demonstrierten damals unter dem Motto «Ja wir wollen!» vor dem Parlamentsgebäude in Bern.

Mehr
Auf einer rosa Rose liegen zwei goldene Ringe.

Mehr

«Diese Regime geben den Paaren Steine statt Brot»

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Alternativen zur Ehe seien juristisch kaum sinnvoll, sagt Rechtsprofessor Dutta. Vielmehr sollte die Schweiz diese für möglichst viele Paare öffnen.

Mehr «Diese Regime geben den Paaren Steine statt Brot»

Auch aufgrund seines Berufs sei er politisch aktiv, erzählt der stellvertretende Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz. Ihm liegt das gesundheitliche Wohlergehen schwuler Männer am Herzen. Er will deren Lebensumstände verbessern. Dazu gehöre auch die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. In mehreren Ländern sei die Zahl der jungen, homosexuellen Männer, die sich das Leben nehmen, zurückgegangen, nachdem die «Ehe für alle» eingeführt worden war.

Andreas ist überzeugt: Je mehr solche Unterschiede wie Ehe und eingetragene Partnerschaft aufgehoben werden, umso weniger bietet man der Homophobie Angriffsfläche. «Wir sind Schweizer, unsere Kultur ist die des Konsenses. Trotz vielen Unterschieden brachte es unsere Gesellschaft weit. Warum? Weil wir es stets geschafft haben, diese Unterschiede gleich zu behandeln.»   

Stimmvolk laut Umfragen dafür

Solche Unterschiede aufheben will die 2013 von der Grünliberalen Partei eingereichte parlamentarische Initiative. Sie fordert, dass alle rechtlich geregelten Lebensgemeinschaften in der Schweiz für alle Paare geöffnet werden, ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Gleichgeschlechtliche Paare sollen also heiraten und heterosexuelle Paare eine eingetragene Partnerschaft eingehen können.

Zudem sieht die Initiative vor, den Begriff «Lebensgemeinschaft» in der Verfassung zu verankern. Sie verlangt explizit nicht, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Volladoption ermöglicht wird. Damit soll die Mehrheitsfähigkeit des Vorstosses erhöht werden.

Gemäss einer Umfrage der Schwulenorganisation Pink CrossExterner Link gaben im vergangenen Jahr 69% der Befragten an, dass sie die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare befürworteten oder eher befürworteten. Käme es zu einer Volksabstimmung, schliessen Beobachter aber ein Scheitern des Anliegens am Ständemehr (Kantonsmehr) nicht aus.

Das Parlament befasst sich im Sommer 2019 wieder mit dem Thema. Bis da soll ein Gesetzesentwurf vorliegen, der als Diskussionsbasis dienen wird. Betroffen sind rund 30 verschiedene Gesetze, die angepasst werden müssen.

Würde die «Ehe für alle» in der Schweiz eingeführt, möchte Christoph nicht noch einmal heiraten. «Ich schon! Gerade extra», sagt Andreas. Die beiden lachen.

Externer Inhalt
Externer Inhalt

SRF Tagesschau vom 30.06.2017

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft