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Neue Modelle für das Wohnen im Alter

Grosse Gärten, grosse Häuser, keine Infrastruktur: Wohnen im Einfamilienhaus kann im Alter zur Belastung werden. Keystone

Für ältere Menschen kann das Einfamilienhaus zur Belastung werden. Aber nicht nur Wohnungen für junge Familien, auch Alterswohnungen sind Mangelware. Eine Zürcher Stiftung hat zwei Projekte ausgezeichnet, die mehrere Lösungsansätze aufzeigen.

Uhwiesen-Laufen liegt im Zürcher Weinland und zählt 1500 Einwohnerinnen und Einwohner. 300 sind älter als 65. Sie wohnen «fast alle in einem Einfamilienhaus mitsamt grossem Umschwung am Sonnenhang», sagt Beat Schlatter, einer der Initianten des Alterswohnprojektes «bi de Lüüt».

Die Einfamilienhäuser liegen ausserhalb, weit weg von Arztpraxen oder Einkaufsmöglichkeiten. Seit Jahren besitzt die Gemeinde im Dorfkern eine 4000 Quadratmeter grosse Bauland-Parzelle. Der Bedarf nach Alterswohnungen ist unbestritten, zumal nun auch die geburtenstarken Jahrgänge ins Pensionsalter kommen.

Aufgrund dieser Ausgangslage gründeten 12 Bürgerinnen und Bürger vor einigen Jahren eine Arbeitsgruppe. Zusammen mit einem Architekten und basierend auf zahlreichen Gesprächen und Umfragen erarbeiteten sie ein auf das Wohnen im Alter und die freie Parzelle zugeschnittenes Bau-Projekt.

Vertrag mit der Gemeinde

Dieses umfasst alters- und behindertengerechte Mietwohnungen, medizinische Praxen, eine von Freiwilligen betriebene, der Öffentlichkeit zugängliche Cafeteria und ein Fitnesszentrum.

«Wir wollen kein Ghetto, sondern vielmehr Anreize schaffen zum Miteinander und Füreinander da zu sein. Das Wohnen im Dorfzentrum ist ein wichtiger Aspekt unserer Idee», sagt der Architekt des Projektes, Kurt Steiner.

Die Arbeitsgruppe «bi de Lüüt» handelte mit der Gemeinde einen Baurechtsvertrag aus. Dieser sah die Gründung einer Genossenschaft und jährliche Zinserträge von 48’000 Franken vor, was umgerechnet einem Landpreis von 500 Franken pro Quadratmeter entspricht. Mit den Armbrustschützen und dem Tennisclub hatte die Gemeinde bereits vor Jahren ähnliche Baurechtsverträge abgeschlossen.

Finanzbedarf hatte höhere Priorität

Dennoch hat sich die Gemeinde-Versammlung im Mai 2011 gegen das Projekt und für den Verkauf der Parzelle entschieden. Neben der Offerte für einen Baurechtsvertrag mit jährlichen Einnahmen lagen auch Kaufofferten über 650 Franken pro Quadratmeter auf dem Tisch.

«Abgesehen davon, dass sich auf diese Weise für alle Zeit klare Verhältnisse schaffen lassen, wollen wir das Land lieber verkaufen, weil die Gemeinde in nächster Zeit einen hohen Finanzbedarf hat», sagte Gemeindepräsident Stephan Dové im Vorfeld der Versammlung dem Lokalblatt Landbote.

Für Beat Schlatter und seine Mitstreiter war die Absage kein Grund zum Aufgeben. Sie meldeten ihr Projekt beim Wettbewerb der Heinrich-&-Erna-Walder-Stiftung an und sind nun dafür ausgezeichnet worden. «Wir wollen unser Projekt unbedingt realisieren, entweder bei uns im Dorf oder in einem Nachbardorf, sagte Beat Schlatter bei der Preisverleihung.

Den Zeitpunkt nicht verpassen

Ein weiteres ausgezeichnetes Projekt geht von einer vergleichbaren Ausgangslage aus und beim Finanzierungsmodell einen Schritt weiter. Mettmenstetten, ein Dorf knapp 30 Kilometer südlich der Metropole Zürich. «Für junge Familien ist es fast unmöglich, hier ein Einfamilienhaus zu erwerben», sagt Ruedi Werder, einer der Initianten des Projektes «Mättmi50+». Gleichzeitig seien 350 der 530 Einfamilienhäuser im Dorf von 50-Jährigen und älteren Personen bewohnt.

Die Idee hinter dem Projekt: Den Zeitpunkt für einen Umzug nicht verpassen und frühzeitig nach einer neuen Wohnform suchen. Das heisst, die Bewohner der Einfamilienhäuser sollen dazu animiert werden, diese zu verkaufen, wenn sie zu gross und deren Unterhalt zu beschwerlich geworden sind und den Erlös aus dem Verkauf in eine zentral gelegene, altersgerechte Wohnsiedlung zu stecken.

Grundsätzlich sollen die Bewohner der Siedlung ein Wohnrecht bis zum Lebensende oder bis zum Verkauf der Wohnung erhalten. Das eingesetzte Geld geht in eine gemeinnützige Genossenschaft.

Mit 60 noch zu jung

Die Bewohner der Siedlung sind gleichzeitig deren Genossenschafter und wohnen als Gegenleistung mietzinsfrei. Der Rückzahlungswert beim Austritt aus der Wohnung wird beim Einlegen des Geldes in die Genossenschaft vertraglich fixiert. Bei einem Austritt oder wenn sie in ein Heim zügeln müssen, erhalten die Genossenschafter das einbezahlte Geld zurück. Im Todesfall geht es an die Erben.

«Eines unserer Hauptprobleme ist die Überzeugungsarbeit», so Werder. «Die Leute sind begeistert von der Idee, aber wenn es konkret wird, sagen sie ‹was, jetzt sollen wir schon hier raus, wir sind ja erst 60›.»

Die Heinrich & Erna Walder-Stiftung ist eine private Stiftung mit Sitz in Zürich. Sie wurde 1984 gegründet. Der Stiftungsrat setzt sich aus neun Fachleuten aus der Altersarbeit zusammen.

Ziel der Stiftung ist es, Projekte zum Thema Wohnen im Alter zu fördern und zu unterstützen.

Dazu vergibt sie Preise an Investitionen und Projekte privater Trägerschaften. Berücksichtigt werden gemeinnützige oder private Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz im Kanton Zürich, welche keinen Gewinn ausschütten.

Die Stiftung will erreichen, dass für das Wohnen im Alter Aspekte wie Individualität, Kreativität, Komfort, Selbstbewusstsein eine wichtige Rolle spielen.

Die jährlich von einer Jury aus einem Wettbewerb ausgewählten Projekte erhalten je ein Zertifikat und einen Check über 30’000 Franken.

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