Andere Länder – andere Mediensysteme
Die Schweizer Medienlandschaft ist im Umbruch. swissinfo.ch hat sich in seinem internationalen Netzwerk umgehört, welche Systeme für öffentliche Medien sich andernorts etabliert haben und wie sie sich bewähren.
+ China: Abhängigkeit vom Staat – von Jufang Wang, London
+ Brasilien: Die Medienmacht der Oligarchen – von Ruedi Leuthold, Rio de Janeiro
+ Indien: Direkte Staatsfinanzierung und Zensur – von Shuma Raha, New Delhi
+ Russland: Auch private Medien unter staatlicher Kontrolle – von Fjodor Krascheninnikow, Jekaterinburg
+ Italien: Öffentlicher Rundfunk unter Druck – von Angela Katsikantamis, Rom
+ Japan: Öffentlich-Rechtliche dürfen nicht werben – von Fumi Kashimada, Luzern
+ Frankreich: Paris träumt von einer französischen BBC – von Mathieu van Berchem, Paris
+ Deutschland: Haushaltsabgabe für die öffentlich-rechtlichen Sender – von Petra Krimphove, Berlin
+ USA: Zuerst kamen die Privaten – von Lee Banville, Montana
+ Spanien: Finanzierung über private Sender – von José Wolff, Madrid
+ Tunesien: Anfällig auf Korruption und Misswirtschaft – von Rachid Khechana, Tunis
Am 4. März stimmt die Schweiz über die Zukunft des öffentlichen Radios und Fernsehens ab. Spricht sich die Bevölkerung gegen die Fortsetzung der Gebührenfinanzierung aus, wird sich die Schweizer Medienlandschaft radikal verändern.
Der Bund soll sich gänzlich aus der Medienpolitik heraushalten. Dies die Forderung der Urheber der Volksinitiative «No Billag». Im Initiativtext steht unmissverständlich: «Er subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen.» «Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben.» «Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen.»
Keine Alternative
Dazu gebe es keine Alternative, lautet die offizielle Haltung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR, zu der auch SWI swissinfo.ch gehört. Dies für den Fall, dass die «No-Billag»-Initiative vom Volk angenommen wird. Was gemäss einer ersten Umfrage, welche die SRG in Auftrag gab, aber nicht der Fall sein dürfte.
Die SRG SSR wird zu rund drei Vierteln über Gebühren finanziert – «es bliebe nur die Liquidation», so die Haltung der Unternehmensspitze.
Europaweit wäre die Schweiz das erste Land, das den medialen Service Public abschafft. Dennoch stellt sich die Frage: Würde man heute die gebührenfinanzierten Medien – gäbe es sie nicht – noch erfinden?
Die Antwort hängt von der politischen Kultur ab. In Russland zum Beispiel wäre so gut wie niemand bereit, Mediengebühren zu zahlen, wie unser Korrespondent schreibt. Der Staat kontrolliert bis ins Detail, worüber die Medien berichten dürfen. Es gibt zwar private russische Medien, aber auch die unterliegen de facto der staatlichen Billigung.
Zudem ist auffällig, dass die regierungsnahe Online-Auslandplattform Russia Today hunderte von Millionen Euro in die Verstärkung ihrer Präsenz im Ausland investiert hat.
So auch in Deutschland und Frankreich. Allein für die Vertretung in Frankreich liess das Portal 25 Mio. Euro springen.
SWI hat Zensur erfahren
Was Zensur bedeutet, hat SWI swissinfo.ch in China – auch dort gibt es keine öffentlich-rechtlichen Medien – selbst erfahren. Mehrfach ist die chinesische swissinfo.ch-Seite von der staatlichen Zensur temporär gesperrt worden, nachdem unsere Redaktion über «heikle Themen» wie zum Beispiel die direkte Demokratie berichtet hatte.
Fehlt ein öffentlich-rechtliches System, ist aber nicht überall der Staat die kontrollierende Macht. In Brasilien zum Beispiel – wo das öffentliche TV Brasil ein Mauerblümchendasein fristet – beherrschen ein paar wenige Oligarchen die Medienlandschaft. Dabei leistet sich der marktbestimmende Globo-Konzern zwar die besten Journalisten im Land, aber niemand zwingt ihn, das auch längerfristig zu tun.
Eine lange Tradition eines rein kommerziellen Mediensystems hatte auch die USA. Ende der 1960er-Jahre entstand dann ein System der staatlichen Medienförderung. Dieses beruht nicht auf einer Gebühr, sondern auf einer direkten Bundesunterstützung für die Cooporation for Public Broadcasting (CBP). Diese wiederum finanziert einen Teil des Budgets lokaler Medien. In der Bevölkerung ist dieses System gut verankert und geniesst 70% Zustimmung.
Gebühren allein kein Garant für Unabhängigkeit
Auch ein System, das auf direkte staatliche Subventionen verzichtet und die öffentlichen Medien stattdessen über Gebühren finanziert, garantiert nicht per se, dass die Medien ihre politischen Funktionen wahrnehmen können. Es spielt eine wesentliche Rolle, wer die Gebühren eintreibt.
Ist es der Staat direkt, besteht die Gefahr der Vereinnahmung der Medien für politische Zwecke. In Tunesien zum Beispiel wird zur Finanzierung der öffentlichen Medien eine Gebühr erhoben, die mit der Stromrechnung erhoben wird. Die Gebühr fliesst in die Staatskasse. Der Rest wird aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert, was Raum für Korruption und Misswirtschaft eröffnet, wie unser Korrespondent in Tunis bestätigt.
In Europa selbst ist ein stärkerer Zugriff von Regierungen auf öffentlich-rechtliche Sender festzustellen. Dies vor allem im östlichen Teil. Aber auch in Deutschland und Österreich ist jüngst von rechts der Ruf nach verstärkter Kontrolle laut geworden.
Treue Gefolgsleute an die Spitze gesetzt
In Polen etwa hat die Partei PiS nach ihrer Übernahme der Regierung Ende 2015 den öffentlich-rechtlichen TV-Sender TVP auf ihren konservativen Kurs gebracht. Einerseits wurde die gesamte TVP-Spitze durch eigene Gefolgsleute ersetzt, andererseits verliessen rund 200 unabhängige Journalisten den Sender.
Dass Polen kein Einzelfall ist, zeigt die Rangliste der Pressefreiheit 2017, welche die Nichtregierungs-Organisation Reporter ohne GrenzenExterner Link herausgab. Sie weist aus, dass in 61 der aufgelisteten 180 Länder die Freiheit der Medien abgenommen hat. Dazu gehören auch Länder wie Frankreich, Spanien, Portugal oder Italien.
Wer muss bezahlen?
Ähnlich ist die Situation in Indien, wo die Regierung bei unternehmerischen Entscheiden stark mitbestimmen kann. Zum Beispiel, wenn es um die Schaffung von neuen Stellen geht.
Ein weiteres Problemfeld bei der Finanzierung über eine Gebühr ist die Frage, wer eigentlich gebührenpflichtig ist. In der Schweiz wurde die Basis 2015 ausgeweitet, in einer Volksabstimmung. Jetzt müssen alle Haushalte bezahlen, nicht nur jene, die ein Empfangsgerät haben. Dies erleichtert das Inkasso, weil keine Kontrolleure mehr nötig sind, die überprüfen, ob jemand einen Radioempfänger, einen TV oder einen Computer besitzt.
Zudem muss sichergestellt werden, dass die Gebührenpflichtigen auch bezahlen. In Japan zum Beispiel begleichen nur rund 70 bis 80% der Gebührenpflichtigen die Rechnung. Dies ist besonders schwerwiegend, weil öffentlich-rechtliche Sender in Japan keine Werbung ausstrahlen dürfen.
Diskussionen in der Nachbarschaft
Auch in den Schweizer Nachbarländern wird die Finanzierung der öffentlichen Medien rege diskutiert. In Italien zum Beispiel wurde 2016 das flächendeckende Inkasso der Gebühr über die Stromrechnung eingeführt. Derweil lanciert Sozialdemokrat Matteo Renzi, der ehemalige Ministerpräsident, die Debatte, ob die Rundfunkgebühr gleich ganz abgeschafft werden soll.
In Deutschland wird immer wieder kritisiert, dass auch politische Interessenvertreter in den Aufsichtsgremien der gebührenfinanzierten Sender sitzen. Und in Frankreich steht die Regierung zwar nicht selbst hinter den öffentlich-rechtlichen Medien, übt aber massiven Spardruck aus, was Qualitätsdebatten lanciert.
Die öffentlichen Medien stehen also nicht nur in der Schweiz auf der politischen Agenda. Klar ist, dass es in den kommenden Jahren zu weiteren grossen Umwälzungen im schweizerischen Mediensystem kommen wird, selbst wenn das Volk am 4. März die Initiative «No Billag» ablehnt, also am bestehenden Radio- und Fernsehartikel in der Bundesverfassung festhält.
So steht 2019 die Konzessionsverlängerung für die SRG SSR an, in deren Rahmen der Bund Anpassungen am Auftrag vornehmen könnte. Schon vorher gibt der Bund den Entwurf für ein neues Mediengesetz in die Konsultation. Dieses soll die Rolle der Onlinemedien regeln und später das aktuelle Radio- und Fernsehgesetz ablösen.
SWI swissinfo.ch ist eine Unternehmenseinheit der SRG/SSR.
China: Abhängigkeit vom Staat
Von Jufang Wang, London
Da chinesische Medien redaktionell vom Staat abhängig sind, gibt es in China keine öffentlichen Medien im eigentlichen Sinn. Bevor private chinesische News-Portale wie Sina, Sohu oder Netease Ende der 1990er-Jahre begannen, Nachrichten online zur Verfügung zu stellen, befanden sich alle Medienorganisationen oder -unternehmen in China entweder in Staatsbesitz oder wurden durch den Staat kontrolliert.
In China sind Medien «Ohren, Augen, Mund und Zunge» der kommunistischen Partei, der Regierung und des Volkes. An der Spitze der Pyramide steht der staatliche Sender CCTV. Dessen Management ist auch stark an internationalen Kooperationen mit Partnern aus anderen Ländern, auch solchen aus dem Westen, bemüht.
Die kommunistische Partei verlangt von Medien Folgsamkeit gegenüber ihr selbst, das Beibehalten der «korrekten öffentlichen Meinungsführung» und die Förderung der Kernziele des Sozialismus.
Was die Finanzierung betrifft, werden die Nachrichtenmedien seit der Reform in China in den späten 1970er-Jahren und der politischen Öffnung marktwirtschaftlicher geführt. Früher sah man sie vor allem als ideologisches Sprachrohr des Parteistaats, heute sind sie grösstenteils durch Werbung und andere kommerzielle Geschäfte finanzierte Medienunternehmen. Doch auch wenn diese marktgetriebene Medienreform das Finanzierungsmodell der Nachrichtenmedien verändert hat, bleiben die Besitzverhältnisse und die Staatskontrolle bis heute gleich.
Eine weitere interessante Entwicklung ist die Verbreitung von sogenannten «Self Media», die von Einzelpersonen auf beliebten Plattformen wie WeChat betrieben werden. Einige dieser «Self Media» veröffentlichen regelmässig Inhalte. Die beliebtesten haben Millionen von Follower und damit beste Voraussetzungen, um Werbung anzuziehen. Dadurch funktionieren sie ganz ähnlich wie unabhängige Medien, unterliegen allerdings der Zensur durch staatliche Stellen.
Den originalen, vollständigen Artikel in Chinesisch finden Sie hier:
Brasilien: Die Medienmacht der Oligarchen
Von Ruedi Leuthold, Rio de Janeiro
Mehr als 70% des landesweiten Fernsehkonsums wird in Brasilien von vier grossen Sendeketten produziert, davon wiederum mehr als die Hälfte vom führenden TV Globo. Bei den Printmedien vereinigen die vier grössten Mediengruppen über 50% der Leserschaft auf sich. Die staatliche Fernsehanstalt TV Brasil hat mit bildenden und kulturellen Beiträgen einen Zuschaueranteil von gerade mal 2%.
Der Globo-Konzern wird einerseits kritisiert, weil er viel Informationsmacht monopolisiere. Andrerseits leistet sich der Konzern die besten Journalisten, und das gilt auch für die Drehbuchschreiber und Dramaturgen der Telenovelas, die das grosse Publikum in Bann ziehen und im riesigen Land ein Gefühl der Zusammengehörigkeit schaffen. Immer wieder mischen die Autoren auf eingängige Weise Aufklärung und Gesellschaftskritik in ihre Geschichten.
Gemäss einer Untersuchung von «Reporter ohne Grenzen» kontrollieren in Brasilien fünf Familien die fünfzig Kommunikationsträger mit den grössten Reichweiten. Und sie leben gut davon. Die Angehörigen der Familie Marino, Besitzer von Globo, gehören zu den zehn reichsten Brasilianern. Edir Macedo, der evangelikalische Prediger des Konkurrenzunternehmens «Record», bringt es immerhin auf die Nummer 74 der Rangliste.
Man kann festhalten, dass die Besitzer der Medien gut leben von den Skandalen der Korruption und der sozialen Ungleichheit, die das Land erschüttern.
Den originalen, vollständigen Artikel in Portugiesisch finden Sie hier:
Indien: Direkte Staatsfinanzierung und Zensur
Von Shuma Raha, New Delhi
Prasar Bharati, Indiens öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, wurde 1997 durch ein Gesetz des Parlaments begründet. Sie betreibt die nationalen Fernseh- und Radiosender Doordarshan (DD) und All India Radio (AIR).
Prasar Bharati gehört mit 67 Fernsehstudios und 420 Radiosendern zu den grössten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Welt.
Prasar Bharati wird hauptsächlich direkt vom Staat finanziert und nicht über Gebühren. Daneben erwirtschaftet sie kommerzielle Einnahmen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um ihren Finanzbedarf zu decken. In den letzten Monaten wurde vorgeschlagen, Prasar Bharati zu privatisieren. Noch ist unklar, wie sich das auf das Finanzierungsmodell des Medienhauses auswirken wird.
Das Verhältnis von Prasar Bharati zur Regierung ist angespannt. Das Gesetz gewährt dem Sender zwar volle Autonomie, räumt der Regierung aber gleichzeitig Mitbestimmung ein, wenn es um die Finanzierung oder Verwaltungsentscheidungen geht. Zum Beispiel bezüglich neuer Projekte oder die Schaffung von Stellen. Prasar Bharati wird denn auch oft als «Sprachrohr» der Regierung verhöhnt.
Eine verzerrte Berichterstattung oder gar eine regelrechte Zensur sind keine Seltenheit. So übertrug DD im Vorfeld der Wahlen 2014 ein Interview mit dem damaligen Kandidaten – und heutigen Premierminister – Narendra Modi mit deutlichen Kürzungen.
In diesem Jahr wurde die Rede von Manik Sarkar, dem Premierminister des Bundesstaates Tripura, am Indian Independence Day eingeschwärzt, weil Teile der Rede kritisch gegenüber der Regierung Modi waren.
Den originalen, vollständigen Artikel in Englisch finden Sie hier:
Russland: Auch private Medien unter staatlicher Kontrolle
Von Fjodor Krascheninnikow, Jekaterinburg
In Russland gibt es überhaupt keine öffentlichen Medien, weder elektronische, noch digitale, noch im Printbereich, die wenigstens annähernd vergleichbar wären mit jenen in der Schweiz. Formell sind alle Medien in diesem Land entweder rein staatlich oder privat.
In der Praxis aber befinden sich auch die «privaten» Medien unter staatlicher Kontrolle, da jegliches Privateigentum in Russland überhaupt erst mit staatlicher Genehmigung bzw. Duldung existieren kann. Entsprechend ist «Das Öffentliche Fernsehen», ein Sender, vor einigen Jahren vom damaligen Präsidenten Russlands Dimitri Medwedew persönlich gegründet, ein rein staatlicher TV-Kanal, und damit inhaltlich, finanziell und politisch völlig von der Regierung abhängig.
Die Russinnen und Russen zahlen keine Mediengebühr. Dies bedeutet aber nicht, dass die TV- und Rundfunkkanäle für sie kostenlos wären, denn sie alle werden aus dem Staatsbudget finanziert. Das bedeutet, sie werden von allen Steuerzahlern bezahlt, wobei die Steuern direkt vom Lohn abgezogen werden. Kostentransparenz im Medienbereich besteht nicht.
Der Staat kontrolliert alle systemrelevanten Medien (TV, Radio, online, Print) bis ins Detail und gibt vor, was, wie, wann und in welcher Form berichtet werden darf. Und was nicht. Die Bevölkerung nimmt das hin und ist sogar damit einverstanden. Auf die Frage, ob sie bereit wären, eine Mediengebühr zu zahlen, dafür aber die demokratische Kontrolle zu übernehmen, würden heute fast 100% Russinnen und Russen mit «natürlich nicht» antworten.
Gegenüber westlichen Medien hat die Chefredaktorin von Russia Today eine solch strikte Kontrolle russischer Medien durch den Kreml an einem internationalen Kongress in den Niederlanden zurückgewiesen.
Den originalen, vollständigen Artikel in Russisch finden Sie hier:
Italien: Öffentlicher Rundfunk unter Druck
Von Angela Katsikantamis, Rom
In Italien ist eine Debatte über die Rundfunkgebühr entbrannt. Die bei der Bevölkerung unbeliebte Steuer finanziert 70% der Radio- und TV-Programme der staatlichen Gesellschaft RAI.
Der Vorschlag des Sozialdemokraten Matteo Renzi, die Rundfunkgebühr abzuschaffen, hat viel Staub aufgewirbelt. Er beendet auch die Illusion, der Wechsel des Abrechnungssystems im Juli 2016 habe die Debatte über die Abgabe beendet.
Seit Juli 2016 wird die Gebühr zusammen mit der Stromrechnung in Rechnung gestellt, unabhängig davon, ob jemand RAI-Programme konsumiert oder nicht. Oder anders gesagt: Wer einen Stromanschluss hat, bezahlt die Rundfunkgebühr automatisch. Gleichzeitig wurde die Gebühr von 100 auf 90 Euro (von 118 Fr. auf 105 Fr.) pro Jahr gesenkt. Mit dem Systemwechsel stiegen die Einnahmen um 0,8 Prozent auf rund 1,8 Mrd. Euro (2,1 Mrd. Fr.).
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich zu 70% aus diesen Gebühren, der Rest wird mit Einnahmen aus der Werbung finanziert.
Der Grundgedanke des öffentlich-rechtlichen Fernsehens besteht darin, ein Programm anzubieten, das möglichst frei von kommerzieller Logik ist. 26,6% des Sendeprogramms der drei Hauptsender von RAI sind für allgemeine Informationen und vertiefte Analysen vorgesehen, 12,4% für Programme und Rubriken zur Kulturförderung und etwa 10% bzw. 16% für aussereuropäische Filme und Spielfilme sowie allgemeine Unterhaltung.
Beim Radio besetzt RAI nur etwa einen Viertel des Marktes. Die privaten Sender haben hier also die Mehrheit.
Die Printmedien sind in Italien im Besitz grosser privater Verlagshäuser. Aber der Staat subventioniert bestimmte Zeitungen oder Online-Medien mit jährlich etwa 10 Mio. Euro (11,8 Mio. Fr.).
Seit der jüngsten Reform von 2017 können sich sieben Kategorien von Verlagen um die öffentliche Unterstützung bewerben. Dazu gehören gemeinnützige Organisationen und Verbraucherverbände, die Zeitschriften zu entsprechenden Themen herausgeben.
Den originalen, vollständigen Artikel in Italienisch finden Sie hier:
Japan: Öffentlich-Rechtliche dürfen nicht werben
Von Fumi Kashimada, Luzern
In Japan ist NHK die einzige öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunkgesellschaft. Sie betreibt mehrere landesweite Fernseh- und Radioprogramme sowie einen umfangreichen Auslandsdienst namens NHK World (Radio Japan/NHK World TV).
Ihre Programme haben einen Marktanteil von etwa 30%. Die restlichen 70% teilen sich 127 kommerzielle Rundfunkgesellschaften, von denen 118 zu einem von fünf grossen Netzwerken mit Zentralen in Tokio gehören.
NHK wird zu mehr als 95% über Gebühren finanziert.
Laut Gesetz darf NHK keine Werbung senden, da Werbeeinnahmen strikt verboten sind. Das Werbeverbot ist sehr streng und gilt auch für Songtexte. Deshalb musste zum Beispiel eine Sängerin in einer Musiksendung ihr Lied ändern (von «rotem Porsche» zu «rotem Auto»).
Alle Haushalte und Unternehmen, die zum Fernsehempfang geeignete Geräte besitzen, sind gesetzlich verpflichtet, Gebühren zu zahlen. Die monatliche Gebühr für Haushalte bei rein terrestrischem Empfang beträgt ¥1260 (11 Fr.), bei Satellitenempfang ¥2230 (19 Fr.). Auch Unternehmen müssen Fernsehempfangsgebühren bezahlen.
Aber nur etwa 70 bis 80% der Gebührenpflichtigen zahlen die Gebühr tatsächlich, da es bisher kaum Auswirkungen hatte, wenn man sich weigert zu bezahlen. Das könnte sich nach einem Gerichtsurteil des obersten japanischen Gerichts aber ändern.
Die fünf grossen kommerziellen Rundfunknetzwerke finanzieren sich hauptsächlich über Werbung. Es besteht eine enge Beziehung von vier der fünf Netzwerke mit den vier wichtigsten, landesweiten Zeitungen: Yomiuri-shimbun (rechtskonservative Zeitung mit der grössten Auflage weltweit) mit Nihon TV, Asahi-shimbun mit TV Asahi, Nihon Keizai shimbun mit TV Tokyo, Sankei shimbun mit Fuji TV.
Frankreich: Paris träumt von einer französischen BBC
Von Mathieu van Berchem, Paris
In Frankreich durchleben öffentlich-rechtliche Fernseh- und Rundfunkanstalten aktuell schwierige Zeiten. Die Bedrohung geht nicht, wie in der Schweiz, von einer Bürgerinitiative aus, sondern vom Präsidenten selbst: Emmanuel Macron bezeichnete den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäss der Wochenzeitung L’Express als «Schande der Republik».
Ein «vertrauliches» Regierungsprojekt sieht nun vor, France Télévisions und Radio France zu fusionieren, wobei ein Konzern mit 17’000 Beschäftigten und einem Budget von 3,8 Mrd. Euro (rund 4,5 Mrd. Fr.) entstehen würde. Als Vorbild gilt die britische BBC. Ziel einer solchen Reform wäre die Erzielung von Synergien, insbesondere im Informationsbereich.
Ein weiteres Projekt von Macron ist das Gebührensystem: Heute wird den Besitzern von TV-Gräten eine Gebühr von 138 Euro (162 Fr.) pro Jahr verrechnet. Das bringt dem Staat rund 4 Mrd. Euro (4,7 Mrd. Fr.) ein, von denen 66% an France Télévisions, 7% an Arte und 16% an Radio France gehen. Geplant ist eine Ausweitung auch auf Besitzer von Geräten mit Zugriff auf das Internet. Heute ist die Gebühr an die Haushaltssteuer gekoppelt. Just diese möchte Macron aber abschaffen, es wird sich also die Frage nach dem Inkasso stellen.
Der öffentlich-rechtliche Hauptsender France 2 ist seit langem zwischen zwei gegensätzlichen Zielen hin- und hergerissen: Einerseits steht er in Konkurrenz zum grossen Privatsender TF1, wobei im letzten Jahr beide Sender einen leichten Rückgang ihres Zuschaueranteils (20% für TF1 und 13% für France 2) zugunsten der Nachrichtensender hinnehmen mussten.
Andererseits sind die Qualitätsstandards gefährdet, besonders seit dem Sender verboten wurde, abends nach 20 Uhr Werbung zu schalten. Damit sind rund 500 Mio. Euro (rund 590 Mio. Fr.) aus dem Budget gefallen.
Lesen Sie den originalen, vollständigen Artikel in Französisch hier:
Deutschland: Haushaltsabgabe für die öffentlich-rechtlichen Sender
Von Petra Krimphove, Berlin
Es war ein Meilenstein, als 1984 mit Sat.1 der erste Privatsender Deutschlands auf Sendung ging. Fast gleichzeitig kam RTL plus hinzu. Seither konkurrieren im dualen Rundfunksystem Deutschlands die öffentlich-rechtlichen Sender wie ARD und ZDF mit kommerziellen Anbietern.
Die privaten Anbieter müssen sich als privatwirtschaftliche Unternehmen allein aus Werbeeinnahmen oder im Fall des Bezahlfernsehens aus Abo-Gebühren finanzieren. Das erhöht den Quotendruck: Je mehr Menschen einschalten, desto üppiger fliessen die Gelder. Und so wird gezeigt, was dem Zuschauer gefällt.
Die öffentlich-rechtlichen Sender haben hingegen einen Kultur- und Informationsauftrag zu erfüllen. Ihre Nachrichtensendungen und Talkshows werden von den Deutschen immer noch als seriöseste Informationsquelle im Mediendschungel geschätzt.
Als Anstalten des öffentlichen Rechts werden ARD und ZDF hauptsächlich aus Gebühren finanziert. Üppige 8 Mrd. Euro (9,4 Mrd. Fr.) im Jahr stehen den Öffentlich-Rechtlichen für ihre Programmgestaltung zur Verfügung. Jeder deutsche Haushalt muss dafür monatlich 17.50 Euro (21 Fr.) überweisen, egal ob er die Sendungen von ARD, ZDF & Co. konsumiert oder nicht.
Während einige Kritiker eine vermeintliche Linkslastigkeit der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten monieren und von «Rot-Grün-Funk» sprechen, bemängeln andere wiederum einen «deutlichen Stempel» der bürgerlich-konservativen Partei CSU. Tatsächlich sitzen in den Aufsichtsgremien öffentlich-rechtlicher Sender paritätisch verteilt neben Vertretern vieler gesellschaftlicher Gruppen wie Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden auch Abgesandte politischer Fraktionen, die durchaus ihre Stimme zu Gehör bringen.
Lesen Sie den originalen, vollständigen Artikel in Deutsch hier:
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ARD und ZDF haben es bei der Jugend schwer
USA: Zuerst kamen die Privaten
Von Lee Banville, Montana
Öffentliche Medien waren in den USA nie eine Selbstverständlichkeit. Im Gegensatz zu vielen Ländern, in denen sich beim Aufkommen des Radios und Fernsehens eine Form öffentlich unterstützter Medien entwickelte hatte, dominierten in den USA lange kommerzielle Rundfunkanstalten. Relativ spät hatte die Regierung nationale öffentliche Rundfunk- und Fernsehsysteme aufgebaut.
Erst mit dem Rundfunkgesetz von 1967 wurde die Grundlage für die Bundesfinanzierung öffentlicher Medien geschaffen und die Corporation for Public Broadcasting (CPB) gegründet.
Öffentlich-rechtliche Medien sind in den USA keine staatlichen Stellen, sondern lokale öffentliche Einrichtungen, die sich durch eine Mischung aus Bundesmitteln, individuellen Förderern, Unternehmen und Stiftungen finanzieren.
Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durch eine Steuer auf die Empfänger oder eine Gebühr für die Nutzer finanziert wurde, wird CPB Geld durch Bundesmittel zugewiesen. Das heisst, der Bundeskongress muss den Segen geben zum Gesamtbudget der Bundesregierung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Die beiden wichtigsten nationalen Netzwerke, Public Broadcasting Service (PBS) auf der Fernsehseite und National Public Radio (NPR) auf der Radioseite, sind Mitgliederorganisationen, die ihren lokalen Eigentümern – den eigentlichen terrestrischen Rundfunkstationen – Inhalte zur Verfügung stellen.
Einige Kritiker haben die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage gestellt, da die Zahl der Kabelanschlüsse zunahm. Meinungsumfragen haben jedoch ergeben, dass 70% der Bevölkerung die staatliche Unterstützung für PBS und NPR befürwortet.
Den originalen, vollständigen Artikel in Englisch finden Sie hier:
Spanien: Finanzierung über private Sender
Von José Wolff, Madrid
In Spanien geht das Konzept der öffentlich-rechtlichen Medien auf die Gründung von Radio Nacional de España im Jahr 1937 und dann Televisión Española (1956) zurück. Seit 1978 ist der Zugang zu Informationen ein in der Verfassung verankertes Grundrecht: der Staat muss einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehdienst anbieten.
Gegenwärtig sind beide Kanäle Teil der Corporación Radiotelevisión Española (RTVE) eine Aktiengesellschaft, die zu 100% dem Staat gehört. Das Gesetz garantiert allerdings deren Unabhängigkeit von Regierung, Parteien und Firmen. Die RTVE ist nur dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig. Der neunköpfige Verwaltungsrat wird von den beiden Parlamentskammern gemeinsam gewählt.
Die Finanzierung von RTVE erfolgt zur Hälfte direkt über den allgemeinen Staatshaushalt. Die andere Hälfte wird durch die Erhebung von Steuern an Telefongesellschaften (0,9% der Einnahmen), private Fernsehsender (3% der Einnahmen) und Pay-TV-Anbieter (1,5% der Einnahmen) generiert.
Die nationalen Privatsender und Rundfunkanstalten sind Teil grosser, zum Teil internationaler Unternehmensgruppen (wie Mediaset, Prisa oder El Mundo), spanischer Verlagsgruppen (wie Vocento oder Godó) oder der katholischen Kirche. Sie sind überwiegend durch Werbung finanziert.
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Tunesien: Anfällig auf Korruption und Misswirtschaft
Von Rachid Khechana, Tunis
In Tunesien gehören die Tageszeitung «La Presse de Tunisie» und ihr arabischsprachiges Pendant «Assahafa» zu den ältesten öffentlichen Medien. In den letzten Jahren ist die Auflage der beiden Titel eingebrochen. Unabhängig sind sie nicht, von den Gegnern wurden sie in Anspielung auf die Zensur in der Sowjetunion «La Pravda de Tunisie» getauft.
Neben den Zeitungen hält der Staat in Tunesien über 98% des Aktienkapitals der offiziellen Presseagentur Tunis Afrique Presse. Gegenwärtig beschäftigt die Agentur 304 Mitarbeiter, von denen 168 Journalisten sind.
Der Unterhalt der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist kostspielig für den Staat. Er ist verpflichtet, 14 Mio. Dinar (5,6 Mio. Fr.) für die Bezahlung der Gehälter bereitzustellen, die 76% der Kosten ausmachen. Abgaben auf die Stromrechnungen als Beiträge zu Radio und Fernsehen tragen rund 13 Mio. Dinar (5,2 Mio. Fr.) zur Finanzierung bei, dazu kommen Werbeeinnahmen, die auf 2 Mio. Dinar (0,8 Mio. Fr.) geschätzt werden.
Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist die Situation noch schwieriger, denn das Jahresbudget des Unternehmens beläuft sich auf 56 Mio. Dinar (22,4 Mio. Fr.), von denen 14 Mio. Dinar (5,6 Mio. Fr.) aus der Werbung und 5 Mio. Dinar (2 Mio. Fr.) aus dem Programmverkauf stammen. Der Rest muss vom Staat bereitgestellt werden.
Auch hier werden zur Refinanzierung Gebühren mit den Stromrechnungen erhoben. Aber das genügt nicht. Die eingenommenen Gebühren werden nicht direkt an Radio und Fernsehen, sondern an die Staatskasse überwiesen, was Raum für Korruption und Misswirtschaft öffnet. Transparenz fehlt völlig, denn die Beiträge der Bürger zu öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten werden nicht veröffentlicht. Das war schon vor der Tunesischen Revolution 2010/2011 so, und so ist auch heute noch.
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