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Ozon, der ungeliebte Sommergast

Diese Kinder lassen sich ihren Sommerspass nicht durch hohe Ozonwerte nehmen. Keystone

Je heisser der Sommer, desto mehr Ozon in der Luft. Anders aber als in den 1980er-Jahren steht die Belastung mit dem Reizgas heute nicht mehr hoch oben auf der politischen Agenda. Organisationen wie die Lungenliga Schweiz wollen dies wieder ändern.

Endlich ist sie da, die heisse Sommersonne. Und das nicht zu knapp. Doch sie hat auch ihre Schattenseiten. Neben der Trockenheit, die vor allem Landwirten schwer zu schaffen macht, gehört insbesondere die hohe Ozonbelastung dazu.

Seit Anfang Juli sind die Werte manchenorts auf über 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft geklettert. Der Grenzwert liegt bei 120 Mikrogramm.

Kein Thema mehr?

Dies kann vor allem für Menschen, die unter Lungenproblemen oder Atemwegerkrankungen leiden, unangenehm oder gar gefährlich werden. Schädlich ist das Reizgas gerade auch für Kinder unter fünf Jahren. Dies deshalb, weil die Lunge in diesem Alter noch nicht voll entwickelt ist.

Doch im Gegensatz zu den 1980er-Jahren, als der Kampf wider die Ozonbelastung Schlagzeilen machte, fallen die Berichte und Alarme über den ungeliebten «Sommergast» heute sozusagen in die Spalte der Faits divers. Die Forderung nach einer Tempobeschränkung auf Autobahnen von 120 auf 80km/h ist kaum Thema, weder bei Politikern noch am Stammtisch.

«Viele Menschen betrachten Ozon als Nebenerscheinung der heissen Tage, ihnen fehlt oft das Bewusstsein, dass es sich dabei um einen gesundheitsschädigenden Luftschadstoff handelt», sagt Cornelis Kooijman von der Lungenliga Schweiz.

Ziel der Lungenliga und weiterer Organisationen ist es deshalb, die Öffentlichkeit mit Informationen und politischen Forderungen für die gesundheitlichen Probleme zu sensibilisieren, die Ozon hervorrufen kann. Diese bestehen generell in einer verminderten Leistungsfähigkeit der Lunge.

Entzündungsfördernd

Die Symptome können von tränenden Augen über eine laufende Nase bis zu Asthmaanfällen reichen. Laut Kooijman kann das Reizgas Ozon nicht nur Entzündungsreaktionen in Lunge und Atemwegen hervorrufen, sondern auch die Empfindlichkeit der Betroffenen auf andere Luftschadstoffe («Sommersmog») und Pollen verstärken.

Bei Auftreten von Lungen- oder Atembeschwerden empfiehlt Cornelis Kooijman, das Problem ernst zu nehmen und einen Arzt aufzusuchen, um abzuklären, woher die Symptome rühren.

Morgenstund hat Gold im Mund

Noch besser aber ist es, die Empfehlungen zu beachten, um ozonbedingte Probleme wenn immer möglich zu vermeiden. «Körperliche Anstrengungen wenn immer möglich in die Morgenstunden verlegen, weil dann die Ozonwerte noch tief sind», beschreibt Kooijman die Hauptregel. Im Falle einer tropischen Nacht kann diese Periode von Mittag bis in den späten Abend dauern. Dies betrifft gerade auch die Hobbysportler.

Der Umweltwissenschafter appelliert zudem an das Verantwortungsbewusstsein der Eltern. «Da Hitze mit der Ozonbelastung einhergeht, sollten Kinder in dieser Zeit keinen grossen körperlichen Belastungen ausgesetzt sein.» Den Sommerspass will Kooijman den Kleinsten aber keineswegs vergällen. Aber auch für sie beziehungsweise die Eltern gilt: Ab in die Badi nur am Vormittag.

Auch der Ratschlag des Lungenspezialisten Otto Brändli ist eindeutig. «Bei Werten ab 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft kann Ozon bei empfindlichen Personen zu nachweisbaren gesundheitlichen Schäden führen», sagt der Pneumologe und Präsident der Lungenliga Zürich. Er empfiehlt, bei hoher Ozonbelastung mit Kleinkindern unter fünf Jahren nicht aus dem Haus zu gehen.

Erfreulich, aber….

Kooijman anerkennt, dass die Spitzenwerte aus den 1980er-Jahren heute Vergangenheit sind. Damals wurden im Tessin an Rekordwerte von über 400 Mikrogramm Ozon registriert.

Schadstoffärmere Motoren sowie Katalysatorpflicht für Neufahrzeuge sind die Hauptgründe für die Trendwende. «Die Behörden von Bund und Kantonen haben einen grossen Beitrag zur Luftschadstoffreduktion geleistete, sie nehmen ihre Verantwortung wahr», lobt der Vertreter der Lungenliga.

Gleichzeitig bemängelt er aber, dass die Belastung seit zehn Jahren nicht mehr weiter zurückgegangen sei. «Weitere, langfristige Massnahmen zur Reduktion von Luftschadstoffen, insbesondere von Stickstoffdioxid, sind nötig, da die Grenzwerte nach wie vor überschritten werden», fordert Cornelis Kooijman.

Diesel- und Zweitaktmotoren im Visier

Die Lungenliga fordert deshalb unter anderem, dass alle dieselbetriebenen Maschinen mit Partikelfilter und speziellen Katalysatoren zum Ausfiltern von Stickstoffdioxid ausgerüstet werden müssen. Weitere Forderung ist die Einschränkung des Betriebs von Zweitaktmotoren, die als veritable Stickstoffdioxid-Schleudern wirken.

Kooijman nimmt aber nicht nur den Bund in die Pflicht, sondern auch Herr und Frau Schweizer. «Wir plädieren dafür, elektrisch betriebene Handgeräte wie Rasenmäher, Heckenschneider einzusetzen.» Ist dies nicht möglich, rät Kooijman, Gerätebenzin statt Benzin oder Diesel zu verwenden.

Unter dem Strich resultiert daraus eine Verminderung des Schadstoffausstosses. Der Lärm für die Nachbarn dagegen bleibt.

Renat Künzi, swissinfo.ch

Ende Woche geht eine lange Hitzeperiode zu Ende.

Die absoluten Hitzerekorde wurden zwar nicht gebrochen, bisher war der Juli aber gemäss MeteoSchweiz um 4 bis 5 Grad wärmer als im langjährigen Durchschnitt. So heiss war es letztmals 2006 oder 1983.

Je nach Standort gab es bis am Dienstag neun bis zwölf Hitzetage.
Die meisten Tage über mit Temperaturen über 30 Grad erlebten Genf und Lugano.

Im Mittel gibt es in der Rhonestadt rund 5 Hitzetage im Jahr, im Tessin dagegen nur 1,2.

Gewitter hatten sich gemäss MeteoSchweiz weitgehend auf die Berge und die Ostschweiz konzentriert, während es von der Westschweiz über das Seeland bis in die Region Basel sehr trocken blieb.

Die Meteorologen sagen für das Wochendende kräftige Gewitter und ergiebige Niederschläge voraus.

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