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Mit Würde in den Tod

Krankenhausgang
Die Palliativabteilung des Berner Inselspitals – für viele Patientinnen und Patienten ist es die letzte Station des Lebens. swissinfo.ch

In der Palliativabteilung des Inselspitals in Bern werden nicht heilbare Patientinnen und Patienten umsorgt. Rund ein Drittel von ihnen stirbt dort. SWI swissinfo.ch hat das Sterbehaus und eine Gedenkfeier besucht, an der Mitarbeitende und Angehörige gemeinsam trauern.

Der Abend ist kühl, doch im Inneren der Kapelle herrscht warme Stille. Es findet gerade eine Gedenkfeier für kürzlich verstorbene Menschen statt, die ihren letzten Lebensabschnitt in der Palliativabteilung des Inselspitals, dem so genannten Swan Haus, verbracht haben. Die Pfarrerin, Simone Bühler, ermuntert die Anwesenden, Kerzen als Symbole der Andacht und Trauer anzuzünden. Harfe und Gitarre spielen beruhigende Melodien, die Kerzenflammen tanzen dazu.

Kapelle
Die Gedenkfeier in der Kapelle. swissinfo.ch

«Vier Mal pro Jahr, im Rhythmus der Jahreszeiten, erinnern wir uns an das Leben und Sterben von Menschen, die wir ein Wegstück lang begleiten dürfen», erklärt Bühler. «Für die Mitarbeitenden des Swan Haus, für die der Tod zum Arbeitsalltag gehört, ist ein solches Ritual von Bedeutung. Und die Angehörigen werden eingeladen, diesen Moment mit uns zu teilen.»

Palliative Care

Im Swan Haus arbeitet ein interdisziplinäres Team. Neben Ärztinnen und Ärzten sind auch Pflegende und Fachpersonen aus Physiotherapie, Seelsorge, Sozialberatung und Musiktherapie tätig. «In der Palliativmedizin steht nicht der Kampf gegen Krankheit im Vordergrund, sondern die Linderung der Leiden», erklärt Oberärztin Annette Wochner gegenüber swissinfo.ch.

Dabei werden nicht nur medizinische Bedürfnisse gestillt. Es geht auch um Lebensqualität und Würde. So wird für spirituelle Unterstützung wöchentlich eine Sprechstunde der Seelsorge angeboten. Und die Sozialberatung kann praktische Fragen klären, zum Beispiel wenn es um Erbschafts- oder Nachfolgefragen geht. Auch die Angehörigen finden Unterstützung. Nötigenfalls werden ihnen sogar Übernachtungsmöglichkeiten geboten. 

Hauptdiagnose Krebs

60% bis 70% der Patientinnen und Patienten im Swan Haus sind an Krebs erkrankt. Andere leiden an unheilbaren Nerven-, Lungen- und Nierenerkrankungen. Die meisten Betroffenen werden aus anderen Abteilungen des Inselspitals übernommen.

Wichtig ist die Linderung der Schmerzen. «Wer körperliche Schmerzen hat, drückt dies oft sehr direkt aus, etwa durch Wutanfälle, oder dadurch, dass bereits Geräusche geringer Lautstärke als unerträglich empfunden werden», erklärt Wochner. Gemeinsam wird dann möglichst schnell eine Lösung zur Linderung gesucht. Schwieriger sind psychische Leiden und Ängste zu erkennen, da diese eher mit Vertrauten gemildert werden. 

Tisch im Zimmer des Spitals
Die meisten Patientinnen und Patienten im Swan Haus sind an Krebs erkrankt. swissinfo.ch

Witze zum Aufbau des Vertrauens

Mustafa Celik, der ursprünglich aus der Türkei kommt und heute als Pfleger im Swan Haus arbeitet, erzählt den Patientinnen zum Beispiel Witze, während er ihnen beim Nagelschneiden und Rasieren hilft, um das Vertrauen aufzubauen. «Bei Patienten und Patientinnen aus anderen Kulturen orientiere ich mich nach ihren individuellen Bedürfnissen», sagt er. Dabei stellt jedoch die Sprache eine grosse Hürde dar. Bei in der Schweiz wenig verbreiteten Sprachen wie Chinesisch, Japanisch oder Arabisch ist Celik auf die Übersetzung von Angehörigen angewiesen.

«Es kann die Angehörigen stark belasten, die medizinische Fachsprache zu übersetzen», gibt Wochner zu Bedenken. Deshalb arbeitet das Swan Haus mit Übersetzungsagenturen zusammen. Die Kostenübernahme erfolgt durch das Spital.

Das Recht auf «informiertes Sterben»

Doch nicht nur die sprachliche, sondern auch die kulturelle Barriere kann zu Schwierigkeiten oder Konflikten führen. So wusste zum Beispiel ein chinesischer Patient im Swan Haus nichts von seiner unheilbaren Krankheit; und seine Angehörigen sagten ihm auch nicht die Wahrheit, um ihn vor Leid zu schützen.

Porträt
«Es kann eine Weile dauern, bis das Vertrauen aufgebaut ist», sagt Oberärztin Annette Wochner swissinfo.ch

Zu diesem Fall sagte Wochner: «In der Schweiz werden Sterben und Tod nicht ausgeklammert. Nach unserer Auffassung haben alle das Recht, informiert zu sterben.» Die Verweigerung der medizinischen Diagnose durch Ärzte sei mit Betrug gleichzusetzen, «denn das kann falsche Erwartung wecken», sagt die Oberärztin. Die Betroffenen haben das Recht das Recht zu wissen, wie es um sie steht, um ihre Endzeit vorausplanen und Wünsche erfüllen zu können.

In anderen Kulturen, wie zum Beispiel der islamischen, hingegen ist es ein Tabu, mit Älteren über Tod zu reden. Wochner kommt zu der Erkenntnis: “In der Palliativpflege müssen wir kulturelle Faktoren berücksichtigen und uns anpassen. Manchmal akzeptieren die Betroffenen ihr Sterben aber besser, wenn auf die Wortwahl der Mitteilung geachtet wird.“

Sterbehilfe ist nur extern möglich

Einige Patientinnen und Patienten entscheiden sich für Sterbehilfe. «Wir respektieren ihre Entscheidung. Aber gemäss dem Gesetz darf Sterbehilfe in Bern nicht im Swan Haus durchgeführt werden», erklärt Wochner. Deshalb vermittelt das Swan Haus die entsprechenden Kontakte, damit die Patienten selber mit dem Sterbehilfe-Team den Termin vereinbaren und sich dann zu Haus vorbereiten können. “Bis die Patienten das Swan Haus verlassen, werden sie gut versorgt”, so Dr. Wochner weiter.

Spitalzimmer
Die meisten Patientinnen und Patienten bleiben rund zwei Wochen im Swan Haus. Etwa ein Drittel stirbt dort. swissinfo.ch

Die Krankenkasse zahlt die Kosten der Palliativversorgung bis zu einer bestimmten Höhe. «Bei komplexen Krankheitsverlauf und längerem Aufenthalt übernimmt das Inselspital die übrigen Kosten“, sagt Wochner.  Die meisten Betroffenen bleiben etwa zwei Wochen im Swan Haus, bei komplexen Krankheiten kann der Aufenthalt aber auch zwei bis drei Monate dauern.

Drei Hochzeiten in einem Jahr

Die Arbeit im Swan Haus ist keine leichte, denn der Tod geht mit der Trauer einher. Wie grenzt man sich im Privatleben von der Arbeit ab? Dr. Wochner kann damit gut umgehen: “Es hilft, mit Kollegen oft darüber zu reden.” Die traurigen Gefühle lassen sich jedoch nicht einfach vergessen, fügt Pfleger Celik an: “Ganz ohne Trauer geht es nicht. Aber die Gewissheit, den Verstorbenen geholfen zu haben und dafür anerkannt worden zu sein, motiviert mich wieder, anderen Hilfe zu leisten.”

Das Swan Haus begleitet viele in ihren letzten Tagen und erlebt dabei die verschiedensten Facetten des Lebens. Was bedeutet beispielsweise die Hochzeit als einer der schönsten Tage im Leben für Sterbende? “Allein im letzten Jahr haben wir im Swan Haus drei Hochzeiten gefeiert”, lächelt Wochner. «Diese grosse Freude am Ort der Trauer ist wohl eine Belohnung für unsere Arbeit.”

Das Swan Haus von aussen
Das Universitäre Zentrum für Palliative Care am Inselspital Bern wurde 2012 gegründet. swissinfo.ch
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Das Zentrum für Palliativpflege – Swan Haus

Das Universitäre Zentrum für Palliative CareExterner Link am Inselspital Bern (PZI) wurde Ende 2012 gegründet, um der Palliative Care am Universitätsspital ein umfassendes und akademisches Gewicht zu geben.

Eine der Hauptaufgaben des Zentrums als Ort der Lehre und der Forschung ist es, die Kompetenzen der spezialisierten Palliative Care zu multiplizieren. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit über Entscheidungen in der letzten Lebensphase gehört ebenfalls zu den Hauptaufgaben und Swan Haus engagiert sich in politischen sowie berufspolitischen Gremien.

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