Pandemie: Schweizerinnen und Schweizer wieder optimistischer
Trotz des bisher verregneten Sommers: Wie schon im letzten Jahr zu dieser Zeit zeigt der neue, achte SRG Corona-Monitor, dass sich die Stimmung der Menschen in der Schweiz verbessert hat. Dieser Optimismus ist aber in hohem Mass von der Entwicklung der Zahl der Infektionen und damit der Impfrate abhängig.
Frühere Umfragen zeigten grosse Schwankungen in der öffentlichen Stimmung, mit einer Welle des Optimismus im Juni 2020, einem Moment der Entmutigung im Januar 2021 und weiteren Sorgenfalten im März. Doch nun scheint der Optimismus zurückgekehrt zu sein.
Gefühl der Überlegenheit
Das Forschungsinstitut Sotomo, das den Monitor im Auftrag der SRG SSR erstellt, hat über 23’000 Menschen in der Schweiz befragt. Dabei zeigt sich unter anderem, dass die Entwicklung der Wirtschaft als deutlich besser eingeschätzt wird und die Befragten weniger Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder finanzielle Konsequenzen tragen zu müssen.
«Der Fortschritt der Impfkampagne, die sinkenden Fallzahlen und die weitgehenden Lockerungen der Massnahmen haben nun erstmals wieder zu einer markanten Verbesserung der wahrgenommenen Stimmung beigetragen», schreibt Sotomo.
Nach einer Phase des Zweifels im letzten Herbst, als die Schweiz wegen den rasch ansteigenden Infektionen der zweiten Welle international als Tollpatsch galt, ist das Vertrauen zurückgekehrt.
Fast drei Viertel der Befragten (73%) sind der Meinung, dass es der Schweiz heute besser gehe als dem Rest Europas, wie das schon zu Beginn der Pandemie der Fall war. Deshalb sagen die Autorinnen und Autoren, dass ein gewisses Gefühl der «typisch schweizerischen» Überlegenheit zurückkehre.
Vertrauen in Regierung nimmt wieder zu
Während der zweiten Welle der Pandemie im Herbst nahm das Vertrauen in die Regierung rapide ab. Der bereits im März spürbare Anstieg dieses Vertrauens der Bevölkerung hat sich in dieser neuen Umfrage bestätigt. Mehr als die Hälfte der Befragten (54%) hat nun wieder Vertrauen in das Handeln der Regierung.
«Die Tatsachen, dass der Bundesrat Anfang Jahr das Heft wieder in die Hand genommen hat und die ergriffenen Massnahmen zu einer massiven Reduktion der Fallzahlen und einer Entlastung der Spitäler geführt haben, wirken sich offenbar positiv auf die Reputation der Landesregierung aus», heisst es.
Vor allem die von der Regierung angekündigten Lockerungsmassnahmen wurden in der Bevölkerung gut aufgenommen. Während im März fast die Hälfte der Befragten (46%) der Meinung waren, dass die Lockdown-Massnahmen zu weit gehen würden, teilt diese Meinung mittlerweile nur noch ein Drittel (33%).
Wenig Sympathie für Zwangsmassnahmen
Die aktuell gute Stimmung der Schweizerinnen und Schweizer ist vor allem zurückzuführen auf den Rückgang von Infektionen, Krankenhaus-Aufenthalten und Todesfällen. Diese Ergebnisse sind jedoch möglicherweise nicht von Dauer. Bereits heute werden in mehreren Regionen oder Ländern mit der sich rasch verbreitenden Delta-Variante neue Lockdown-Massnahmen verhängt.
Eine hohe Impfrate ist gemäss Fachleuten die beste Möglichkeit, eine weitere Welle zu verhindern. Doch in der Schweiz lässt die Impfkampagne nach einem anfänglichen Boom langsam nach.
Laut der Umfrage haben 60% der Befragten bereits mindestens eine Dosis erhalten, und weitere 3% sind bereit, sich sofort impfen zu lassen. Auf der anderen Seite ziehen es 12% vor, zu warten. Und 25% der Befragten gaben an, sich nicht impfen zu lassen.
Einige Experten und Spezialistinnen denken deshalb darüber nach, die Impfung für obligatorisch zu erklären. Diese Idee kommt jedoch in der Öffentlichkeit nicht gut an. Die Meinungsforschenden fragten, ob die Impfung für Mitarbeitende des Gesundheitswesens – einer besonders gefährdeten Gruppe – für obligatorisch erklärt werden sollte. 38% der Befragten waren bestimmt dagegen, 12% dagegen, 5% hatten keine Meinung, während 28% eher dafür und 20% bestimmt dafür waren.
Eine andere Idee, die Impfung zu erzwingen, wäre, ungeimpfte Menschen zur Kasse zu bitten, sollten sie an Covid-19 erkranken. Aber auch diese Idee findet keinen Anklang: Sie wird von mehr als der Hälfte der Befragten (59%) abgelehnt.
«Es erstaunt nicht, dass Personen, die sich nicht impfen lassen wollen, nichts von einer derartigen Kostenbeteiligung halten», schreibt Sotomo. «Interessant ist, dass die Haltung der Impfwilligen geteilt ist. 26% von ihnen sind klar dafür, weitere 25% eher dafür, dass sich Impfunwillige an allfälligen Covid-19-Behandlungskosten beteiligen. Der Rest ist unschlüssig oder dagegen.»
Unverzichtbarer Türöffner
Bis sich die Situation wieder normalisiert hat, scheint ein Covid-Zertifikat, das auf einer Impfung, einem negativen Test oder einer durchgemachten Covid-19-Erkrankung basiert, das unverzichtbare «Sesam-öffne-dich» zu sein. Dies, um an Grossveranstaltungen teilzunehmen oder ins Ausland zu reisen.
Eine Mehrheit der Befragten (61%) befürwortet dieses Zertifikat. Dagegen sind 41%, während 4% keine Meinung dazu haben. Die Idee, dass das Zertifikat ein Hintertürchen zur Einführung des Impfzwangs sei, ist das am häufigsten vorgebrachte Argument der Gegnerschaft.
Die Umfrage wurde vom Institut Sotomo im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) durchgeführt, zu der auch SWI swissinfo.ch gehört.
Dies ist die 8. Umfrage einer Serie, die seit März 2020 zum Thema Pandemie durchgeführt wird.
Die Umfrage wurde zwischen dem 1. und 5. Juli online mit 23’337 Personen ab 15 Jahren durchgeführt, die in allen Sprachregionen leben.
Da die Teilnahme an der Umfrage freiwillig ist, verwendeten die Meinungsforschenden statistische Gewichtungsinstrumente, um sie repräsentativ zu gestalten. Die Fehlerquote liegt bei +/- 1,3 Prozentpunkten.
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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