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Mit Schlagstock, Pfefferspray und einem Lächeln

Zwei Sicherheitsmitarbeiter von DELTA Security von hinten
Mitarbeiter von Delta Security bewachen die Eingänge des Festgeländes. swissinfo.ch

In der Schweiz gibt es mehr Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste als Polizisten. Was heisst das für das Gewaltmonopol des Staats? swissinfo.ch hat sich an einem Grossanlass ein Bild gemacht.

Kreuzlingen im August: An der Seepromenade messen sich Sportler beim Kanufahren, Kinder spielen in Hüpfburgen, Erwachsene verpflegen sich mit Schaschlik-Spiessen und verfolgen eine rasante Flugshow am Himmel. Zwischen den Besuchern patrouillieren Männer in grauer Uniform mit Delta-Aufschrift, bewaffnet mit Schlagstock und Pfefferspray.

Delta Security AG

Die Delta SecurityExterner Link wurde 1991 im Kanton Thurgau gegründet. Heute beschäftigt die in der ganzen Schweiz (inklusive den Filialen in Basel, Bern und Lugano) tätige Aktiengesellschaft rund 350 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Davon sind 60 Mitarbeiter im Monatslohn. Die restlichen Mitarbeiter arbeiten im Stundenlohn, darunter auch zahlreiche Studenten, welche sich mit dieser Arbeit das Studium finanzieren. Rund 15% der Belegschaft sind Frauen.

Am Kreuzlinger Seenachtsfest FantasticalExterner Link im Kanton Thurgau werden 40’000 Besucher erwartet. Am Abend gibt es ein Feuerwerk und eine Party. So ein Grossanlass birgt Risiken. Schlägereien, Brände, Explosionen, Unwetter, Massenpaniken, Terroranschläge oder Amokläufe – auf all das ist die Delta Security gefasst. Der Sicherheitsdienst ist für die Gesamtsicherheit des Anlasses zuständig. Das Besondere: Delta Security ist eine private Aktiengesellschaft, keine staatliche Behörde.

Koordination zwischen Privaten und Behörden

Am Mittag gibt es eine letzte Sitzung zum Thema Sicherheit. Auffallend: Das Treffen von Kantonspolizei, Ambulanz, Feuerwehr und Verkehrskadetten wird von Delta-Geschäftsführer Urban Lederer geleitet. Fast könnte man ihn für einen zivilen Polizeibeamten halten, denn ausser seiner Körpergrösse entspricht nichts dem Klischee eines Security-Mitarbeiters: Keine Tattoos, keine Sonnenbrille, keine Uniform, kein Gorillagang, kein Imponiergehabe.

Am Schluss der Sitzung sagt ein Kantonspolizist zu Lederer: «Wenn ihr Probleme habt, dass jemand sich beispielsweise nicht kontrollieren lassen will, dann ruft uns.» Den Delta-Mitarbeitenden ist es nämlich nicht erlaubt, jemanden zu durchsuchen, Personendaten aufzunehmen oder gar zu verhaften. Das darf nur die Polizei.

Private Sicherheitsfirmen in der Schweiz

Der erste private Sicherheitsdienst wurde in der Schweiz bereits 1905 gegründet. Heute sind es über 800 Unternehmen. Die Zulassungsbedingungen und Kompetenzen sind kantonal unterschiedlich. In einigen Kantonen braucht es keine Bewilligung. In der Westschweiz regelt ein Konkordat die Zulassung von Sicherheitsunternehmen. Ein entsprechendes Konkordat für die Deutschschweiz scheiterte 2017, weil sich die Kantone nicht über die Regelungen einigen konnten. Im Parlament ist ein Vorstoss hängig, der private Sicherheitsdienstleistungen national regeln will. Auch der Verband der Sicherheitsunternehmen begrüsst eine nationale Lösung, unter anderem weil es für landesweit tätige Firmen administrativ aufwändig und kostenintensiv ist, in jedem Kanton einzeln eine Bewilligung beantragen zu müssen.

Einige Stunden später holt die Thurgauer Kantonspolizei Lederer mit einem Boot ab. Über den Bodensee geht es in deutsche Gewässer. Man trifft sich mit der Polizei von Baden-Württemberg auf deren Polizeiboot. Im deutschen Konstanz findet nämlich ebenfalls ein Seenachtsfest mit Feuerwerk statt – wenige Meter vom Schweizer Festgelände. Auf schaukelnden Wellen bespricht man gemeinsam das Wetter sowie die Sicherheitsvorkehrungen und tauscht Funkgeräte und Frequenzen aus.

«Eine solch enge Zusammenarbeit zwischen einem privaten Sicherheitsdienst und der Polizei ist aussergewöhnlich», sagt Lederer. Das sei nur dank jahrelanger Zusammenarbeit und gewachsenem Vertrauen möglich. Delta Security wird seit über 15 Jahren für die Sicherheit beim Fantastical beauftragt.

Die Mädchen sind verrückt nach ihnen

Die Security hat den Anlass minutiös geplant: Mit der Polizei wurde die Anordnung der Feststände besprochen, damit es bei Massenpaniken nicht zu Blockaden kommt, der Verkehr wurde umgeleitet, bei den Eingängen wurden Betonpoller abgelegt, damit Terroristen nicht mit Lastwagen in die Menschenmengen fahren können, und an Kranen wurden Lautsprecher aufgehängt, um im Notfall dem Publikum Anweisungen geben zu können. An den Eingängen zum Festgelände kontrollieren Delta-Mitarbeiter die Taschen der Besucher nach Waffen und Glasflaschen.

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Delta-Mitarbeiter sind auf dem ganzen Festgelände verteilt. swissinfo.ch

Am Abend legen die Security-Leute stichfeste Westen an. Wenn es zu Problemen kommt, dann meist in der Nacht, wenn bei den Partygästen bereits Alkohol geflossen ist. In diesen Uniformen sehen die Sicherheitsmitarbeiter aus wie Polizisten in Kampfmontur. Die Leute drehen sich nach ihnen um. «Krass!», sagen die Jungs. «Wow!», sagen die Mädchen.

Immer wieder pöbeln alkoholisierte Männer die Delta-Mitarbeiter an, beschimpfen und provozieren sie. Die Sicherheitsangestellten ertragen es, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Sie patrouillieren durch das Gedränge, stehen bei den Festzelten und beobachten die Menschenmengen und schlichten Streit zwischen den Gästen. Einige junge Frauen wollen die Sicherheitsmänner fotografieren, ihre Muskeln befühlen und ihnen ein Küsschen geben. Auch das lassen die Security-Mitarbeiter stoisch über sich ergehen.

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Staat und Private ergänzen sich

Das Fest verläuft ruhig. Ein paar Pöbeleien, kotzende Gäste, Glasflaschen, die plötzlich im Umlauf sind und bei denen sich herausstellt, dass sie in einem Festzelt verkauft werden – nichts, womit die Crew nicht fertig würde. Vor Jahren gab es negative PresseExterner Link über Delta-Mitarbeiter, die zu hart mit Hooligans umgingen. Es kam zur Entlassung fehlbarer Mitarbeiter. Heute gilt Delta Security in der Branche als seriöse und professionelle Firma, die umfassende Leistungen bei Grossanlässen anbietet – inklusive Bühnenaufbau. Etwas, was die staatlichen Behörden nicht bieten können.

Privater Sanitätsdienst

Am Fantastical sorgt der private Anbieter JDMTExterner Link für die medizinische Betreuung der Besucher. Sanitäter und Arzt von JDMT behandeln vor Ort Alkoholvergiftungen, Kreislaufbeschwerden oder Insektenstiche. Nur in seltenen Fällen ist es notwendig, den Rettungsdienst für eine Hospitalisierung zu rufen. Gegründet wurde JDMT von jungen Medizinstudenten, die praktische Erfahrungen sammeln wollten. Inzwischen ist JDMT ein professionelles Unternehmen, das für Unternehmen und Behörden medizinische Leistungen erbringt. Für die Patienten ist die Behandlung durch JDMT am Fantastical gratis – die Kosten trägt der Veranstalter.

Ohne private Sicherheitsdienste wären Grossanlässe in der Schweiz kaum durchführ- und finanzierbar. Die Polizei hat weder Kapazitäten, noch ist es ihre Aufgabe, bei Partys den Aufpasser zu spielen. Insofern sind private Sicherheitsdienste ein Gewinn, keine Konkurrenz. Zum Problem wird es laut dem Sicherheitsexperten Matthias BieriExterner Link vom Center for Security StudiesExterner Link der ETH Zürich erst, wenn Aufgaben übergeben werden, die private Dienste eigentlich nicht ausüben dürften. «Ein privater Sicherheitsmann hat im öffentlichen Raum nicht mehr Rechte als jeder andere Bürger. Nur die Polizei darf Recht mit Zwang durchsetzen.» Beim Fantastical wurde dieses Problem mit Schildern umgangen, welche die Gäste darauf hinweisen, dass das Festgelände während des Anlasses als Privatgrund gilt.

Problematisch ist laut Bieri auch der Trend, dass der Staat aus finanziellen Gründen den Polizeibestand klein hält und polizeiliche Aufgaben stattdessen an Private delegiert. Die Schweiz hat im internationalen Vergleich wenige Polizisten im Verhältnis zur Bevölkerung. «Gerade in Ausnahmesituationen kommt die Polizei so noch rascher an ihre Grenzen», sagt Bieri. 

Fazit: Staat und Private ergänzen sich, doch der Staat darf sich durch das grosse Angebot privater Sicherheitsdienste nicht dazu verleiten lassen, bei Polizei und Armee zu sparen. Das Gewaltmonopol ist auch verpflichtend.

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Bild von Johanna Bundi Ryser
Johanna Bundi Ryser ist Präsidentin Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB. Foto: Rolf Weiss

swissinfo.ch: Warum boomen private Sicherheitsfirmen in der Schweiz?

Johanna Bundi Ryser: Erstens haben Migration, Terroranschläge und Amokläufe ein grösseres Sicherheitsbedürfnis geschaffen. Zweitens delegiert der Staat immer mehr Polizeiaufgaben an private Sicherheitsfirmen, weil er sparen will. Das ist verstecktes Lohndumping, denn Mitarbeiter privater Sicherheitsdienstleister sind billiger als Polizisten. 

swissinfo.ch: Was ist das Problem, wenn Private polizeiliche Aufgaben übernehmen?

J.B R.: Private Sicherheitsdienste haben ihre Daseinsberechtigung. Wir brauchen sie und sie leisten gute Dienste, das ist unbestritten. Aber das Gewaltmonopol im öffentlichen Raum liegt bei der Polizei und kann nur bedingt delegiert werden. Sowohl die Kompetenzen als auch die Anforderungen an die Mitarbeiter sind bei Polizei und privaten Sicherheitsfirmen unterschiedlich. Es kommt beispielsweise immer wieder vor, dass private Sicherheitsdienste vorbestrafte Mitarbeiter einstellen. Kriminelle kann man doch nicht für Sicherheit sorgen lassen! Es braucht daher unbedingt eine nationale Regelung.

swissinfo.ch: Seit den 1960er-Jahren sind die Schweizer Polizeikorps überlastet, viele Polizisten müssen Überstunden leisten. Spart der Staat auf Kosten der Sicherheit?

J.B R.: Ja! Es gibt einen klaren Trend zum Sparen. Die so genannte «Polizeilücke» ist entstanden, weil man das Personal nicht finanzieren will. Der Staat investiert zu wenig. Wenn man von der Polizei Sicherheit erwartet, muss man auch entsprechende Mittel zur Verfügung stellen. Denn eins ist klar: fehlende Polizistinnen und Polizisten können auch nicht für Sicherheit sorgen.

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