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Warum der Seeuferweg auf der Strecke bleibt

Aufnahme vom Grundstück, das Roger Federer am Zürichsee gekauft hat.
Auf dem Grundstück von 18'000 Quadratmetern, das Roger Federer gekauft hat, soll auch ein Tennisplatz entstehen, aber kein Uferweg. Keystone / Ennio Leanza

Wo ist das Leben schöner als an einem See? Roger Federer erfüllt sich diesen Traum mit einem Grundstück am Zürichsee. Einen öffentlichen Uferweg vor seinem Anwesen muss der Tennisstar nicht befürchten. Er kann dabei – wie viele andere private Seeanstösser in der Schweiz – mit der Unterstützung der lokalen Behörden rechnen.

Seit einigen Tagen weiss es die halbe Welt: Der erfolgreichste Tennisspieler aller Zeiten zieht mit seiner Familie an den Zürichsee. Im St. Galler-Städtchen Rapperswil-Jona haben Federers eine Parzelle in der Grösse von drei Fussballplätzen mit Seeanstoss erworben.

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Auf diesem Grundstück, das schon vorher im Besitz von Privaten war, gab und gibt es keinen Uferweg.

Fussgänger müssen dort einen grossen Bogen um das Areal machen. Dies obwohl das RaumplanungsgesetzExterner Link seit vierzig Jahren vorschreibt, dass «See- und Flussufer freigehalten und öffentlicher Zugang und Begehung erleichtert werden sollen».

Martin Stöckling, der Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, bezweifelt, «ob das Raumplanungsgesetz eine rechtliche Grundlage für Enteignungen darstellt.»  Aber auch aus politischer Sicht gebe es keine Dringlichkeit. «Es ist bei uns kein Thema, weil die Bevölkerung an zahlreichen Stellen problemlos Zugang zum See hat.» Am Oberssee führe ein rund sieben Kilometer langer Weg dem Ufer entlang. «Darüber hinaus hat die Stadt an verschiedenen Stellen Aufwertungsmassnahmen vorgenommen, um den Aufenthalt am See zu verbessern oder das Baden zu ermöglichen», sagt der Stadtpräsident.

«Robin Hood» der Seen

Einer der sich nicht scheut, Einflussreichen auf die Füsse oder besser auf deren Uferzone zu treten, ist Victor von Wartburg. Als Präsident und Gründer des Vereins Rives PubliquesExterner Link kämpft er seit Jahren für öffentlich zugängliche Seeufer. Auch im Fall des Schweizer Tennisstars nimmt der «Feind vieler Seeanstösser» kein Blatt vor den Mund und verlangt von den Behörden in Rapperswil-Jona in einem offenen Brief, «von Herrn Federer einen durchgehenden Uferweg direkt am Wasser zu fordern.»

Und dem Tennisstar empfiehlt von Wartburg, «sich erneut als Idol zu profilieren, indem er mit einer Unterschrift (…) einen öffentlich begehbaren Seeuferweg garantiert.» Das wäre in den Augen des kämpferischen Rentners, der von einer Staatsanwältin einst als Robin Hood der Seen betitelt wurde, kein wohlwollendes Geschenk, sondern einfach die Respektierung der Gesetze.

Beisshemmungen?

Wenn in Zukunft das öffentliche Bedürfnis nach einem durchgehenden Uferweg auch in Rapperswil-Jona wachsen sollte, dürfte es für die Behörden im Fall des Tennisstars besonders heikel werden. Welcher Lokalpolitiker hätte nicht Hemmungen, auf dem Grundstück des Sportidols die Bagger auffahren zu lassen für einen Uferweg, auf dem Krethi und Plethi Zugang hätten.

Aufschüttungen für den Bau eines Uferwegs am Zürichsee
Der Bau eines Uferwegs – hier am oberen Zürichsee – kann Gemeinden und Kanton viel Geld kosten. Keystone / Walter Bieri

Dazu möchte Stöckling nichts sagen, oder nur so viel: «Einen Uferweg entlang der Goldküste auf privaten Grundstücken durchzusetzen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.» Den Namen Goldküste verdankt das untere rechte Seeufer am Zürichsee den vielen Wohlhabenden dort.

Was das Parlament im benachbarten Kanton Zürich verlange, nämlich einen durchgehenden Uferweg in der Verfassung zu verankern, erachtet der Stadtpräsident im St. Gallischen Rapperswil-Jona weder als politisch noch rechtlich machbar. «Es gibt genügend Leute, die genug Geld haben, um dies auf dem Rechtsweg zu verhindern», sagt der Politiker der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen).

Vor den Villen geht’s nicht weiter

Wie recht Stöckling mit seiner Einschätzung haben dürfte, zeigt die Geschichte des Uferwegs im Kanton Bern. Obwohl das Stimmvolk dort schon 1983 entschieden hatte, dass an allen See- und Flussufern ein Weg entlangführen soll, fehlt dieser noch auf zahlreichen privaten Grundstücken. Meistens endet der gesetzlich verordnete Weg vor den Parzellen zahlungskräftiger Eigentümer, die ihren direkten Seeanstoss auf dem Rechtsweg durch alle Instanzen hindurch verteidigen.

Dass sie dabei oft von den lokalen Behörden unterstützt werden, denen der Schutz des Eigentums wichtiger ist als das Gemeinwohl, zeigt beispielhaft die Gemeinde Hilterfingen am Thunersee. Dort haben Villenbesitzer mit Seeanstoss im Seegarten-Quartier den Uferweg bis heute erfolgreich bekämpft.

Seit Februar dieses Jahres sind ihre Rechtsmittel allerdings erschöpft. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit und einem letztinstanzlichen Gerichtsurteil steht dem Uferweg im Seegarten nun nichts mehr im Weg – theoretisch.

Der lange Leidensweg

Die Gemeinde ist jetzt zwar verpflichtet, diesen auch auf den Grundstücken der Seeanstösser zu bauen, aber laut Gerhard Beindorff, Gemeindepräsident von Hilterfingen, wird der Weg nicht vor 2026 verwirklicht. «Der Gemeinderat sieht vor, mit der Planung 2021 oder 2020 zu beginnen.»

Für Beindorff hat der Uferweg nicht erste Priorität, weil ein grosses Schulbauprojekt als wichtiger eingestuft werde. «Bevor wir mit dem Bau beginnen können, müssen wir das Land erwerben und rechnen lassen, was es kostet. Danach müssen wir vor der Gemeindeversammlung einen Kredit beantragen.»

Dass für den Politiker der Freisinnig-Demokratischen Partei der Uferweg weniger wichtig ist als die Interessen der Eigentümer, machte er selber schon 2015 deutlich, als er in einem Beitrag der SRF-Sendung Rundschau vor laufender Kamera einem Seeanstösser versprach, den Weg zu verzögern.

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Frühestens 2026

Er wolle einen Vertrag einhalten, den die Gemeinde 1976 mit der Erbengemeinschaft des Seegartens abgeschlossen habe, erklärt Beindorff gegenüber swissinfo.ch zu seinen Äusserungen im TV-Beitrag.

Tatsächlich wurde damals im Rahmen eines Landabtausches für den Bau eines Altersheims vertraglich zugesichert, dass die Gemeinde auf dem Grundstück der privaten Eigentümer während fünfzig Jahren keinen Uferweg bauen werde. «Ich will diesen Vertrag einhalten und dem VerfassungsartikelExterner Link zum Schutz des privaten Eigentums Rechnung tragen», sagt der Gemeindepräsident.

Die Zusicherung der Gemeinde von 1976 sei allerdings nachrangig, erwidert Daniel Wachter, Vorsteher des Amts für Gemeinden und Raumordnung (AGR) des Kantons Bern. «Kantonales Recht übersteuert kommunales.»

Den Anhängern des Seeuferwegs nützt dies allerdings nichts. Der Hilterfinger Gemeindepräsident muss nämlich nicht befürchten, dass ihm die kantonale Aufsichtsbehörde (RegierungsstatthalterExterner Link) Beine machen wird. Das AGR nimmt an, dass der Uferweg trotzdem erst gegen Mitte der 2020er-Jahre gebaut wird. Der Grund sind die beschränkten finanziellen Mittel des Kantons, der sich an den Kosten für die Uferwege zu 60% beteiligen muss.

Wem gehört das Ufer?

Laut dem eidgenössischen Raumplanungsgesetz gilt: Gewässer sind öffentliches Gut. Strittiger Punkt dabei ist, ob der Uferstreifen dazugehört. Ein Bundesgerichtsentscheid von 2001 bezeichnet Gewässer und Ufer als «unzertrennliche Einheit«.

Seeanstösser sehen das anders. Sie berufen sich auf den Schutz des Eigentums und wehren sich in unzähligen Fällen auf dem Rechtsweg gegen «Enteignungen».

Dass der Zugang zu den Gewässern fast 40 Jahre nach Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes noch längst nicht überall möglich ist, liegt häufig an den Beisshemmungen der Gemeindepolitiker, die ihre besten Steuerzahler nicht vergraulen wollen und den Bau des Weges verhindern oder verzögern helfen.

Weil den Promotoren des Seeuferwegs in einigen Regionen der Geduldsfaden riss, lancierten sie auf kantonaler Ebene Vorstösse. Im Kanton Bern schreibt das See- und Flussufergesetz seit fast 40 Jahren überall einen Uferweg vor. Initiativen, die Seezugang und Uferwege für alle fordern, liegen vor (Neuenburg) oder sind in Vorbereitung (Waadt, Genf, Zürich).

Treibende Kraft im Kampf für den öffentlichen Zugang zu den Gewässern ist – vor allem in der Westschweizer – der Verein «Rives publiquesExterner Link«.

Im Kanton Zürich verfolgt der Verein «Ja zum Seeuferweg»Externer Link das Ziel eines durchgehenden Uferwegs am Zürichsee.



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