Schweiz hilft Unwetteropfern in Brasilien
Eine Woche nach den sintflutähnlichen Regenfällen versuchen die Bewohner von Nova Friburgo, mit den Schäden fertig zu werden. In- und ausländische Behörden mobilisieren Hilfe für die Opfer.
Die Zahl der Opfer in der bergigen Region im brasilianischen Staat Rio de Janeiro steigt weiter. Mitte Woche war von mehr als 730 Toten die Rede.
Anfang Woche verfügte die brasilianische Regierung, ein nationales Alarmsystem aufzubauen, das auch dem Vorbeugen von Naturkatastrophen dienen soll. Auch ein Neuaufbau des Zivilschutzes ist vorgesehen. Der bestehende scheint ungenügend organisiert zu sein.
Brasilien umfasst rund 500 Zonen, wo ein Risiko von Erdrutschen besteht. Weitere 300 Zonen weisen ein erhöhtes Überschwemmungsrisiko auf. Betroffen davon sind rund 5 Millionen Menschen.
Laut Wissenschaftsminister Aloizio Mercadantes benötigt die Einführung eines effizienten Warn- und Vorbeuge-Alarms vier Jahre. Drei Zielrichtungen sind dabei prioritär: Erstens die Regenprognosen, zweitens die genaue geophysikalische Einordnung der Risikozonen und drittens die Ausbildung der Zivilschützer und der Bewohner.
Katastrophen vorbeugen
Auch die Schweizer Hilfe soll sich auf die drei Zielrichtungen ausrichten, welche die Regierung vorgezeichnet hat. Am Montag ist eine Spezialistenequipe des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) in Brasilien eingetroffen. Sie wird die geologischen Gegebenheiten analysieren und aufzeigen, wie die von der Eidgenossenschaft freigestellten Hilfsgelder verwendet werden sollen.
Weitere Hilfsgelder werden durch die Vereinigung Freiburg – Nova Friburgo (AFNF) koordiniert. Laut deren Präsident Raphael Fessler sollen die Mittel in die Finanzierung von Projekten eingebracht werden, die mit dem Wiederaufbau zusammenhängen. Es geht um Schulen, Spitäler und weitere Infrastrukturen, sowie der Schulung von Personal bezüglich Risikovorbeugung.
Solidarität wird konkret
Langsam nimmt die Solidarität der Schweizer konkrete Formen an. Am Dienstag hat der Kanton Freiburg 100’000 Franken gesprochen, die Stadt Freiburg hat weitere 30’000 Franken gespendet.
Fessler hofft, dass sich weitere Kantone solidarisch zeigen werden. Denn trotz des Namens Nova Friburgo sei die Region in den Anfängen nicht nur von Freiburgern besiedelt worden, sondern auch von Jurassiern, Wallisern und Solothurnern.
Die von AFNF bereit gestellten Hilfsgelder werden in Brasilien von den lokalen Behörden gemanagt. Maurício Pinheiro, Direktor der Schweizer Hauses in Nova Friburgo, versichert, dass «jeder aus der Schweiz erhaltene Rappen ausschliesslich für Wiederaufbau- und Vorbeuge-Projekte verwendet wird.»
Die Behörden von Nova Friburgo werden ab Freitag mit der Registrierung jener Familien beginnen, die Unterstützung brauchen. Die brasilianische Tageszeitung O Globo zitiert den Zivilschutz-Koordinator der Region, wonach mit diesen Geldern Mieten bezahlt oder jene Familien entschädigt würden, die Obdachlose bei sich aufnehmen.
Regenfälle haben Geografie verändert
In Nova Friburgo hat sich die Situation noch lange nicht normalisiert. Zwar funktioniert das Elektrizitätsnetz inzwischen für 90% der Stadt wieder. Aber es gibt immer noch Quartiere, in denen sich die Leute mit Kerzen und Regenwasser behelfen müssen.
«Ich weiss nicht, ob der Glaube die Berge ebenso schnell versetzt wie der Regen vor einer Woche den Boden versetzt hat», meint Pinheiro. Das Wasser habe die Geografie der Gegend umgestaltet: Der Fluss verlaufe nun durch ein völlig neues Gebiet, es gebe neue Hügel aus Schwemmland und neues Flachland, wo die Niederschläge alles abgetragen haben.
Vieles wird nicht mehr wie früher sein. Auch ist viel von der Geschichte Nova Friburgos zerstört worden. Mindestens ein Drittel des Kultur- und Bauerbes der Region wurde entweder total zerstört oder stark beschädigt, schätzt Nelson Bohrer, Präsident der Stiftung «Pro Memoria de la préfecture de Nova Friburgo», gegenüber O Globo.
Dabei gehe es nicht nur um Kirchen, Schulen oder andere Bauten, sondern auch um Plätze, Brunnen, Skulpturen und öffentliche Kunstwerke.
Köngliches Dekret. Die Geschichte von Nova Friburgo beginnt 1818, als der portugiesische König Dom João VI die Einwanderung von 100 Schweizer Familien erlaubt. Die meisten stammen aus den Kantonen Freiburg und Jura.
Tragische Reise. Von den 2006 aufgebrochenen Auswanderern kamen schliesslich nur 1621 in Brasilien an. 385 haben die Strapazen der Reise nicht überlebt.
Erste Ausländerkolonie. Nova Friburgo war die erste nicht-portugiesische Kolonie in Brasilien.
Beziehungen. Dank Geschichts-Forschungen konnten die Beziehungen zwischen Alt- und Neufreiburg neu geknüpft werden. Es entstand auch eine Vereinigung, die 2009 ihr 30-jähriges Bestehen feierte.
Spenden für die Opfer von Nova Friburgo sind möglich.
Zum Beispiel bei der Vereinigung Fribourg – Nova Friburgo: Postcheck 17-5500-9, mit dem Vermerk «intempéries Nova Friburgo».
Oder bei Caritas Schweiz: Postcheck 60-7000-4, mit dem Vermerk «Brasilien».
Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch