Schweizer greifen Bauern in Palästina unter die Arme
Ein von der Schweiz unterstütztes Projekt will gegen das schlechte Image palästinensischer Produkte ankämpfen und lokalen Bauern helfen, ihren Anteil am verkauften Obst und Gemüse auf den Märkten zu erhöhen.
Wenn Palästinenser heute vom Einkaufen zurückkehren, ist ihr Korb eher mit israelischen Produkten gefüllt als mit solchen aus lokalem Anbau.
Zwar ist ein Drittel des Westjordanlands Ackerland, doch ein Grossteil des Fleisches, der Gemüse und der frischen Früchte wird importiert, weil die Qualität der lokalen Produkte nicht genügt und viele Erzeugnisse einen schlechten Ruf haben.
Im Dezember wurde in Ramallah das Projekt «In Tajuna» (Unsere Produktion) offiziell eingeweiht. Die Eröffnungsrede hielt der palästinensische Agrarminister Ismail De’aq.
Der Minister skizzierte zwei hauptsächliche Probleme, mit denen der Landwirtschaftssektor derzeit zu kämpfen hat: zu wenig Wasser und ungenügendes Marketing.
Während «In Tajuna» gegen das erste Problem machtlos ist, kann es den Landwirten dabei helfen, den Verkauf ihrer Produkte durch gezielte Werbung und Markenpolitik zu fördern.
Sobald die Produkte verpackt sind, soll ein Qualitätssiegel – ein weisses Dreieck mit rotem Rand – den Konsumenten zeigen, dass diese lokalen Produkte hoher Lebensmittelsicherheit entsprechen und alle Hygienestandards erfüllen.
«Kauft palästinensisch»
In der Pilotphase des Projekts konzentrierten wir uns darauf, palästinensische Konsumgüter im lokalen Markt zu fördern», sagte Giancarlo de Picciotto, Leiter des Jerusalemer Büros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), gegenüber swissinfo.ch.
«Die Botschaft war: ‹Kauft palästinensisch, denn es ist gut für Euch, Eure Gesundheit, die Wirtschaft; und indem Ihr palästinensische Produkte kauft, lässt Ihr die israelischen liegen, die wirklich auf allen Gestellen in Palästina zu finden sind.›.»
Doch das allein genügte nicht, wie de Picciotto erklärte. Denn wenn man die Menschen fragte, warum sie ausländische Produkte bevorzugten, hiess es, deren Qualität sei besser, sie hätten ein Ablaufdatum und man könne die Nährwerte auf der Packung nachlesen. Kurz: Sie entsprachen Standards.
«Daher war die Antwort darauf, Produzenten und Konsumenten zusammenzubringen, um herauszufinden, was palästinensische Konsumenten erwarteten, so dass die Produzenten diesen Anforderungen entgegenkommen konnten. Das ist die Philosophie dieses Projekts», ergänzte er.
Sechs Kooperativen und drei private Bauernbetriebe haben sich an der Zeremonie in Ramallah für das Projekt eingeschrieben. Vor der Zeremonie war swissinfo.ch auf einem der Betriebe zu Besuch.
«Kornkammer»
Der Betrieb liegt im fruchtbaren Landstrich Jiftlik im zentralen Jordantal, nicht weit weg von der biblischen alten Stadt Jericho. Wenn man von Jerusalem her zum Dorf fährt, sieht man den tiefsten Punkt der Erdoberfläche, das Tote Meer, das auch die Grenze zu Jordanien markiert.
Diese Landschaft ist felsig und kahl, Schwefelgase liegen in der Luft. Ein Strassensignal zeigt an, dass man sich auf 300 Meter unter Meereshöhe befindet. Dann steigt die Strasse an, und grüne Felder tauchen auf.
Diese Gegend ist die «Kornkammer» des Westjordanlands, traditionell ein wichtiger Exporteur von Früchten und Gemüse. Während es im Sommer glühend heiss ist, wird primär von September bis Juni angebaut und geerntet.
In diesem Land liegt die Landwirtschafts-Kooperative Jiftlik. Hier kultivieren 200 Bauern eine riesige Fläche Land und produzieren Tomaten, Kürbisse, Gurken, Auberginen und Paprikaschoten in allen möglichen Farben.
Die grössten Probleme für die Bauern sind das oft fehlende Wasser, das ihnen den Anbau von Zitrusfrüchten verunmöglicht, und der willkürliche Zugang zu landwirtschaftlichen Strassen, die nachts oft gesperrt sind.
Dominantes Israel
Der Grossteil der Felder von Jiftlik liegt in der «Zone C», in der die palästinensische Autonomiebehörde zwar die Verantwortung für zivile Aspekte wie Gesundheit oder Bildung trägt, Israel aber den gesamten Sicherheitsbereich und die Verwaltung der Anbaugebiete kontrolliert.
In dieser Gegend gibt es einige israelische Siedlungen – unter internationalem Recht illegal erstellt. Viele der Bauern müssen einer Zweitarbeit nachgehen, weil ihre eigene Produktion zu klein zum Überleben ist.
Eines der Hauptprobleme, um die sich «In Tajuna» kümmern will, ist die Verpackung und das Marketing der landwirtschaftlichen Produkte. Denn wer mit einer palästinensischen Verpackungsfirma zusammenarbeitet, ist nicht länger von den Israelis abhängig.
«Wenn ich Cherry-Tomaten produzierte, musste ich sie den Israeli für vier Schekel pro Kilo verkaufen, auch wenn mich die Produktion eines Kilos sieben Schekel kostete», erklärte ein Bauer.
«Ich beauftragte eine israelische Verpackungsfirma mit dem Abpacken meiner Tomaten, damit ich über israelische Grosshändler Zugang zum israelischen und zum internationalen Markt erhielt.»
Wegen der israelischen Kontrolle der Grenzen haben die Landwirte keine andere Option, als ihre Produkte in Israel zu verkaufen.
Neue Märkte erreichen
Eines der Ziele des von der Schweiz unterstützten Projekts ist, die Produkte der Palästinenser durch besseren Vertrieb auf einen grösseren Markt zu bringen.
«Kooperativen haben nie versucht, ihre Produkte gemeinsam zu vermarkten», sagte Nahed Freij, Projektmanagerin von «Solutions for Development», deren Organisation die Idee für «In Tajuna» hatte. «Daher wird es kosteneffizienter, alle Produkte auf einen Lastwagen zu laden und diese in ein bestimmtes geografisches Gebiet zu bringen.»
Die Projekt-Entwickler glauben, dass sie so zwei Millionen Konsumentinnen und Konsumenten erreichen könnten und dass «In Tajuna» nicht nur den einheimischen Markt für lokale Produkte öffnen würde, sondern auch den Bauern erlauben könnte, ihre Produkte ins Ausland zu exportieren.
Während es für die Produzenten klare Vorteile hat, ist aber eine Teilnahme am Projekt auch mit Risiken verbunden, wie Freij zugibt. «Wir versuchen, den Teilnehmenden, die einen höheren finanziellen Aufwand haben, einen guten Ertrag zu bringen. Sie gehen ein Risiko ein.» Denn ein solches Projekt habe es noch nie zuvor gegeben.
«Erstens ist es neu für sie, ihre Ware zu vermarkten, zweitens, diese selber zu vertreiben und drittens zu versuchen, den Konsumenten zu erklären, wer sie sind.»
Doch sie betont, das Projekt unterstütze die Landwirte in den Bereichen wie Erweiterung der Produktion, Umgang mit Massenmedien und Marketing, mit dem Ziel, treuere Kunden gewinnen zu können.
«Wir haben auch Verpflichtungen von Verkaufsstellen erhalten, dass sie in Zukunft direkt bei den Landwirten einkaufen wollen, statt wie bisher bei einem Zwischenhändler», ergänzte sie.
Die Bauern der Jiftlik-Kooperative jedenfalls sind optimistisch: «Das Projekt ‹In Tajuna› ist positiv, denn es wird unseren Anteil am lokalen Markt vergrössern. Besonders israelische Produkte drängen immer mehr auf unseren Markt, und wenn wir dort nicht konkurrieren können, haben wir ein Problem», betonte ihr Sprecher.
«Wir denken, dies ist ein erster Schritt auf einer Strasse mit Millionen von Schritten. Doch es ist ein erster Schritt.»
Morven McLean, Westjordanland, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
Das Projekt wurde von der Organisation «Solutions for Development» in Ramallah als Pilotprojekt zusammen mit der Deza entwickelt und startete im Januar 2007.
Das Ziel ist, den Anteil kleiner und mittelgrosser palästinensischer Betriebe am lokalen Markt zu erhöhen, besonders in den beiden Bereichen «Früchte/Gemüse» und » Waren mit hoher Umschlags-Geschwindigkeit».
Das eigentliche Projekt mit einem Kapital von 1,8 Mio. US Dollar (davon 1,1 Mio. von der Deza) begann im November 2009 und läuft bis Ende April 2011.
Zu den Promotions-Instrumenten gehören das Qualitätssiegel von «In Tajuna» sowie eine Medien- und Marketing-Kampagne.
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