Der Kiwi, der fast wie Pelé spielte
Er ist der beste Fussballspieler Ozeaniens des letzten Jahrhunderts. Wynton Rufer, Sohn eines Schweizer Auswanderers nach Neuseeland und einer Maori, spielte in den höchsten Ligen der Schweiz und Deutschlands und gewann in seiner Karriere sechs Titel und Pokale. Heute leitet er eine Fussballschule in Auckland. Ein Porträt.
«Wenn du die Liste der besten Fussballspieler Ozeaniens im letzten Jahrhundert anschaust, findest du meinen Namen an der Spitze. Nicht schlecht, oder?», sagt Wynton Rufer am Telefon.
Und er sagt es nicht mit Arroganz, sondern mit dem Bewusstsein derer, die wissen, dass sie ihre Spuren in der Welt des Fussballs hinterlassen haben. Nicht in Neuseeland, wo vor allem die Rugby-Nationalmannschaft All Blacks verehrt wird, sondern in der Schweiz und Deutschland. Dort hat Wynton Rufer die Herzen der Fans des FC Zürich, FC Aarau, der Grasshoppers, von Werder Bremen und Kaiserslautern erobert.
«Ich wollte immer schon professioneller Fussballspieler werden», erinnert sich Wynton. «Als ich neun Jahre alt war, beherrschte ich zahlreiche Dribblings. Meine Vorbilder waren Pelé, Johan Cruyff und der englische Torhüter Gordon Banks.» Aber ist es nicht seltsam, in einem Land, das für Rugby schwärmt, eine Leidenschaft für Fussball zu entwickeln? «Nein, überhaupt nicht», antwortet Rufer. «Meine Gene sind zur Hälfte schweizerisch.»
Wynton Rufer in Zahlen
Geboren in Wellington am 29. Dezember 1962
Im Jahr 1981 unterschrieb er einen Vertrag mit der englischen Mannschaft Norwich City.
1982 spielte er mit Neuseeland in Spanien um den Titel in der Weltmeisterschaft.
1982 bis 1989 spielte er für den FC Zürich, FC Aarau und die Grasshoppers.
Von 1989 bis 1994 trug er das Trikot von Werder Bremen, 1997 jenes des 1. FC Kaiserslautern.
23 Mal steht er für die «All Whites», die neuseeländische Nationalmannschaft, auf dem Spielfeld, und schiesst 12 Tore.
In seiner Karriere gewann er mit den Grasshoppers den Schweizer Cup und mit Werder Bremen zweimal den DFB- Pokal, einmal den Europacup der Pokalsieger, einmal den Meistertitel in der Bundesliga.
Anfänge der Karriere
Wyntons Vater, Arthur Rufer, ist in der Tat Schweizer, aufgewachsen in Schlieren im Kanton Zürich. 1956 reiste Arthur Rufer mit Freunden nach Neuseeland. «Damals brauchte die neuseeländische Regierung Arbeitskräfte, und so erhielten Interessierte ein Schiffsticket für die Anreise und einen Job», sagt Wynton. Arthur landete in Wellington, und was ein Abenteuer sein sollte, war in Wirklichkeit der Beginn eines neuen Lebens auf der anderen Seite der Welt.
In Wellington verliebt sich Arthur Rufer in ein Maori-Mädchen, Anne Hine Campell, die er wenig später heiratete. Das Paar hat drei Kinder: Shane, Donna und Wynton. Alle drei erbten die Leidenschaft ihres Vaters für den Sport. «Meine Schwester war eine ausgezeichnete Squash-Spielerin. Papa, Shane und ich haben im Garten endlos Fussball gespielt», erzählt Wynton lächelnd.
Am Wochenende spielte der Vater im Team des Swiss Club von WellingtonExterner Link. Zuerst folgten ihm seine Söhne vom Spielfeldrand aus, dann, als sie älter waren, spielten auch sie im roten Hemd mit weissem Kreuz der Auslandschweizer.
Mit dreizehn Jahren war Wynton es müde, im Tor zu stehen. Er zog sich das Trikot Nummer 10 über und spielte im Angriff, wie sein Idol Pelé. «Ich habe kein Samba im Blut, aber die Agilität, die Kraft und die Schlauheit der Maori», sagt Wynton. «Ich wurde von den Verteidigern gefürchtet, weil ich sehr gut dribbeln und den Gegner leicht umspielen konnte.»
Sieben Jahre in der Schweiz
Zuerst spielte Wynton in der Mannschaft seiner Schule, dem Rongotai College, dessen gelb-goldene Jacke er bis heute sorgfältig aufbewahrt. Dann spielte er in Wellington Diamond, dem Amateurteam der Hauptstadt. Seine Performance auf dem Spielfeld weckten bald das Interesse der ausländischen Talentsucher.
Zusammen mit seinem Bruder Shane wurde er von der englischen Mannschaft Norwich City zu einem Testspiel eingeladen. Am 23. Oktober 1981, im Alter von 18 Jahren, unterschrieb er seinen ersten Vertrag. Er war der erste «Kiwi», der Profifussballer wurde.
«Leider bekam ich in England keine Arbeitserlaubnis, und so musste ich einige Monate später packen und nach Neuseeland zurückkehren», sagt Wynton. Der talentierte Stürmer spielte daraufhin für die «All Whites», die neuseeländische Nationalmannschaft. 1982 war Neuseeland nur einen Schritt von der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Spanien entfernt.
«In Singapur, in einem historischen WM-Qualifikationsspiel, traten wir gegen China an», erinnert er sich. «Wir gewannen 2-1, und ich schoss das entscheidende Tor. » Neuseeland nahm zum ersten Mal in seiner Geschichte an der Endrunde der Weltmeisterschaft teil. Die Kiwis landeten in Gruppe 6. Gegen Brasilien, Schottland und die Sowjetunion verloren die «All Whites» alle drei Spiele und schieden mit null Punkten aus.
Für die Nummer 7 der Nationalmannschaft war das europäische Abenteuer jedoch noch nicht zu Ende. 1982 unterzeichnete Wynton einen Vertrag mit dem FC Zürich. Es war eine Art Rückkehr zu den Ursprüngen, zum Heimatland seines Vaters. Von 1982 bis 1986 spielte er für den FC Zürich. 1986 wurde er nach Aarau verkauft, damals unter der Leitung von Ottmar Hitzfeld. In der Saison 1988-89 trug er das Grasshoppers-Trikot, mit dem er den Schweizer Cup gewann.
Krönung der Karriere in Deutschland
«In der Schweiz lernte ich Disziplin, im Training hart zu arbeiten, eine Einstellung, die es mir ermöglichte, einen weiteren Qualitätssprung zu machen», sagt Wynton, der neben dem Fussballplatz wegen nächtelanger Discoaufenthalte von sich reden machte. 1989 wechselte er zu Werder Bremen. Um in der Bundesliga zu bestehen, konnte er sich nicht nur auf das Talent verlassen. «Ich hatte das Glück, zwei aussergewöhnliche Trainer zu treffen: Ottmar Hitzfeld und Otto Rehhagel», erklärt er. «Mit ihnen bin ich gereift – nicht nur in Bezug auf Fussball.»
Mit Werder Bremen konnte Wynton eine Reihe von Erfolgen erzielen. Er gewann 1992 den Europapokal der Pokalsieger, 1993 die deutsche Meisterschaft, zweimal den DFB-Pokal (1991 und 1994). «Am 6. Mai 1992 spielten wir in Lissabon gegen Arsène Wengers Monaco. Nach drei Minuten gingen wir in Führung. Gegen Ende des Spiels zog ich aufs gegnerische Tor los, vor mir nur noch der Torhüter, den ich umspielte – wie es einst Pelé gemacht hatte – und kickte den Ball ins Netz», erinnert er sich.
Schweizer in Neuseeland
Laut Bundesamt für Statistik leben rund 7000 Schweizer und Schweizerinnen in Neuseeland (Stand Ende 2018), 1993 waren es erst 4500. In 25 Jahren ist die Zahl der Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen in Neuseeland um 55 Prozent gestiegen. Mehr als 5000 haben sowohl die schweizerische als auch die neuseeländische Staatsbürgerschaft.
In Neuseeland, ohne die Schweiz zu vergessen
Mit 31 Jahren hatte Wynton den Höhepunkt seiner Fussballkarriere überschritten. 1995 wechselte er zu JEF United Ichihara, einer Mannschaft aus der japanischen Erstliga. Dort spielte er zwei Saisons, bevor er dem Ruf seines ehemaligen Trainers Otto Rehhagel zum FC Kaiserslautern folgte. Am Ende der Saison kehrte Wynton 1997 nach Neuseeland zurück, wo er bis ins Alter von vierzig Jahren Fussball spielte.
Heute leitet er seine eigene Fussballschule, die Wynton Rufer Soccer School of Excellence (WYNRSExterner Link), die er 1997 in Auckland gründete. Obwohl Wynton etwa 18’000 Kilometer entfernt lebt, ist er immer noch sehr an der Schweiz interessiert. «Ich spreche immer noch Schweizerdeutsch mit meinem Vater», erklärt er. «Einmal im Jahr besuche ich Verwandte in der Region Zürich.
Er unterhält auch ausgezeichnete Beziehungen zu den Managern der Grasshoppers und des FC Zürich, denen er die jungen Talente seiner Fussballschule anbietet. «Und im Januar, wenn es hier Hochsommer ist, ziehe ich meine Shorts aus, um Handschuhe und einen Hut anzuziehen», lacht Wynton. «Ich gehe nach Arosa, wo ich mit einer Mannschaft aus internationalen Stars an der Schneefussball-WeltmeisterschaftExterner Link teilnehme».
(Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)
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