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Schweizer Pavillon der Renner in Schanghai

Attraktion Sessellift: Stundenlanges Anstehen für vier Minuten Fahrt durch den Schweizer Pavillon. swissinfo.ch

An der Weltausstellung in China gehört der Schweizer Pavillon zu den ganz grossen Attraktionen. Nicht nur in der Publikumsgunst, sondern auch bei den Expo-Organisatoren.

«Genial, ich hoffe, dass man ihn nicht abreisst!», ruft Zhan Jia Long aus. Trotz langer Schlange von über 7500 wartenden Gleichgesinnten vor dem Sessellift und dreistündiger Wartezeit ist der Immobilienhändler nach dem Schweizer Abenteuer verzückt.

Das klassische Transportmittel aus den Schweizer Alpen hatte Zhan Jia Long, dessen Ehefrau Wang Man Hong und Tochter Jenny aufs Dach des Pavillons gebracht, wo sie ein Panorama von Schweizer Berggipfeln bewundern konnten, umgeben von einer saftigen Blumenwiese. Und das inmitten der Hochhäuser der boomenden chinesischen Metropole Schanghai.

Sessellift-Kapazität erhöhen

«Am ersten Tag der Weltausstellung besuchten rund 9000 Personen den Schweizer Pavillon», freut sich Clenia Kanai, Sprecherin des Schweizer Projekts.

Es könnten sogar noch mehr sein: Die Kapazität des Pavillons mit seiner Fläche von 4000 Quadratmetern ist eingeschränkt wegen der Sesselbahn, die nur rund 1000 Besucher pro Stunde befördern kann.

Pavillon-Direktor Manuel Salchli verspricht Abhilfe: «Wir können die Kapazität des Sessellifts erhöhen, er findet bei den Chinesen viel mehr Anklang als erwartet. Unser Ziel ist es, innerhalb der nächsten zwei Wochen diesen enormen Andrang besser zu bewältigen.»

Geduldige Chinesen

In der langen Schlange bleiben alle geduldig. Auch Zhan Jia Long und Wang Man Hong übten sich in Gelassenheit. «Wir waren schon in Europa, und wir hoffen, bald einmal die Schweiz besuchen zu können.» Wang ist Vizedirektorin eines Schanghaier Elektrounternehmens, in dem sie auch Sekretärin der Betriebssektion der Kommunistischen Partei ist.

Vater Zhan sammelt Schweizer Taschenmesser und Kalenderbilder, während es Tochter Jenny die Schokolade angetan hat. Mutter Wang liegt der Schutz der Umwelt am Herzen. «Wir reisten nicht mit dem Auto an, sondern mit dem Bus mit Elektromotor», sagt sie. Am meisten freut sie sich im Pavillon auf die Schweizer Landschaft, «weil sie so ursprünglich sein soll».

Im ewigen Schnee und Eis

Einmal glücklich in der Schweizer Insel drin, kommt die Familie nicht mehr aus dem Staunen heraus: Im IMAX-Kino entführt sie der Film «Die Alpen» auf die ewigen Schneefelder, auf Gletscher aus ewigem Eis und auf die höchsten Gipfel.

Ob der packenden Bilder auf der Riesenleinwand achtet kaum jemand auf Bundesrätin Micheline Calmy-Rey oder den Luftfahrtpionier Bertrand Piccard, die zusammen mit zehn weiteren prominenten oder unbekannten Schweizerinnen und Schweizern die Vision ihrer Schweiz vorstellen – ab TV-Grossbildschirm.

«Die Menschen kann man im Internet finden, nie aber Naturbilder in dieser Qualität», schwärmt die praktisch veranlagte Mutter Wang. Glaubt sie der gezeigten Idylle an Naturschönheiten, so ganz ohne Menschen? «Ja, die Bevölkerungsdichte ist in der Schweiz sehr niedrig.» Ihr Gatte ist da skeptischer. «Man zeigt uns die Berge, weil sie das schönste der Schweiz sind», sagt Vater Zhan.

Hort der Nachhaltigkeit

Nicht dass die Schweizer Bewohner gänzlich fehlen. Schon beim Eingang zum Sessellift begrüssen dreidimensionale Zwillinge die Gäste und präsentieren diesen eine Schweiz, die auch Hort von Hightech ist.

Die grossen Schautafeln kommen bei den technikbegeisterten chinesischen Besuchern gut an. So lernen Zhans die eleganten weissen Riesenpropeller auf den Jurazügen kennen, die nachhaltige Windenergie produzieren. Oder eine Methode zum Rezyklieren von Beton.

Endlich sind die Zhans an der Reihe, die erwartungsfroh im Sessellift Platz nehmen. Als erstes auf der bloss vierminütigen Reise durch die Lüfte trägt sie ihr sechsplätziger Schwebesitz in eine vegetabile Röhre. «Das reine Glück!», ruft Mutter Wang Man Hong aus. Auch Ehemann Zhan Jia Long findet sich urplötzlich im fern geglaubten Traumland wieder. Nur etwas fehlt noch, um sein Glück vollkommen zu machen: «Echter Schnee!»

Infiziert mit Schweiz-Virus

Nach der kurzen Reise durch die wundersame Schweiz im Pavillon-Format sind die drei des Lobes voll. Tochter Jenny will mit ihren Freundinnen wiederkommen, Mutter Wang Man Hong mit Kunden ihrer Firma, während Vater Zhan Jia Long vom Prinzip der Nachhaltigkeit begeistert ist. «Ich denke, dass die in der Schweiz angewandten Methoden für China beispielhaft sein können.»

Er kann es kaum erwarten, zuhause im Internet nachzuschauen, was mit dem Schweizer Pavillon nach Ende der Weltausstellung geplant ist. «Sollte er abgerissen werden, starte ich eine Kampagne zu seiner Erhaltung!», gibt sich Zhan Jia Long kämpferisch.

Opfer für Schweizer Spezialitäten

Klar, dass diese geballte Ladung an positiven Emotionen bei der Familie für Hunger sorgt. In der grossen Publikumszone können die Besucher im Pavillon picknicken, ohne stundenlang anzustehen. Oder ein Nickerchen machen.

Familie Zhan-Wang ist hin- und hergerissen: Einerseits lockt das Restaurant mit feinen Schweizer Spezialitäten, andererseits schreckt sie der Preis von 188 Yuan ab, umgerechnet rund 30 Schweizer Franken, die das günstigste Menü kostet. «Das reisst ein tiefes Loch in unser Portemonnaie», seufzt Mutter Wang. Doch schliesslich siegen die Gelüste über die Vernunft.

Alain Arnaud, swissinfo.ch, Schanghai
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Während der 6-monatigen Dauer der Weltausstellung werden 21 Autos der Marke Smart in den Nationalfarben in der Stadt Schanghai herumkurven.

Sie werden die Gewinnerinnen und Gewinner eines durch Schweiz Tourismus organisierten Wettbewerbs aufsuchen.

Diese erhalten je einen Eintritt und den Transport direkt vor die Tore der Expo.

Der Imax-Film «The Alps», eine Koproduktion von Schweiz Tourismus und dem Schweizer Zement-, Kies- und Beton-Konzern Holcim, wird während 6 Monaten im Museum für Wissenschaft und Technologie von Schanghai aufgeführt.

Gleichzeitig finden Vorführungen in der Mehrheit der grössten chinesischen Städte statt.

Laut Projektleiter Manuel Salchli wird Bundespräsidentin Doris Leuthard am 12. August, dem «Schweizer Nationentag», mit einer «riesigen Delegation aus Wirtschaft und Politik» antreten.

Die Bundesräte Micheline Calmy-Rey (Aussenministerin) und Moritz Leuenberger (Verkehrs- und Kommunikationsminister) werden ebenfalls die Expo besuchen; die eine im Mai, der andere im September.

Weitere verschiedene Besuche von kantonalen und kommunalen Behörden sind geplant.

Auch der Schweizer Tennis-Champion Roger Federer – in China ein absoluter Superstar – soll anlässlich des Turniers von Schanghai im Oktober dem Pavillon die Ehre erweisen.

Möglicherweise wird auch Abenteurer Bertrand Piccard den Pavillon besuchen.

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