Schweizer Presse: «Ein verdienter Weltmeister»
Nach dem WM-Final von Rio de Janeiro sind sich die Zeitungen einig: Deutschland hat sich seinen vierten Weltmeister-Titel redlich verdient. Besonders gelobt wird Trainer Joachim Löw, aber auch das Gastgeberland kommt gut weg. Und der Leistung der Schweiz im Achtelfinal gegen Argentinien wird Respekt gezollt.
«Ein verdienter Weltmeister.» Dieser Satz über Deutschland ist immer wieder zu lesen, wenn man an diesem Morgen nach dem Final der Fussball-WM 2014 in den Zeitungen blättert. Am Sonntagabend hatte der 22-jährige Mario Götze mit seinem Tor in der 113. Minute gegen Argentinien unserem nördlichen Nachbarn den Titel gesichert.
«In Rio de Janeiro ist gestern Historisches passiert. Als erstes europäisches Land gewinnt Deutschland eine Weltmeisterschaft in Lateinamerika», schreibt Der BundExterner Link. «Die Deutschen sind ein verdienter Weltmeister. Keine Mannschaft hat in Brasilien mehr Tore erzielt und spektakulärer gespielt als das Team von Joachim Löw.»
Der 54-Jährige stehe «für mutigen Angriffsfussball, fürs variable und schnelle Umschalten von Offensive auf Defensive, für grosse taktische Flexibilität, für Innovation und Offenheit, wie man sie bei berühmten Trainern längst nicht immer sieht». Der WM-Titel sei die logische Folge der deutschen Konstanz seit 2006.
Der deutsche Nationaltrainer habe aber auch das Glück, über eine Generation von sehr gut ausgebildeten und überdurchschnittlich begabten Fussballern zu verfügen. «Dieser Ansammlung von aussergewöhnlichen Spielern hatten die Argentinier nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen. Lionel Messi, der ihnen vom Talent und Können her als Einziger das Wasser reichen kann, war im Final zu isoliert.»
Und Deutschlands Konkurrenz habe allen Grund, sich zu fürchten, denn mit Ausnahme von Miroslav Klose (36) und dem «polyvalenten Komplettfussballer» Philipp Lahm (30) seien die Titelgewinner alle unter 28. «Ihnen allen bleiben noch etliche Jahre, um an der Weltspitze den Ton anzugeben. Zuzutrauen ist ihnen eine solche Dominanz sehr wohl, handelt es sich doch um wohltuend unaufgeregte Typen, bei denen kaum Gefahr besteht, dass sie schnell den Boden unter den Füssen verlieren.»
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Das teuerste Schweizer Team aller Zeiten
«Sympathisches Deutschland»
Auch für die Basler ZeitungExterner Link steht «aus der sicheren Distanz und durch die Schweizer Brille» fest: «Diesen WM-Titel haben sich die Deutschen redlich verdient.» Auch wenn Deutschland im Spiel gegen Argentinien während einiger Zeit nahe an einer Niederlage gestanden sei, habe das Team von Joachim Löw «den besten Fussball an diesem Turnier» gespielt. «Sie bestachen durch exzellente Physis und ungeheure Willenskraft.»
Deutschlands Weg zum Titel
Vorrunde:
4:0 gegen Portugal
2:2 gegen Ghana
1:0 gegen die USA
Achtelfinal:
2:1 nach Verlängerung gegen Algerien
Viertelfinal:
1:0 gegen Frankreich
Halbfinal:
7:1 gegen Brasilien
Final:
1:0 nach Verlängerung gegen Argentinien
Über diese «ur-deutschen Attribute» habe der Nachbar zwar bereits 1954 bei seinem ersten Titelgewinn in Bern verfügt. Doch «sechzig Jahre später kommt noch ein anderer Faktor dazu, den es hervorzuheben gilt: Die Deutschen sind mittlerweile sympathisch geworden».
Denn heute sei das Bild des arroganten deutschen Fussballers verschwunden. «Wer hat sich schon mal über Philipp Lahm aufgeregt? Oder über Mats Hummels oder Sami Khedira oder Toni Kroos? Das sind glänzende Fussballer, aber keine Maulhelden. Nun ist eine Generation am Werk, die weltmeisterliche Eleganz verkörpert – und Demut und Anstand verbreitet», so die BAZ.
Der Final in Rio de Janeiro sei die Krönung eines packenden Turniers in Brasilien gewesen, «das den Fussball technisch, taktisch und physisch nochmals auf eine neue Stufe hob. Mit einem verdienten Weltmeister».
Dank an die Fussballer
«Während die Fussball-Weltmeisterschaft gestern Abend zu Ende ging, kann einem Grossteil der 736 Fussballern am Turnier gedankt werden», schreibt die Tribune de GenèveExterner Link. «Tatsächlich haben die meisten von ihnen zeigen können, was den ‹Futebol› auf Peles Boden ausmacht, und sie konnten diesen WM-Monat zu einer Ode an das Spiel machen. Ein schönes Spiel!»
Unter dem Titel «Teuer bezahlte Emotionen in Brasilien» geht 24 heuresExterner Link der Frage nach, was von der Fussball-WM 2014 bleiben wird. Für Brasilien sieht die Bilanz trist aus. Trainer Luiz Felipe Scolari habe völlig versagt. «Sein Team hat ohne andere Marschrichtung agiert, als auf den 22-jährigen Neymar zu setzen.» Ohne den Star habe die Mannschaft nur noch verzweifelt agiert.
«Doch hat Brasilien das Turnier zum Erfolg gemacht, trotz dem Versagen seiner Nationalelf? Eine ausgezeichnete Organisation, sehr schöne Stadien und ein begeistertes Publikum verleiten dazu, dies zu bejahen. Doch bald schon wird diese WM ein Monster ohne Seele bleiben. Zum Glück bieten die Stadien noch Platz für Emotionen. Wenn sie auch teuer bezahlt scheinen.»
«Obrigado Brasil por tudo!», schreibt Die SüdostschweizExterner Link. Brasilien habe sich «Lob und Anerkennung verdient. Die Organisatoren für einen perfekt inszenierten Anlass. Die brasilianische Bevölkerung, weil sie den Fussball-Fans aus nah und fern eine gute und herzliche Gastgeberin war».
Die oft negative Berichterstattung über die WM sei «falsch und unverhältnismässig», und «vor allen nicht fair». Was vom Turnier bleibe, seien «positive Erinnerungen an ein friedliches Land und seine tolle und freundliche Bevölkerung».
Die Schweiz an der WM
Vorrunde:
2:1 gegen Ecuador
2:5 gegen Frankreich
3:0 gegen Honduras
Achtelfinal:
0:1 nach Verlängerung gegen Argentinien
Der Sieg Deutschlands über Argentinien habe Brasilien vor der zusätzlichen Schmach bewahrt: «Dem Sieg Argentiniens im Heimgarten», schreibt La RegioneTicinoExterner Link. Und er stehe für eine «schöne, spektakuläre und erfolgreiche Weltmeisterschaft».
Das Schweizer Abenteuer
Und zur Ehre der eine nach der anderen eliminierten Mannschaften erinnert der Kommentator des Corriere del TicinoExterner Link auch an die Enttäuschung der Schweizer Nationalmannschaft: «Die Schweiz hat um ein Haar (und um einen Pfostenschuss) verpasst, eine wunderbare Geschichte zu schreiben.»
Einerseits habe die Schweiz im Achtelfinal gegen Argentinien bewiesen – über einen Zeitraum von 120 Minuten – dass sie gegen «eine absolute Macht des Fussballs» standhalten könne. «Andererseits strich sie auch ihre Limiten heraus, besonders das Fehlen eines Klasse-Mittelstürmers.»
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