Schweizer Segelschiff im Kielwasser Magellans
Die Stiftung Pacifique mit Sitz in Genf geht an Bord der "Ocean Mapping Expedition" (OMEX). Während der vierjährigen Reise soll der Einfluss menschlicher Aktivitäten im Meer gemessen und kartographiert werden.
Jedermann kennt die Abenteuer Fernando Magellans. Im Dienst der spanischen Krone sollte er einen neuen Seeweg nach den begehrten Gewürzinseln – heute als Molukken bekannt – erkunden.
Für den portugiesischen Seefahrer endete das Unterfangen sehr schlecht. Er kam bei einem Gefecht mit Einheimischen auf den Philippinen ums Leben. Doch seine Seefahrt enthüllte eine viel weitere Welt, als man sie damals zu kennen glaubte.
Stiftung Pacifique
Die 2002 in Genf gegründete Stiftung mit ca. 120 Mitgliedern organisiert mit einem Segelschiff wissenschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Expeditionen.
Zu ihren Zielen gehört u.a., sozial gefährdeten Jugendlichen eine Lebenserfahrung auf hohem Meer zu bieten und gleichzeitig sich selbst besser kennenzulernen.
Seit der Inbetriebnahme 2009 haben mehr als 1700 Personen auf der «Fleur de Passion» verschiedene Meere vom Baltikum bis zum roten Meer durchsegelt. Die Vereinigung geniesst die Unterstützung der Stadt Genf.
Dieser Abenteurer- und Entdeckergeist beseelt auch die Besatzung des Segelschiffs der Schweizer Stiftung Pacifique. Am 13. April lichtete die «Fleur de Passion» im Hafen von Sevilla die Anker, um jene Reise nachzuvollziehen, die eine Handvoll Männer vor fünf Jahrhunderten rund um die Welt geführt hatte.
«Die Herausforderung zu Entdeckungen war in allen Epochen der Menschheit gegenwärtig», meint Samuel Gardaz, Vizepräsident der Stiftung. «Auch heute kennen wir noch nicht die ganze Erde. Das Problem der Meeresverschmutzung ist enorm, und das Ausmass und die Auswirkungen müssen noch erforscht werden», fügt Gardaz hinzu. «Mittels der visionären Sicht Magellans wollen wir die Gegenwart befragen und entdecken.»
Während vier Jahren wird der Segler «Fleur de Passion» die wichtigsten Ozeane durchpflügen, um u.a. den Zustand der Meere zu kartographieren und die wissenschaftliche Gemeinschaft und die Öffentlichkeit für Umweltrisiken zu sensibilisieren.
Die Expedition sieht aber auch soziale und kulturelle Projekte vor, die Menschen verschiedener Nationalitäten, Berufe und Bedingungen einbeziehen. «Im Gegensatz zu anderen ist dieses Projekt sehr offen und inklusiv», erläutert der Vizepräsident.
«Fleur de Passion»
Protagonistin des Projekts ist die «Fleur de Passion», ein Kriegskutter mit einer abenteuerlichen Geschichte seit seinem Bau 1941 in Deutschland bis zu seiner vollständigen Reparatur 2009 und die Besitzübernahme durch die Schweizer Stiftung PacifiqueExterner Link.
Während der kommenden vier Jahre wird dieser Segler von 100 Tonnen und 33 Metern Länge für eine Besatzung von 16 Personen das Operationszentrum für alle Projekte dieser ExpeditionExterner Link sein.
«Wir haben geplant, dass eine Besatzung höchstens zwei Monate an Bord sein kann und dann ausgewechselt wird», erläutert Gardaz. Dieselbe Zeitspanne gelte auch für die Jugendlichen, die am Erziehungsprogramm teilnehmen, sowie für die Zeichner des Kulturprojekts.
Wissenschaftliches Programm
In Anspielung auf eines der bekanntesten Werke von Jules Vernes soll das Programm «20’000 Geräusche unter dem Meer»Externer Link die natürlichen und menschengemachten Geräusche im Meer registrieren und so neue Forschungsrichtungen zur Auswertung der Auswirkungen letzterer auf das Leben im Meer eröffnen.
Michel André, Leiter dieses Programms sowie Chef des Labors für bioakustische Anwendungen (LAB)Externer Link des Polytechnikums von Katalonien, betont: «Es ist das erste Mal, dass eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Art durchgeführt wird.»
Die vom LAB geförderte und durchgeführte Initiative ermöglicht laut André «zum ersten Mal in der Geschichte, über eine mobile Plattform zu verfügen, die während vier Jahren ununterbrochen die Geräuschpegel registrieren wird».
Fleur de Passion
Das Schiff, das unter Schweizer Flagge die Welt umsegeln wird, wurde 1941 für die deutsche Marine als Küstenwach-Schiff gebaut und während des Krieges als Minensucher und zur Versorgung von U-Booten genutzt. Nach Kriegsende übernahm es die französische Marine, bis es in den 1970er-Jahren an einen Privatmann verkauft wurde. Dieser baute es zu einem Segler um und gab ihm den Namen «Fleur de Passion».
Während 20 Jahren durchsegelte es im Rahmen sozialpädagogischer und wissenschaftlicher Projekte unzählige Male das Mittelmeer und den Atlantik, bis es 2002 die Genfer Stiftung Pacifique erstand.
Nach einer vollständigen Reparatur 2009 durchsegelte es unter dem Schutz der Unesco im Rahmen des Projekts «The Changing Oceans Expedition» das Mittelmeer, das Baltikum und den Atlantik. Seit 2011 arbeitet die «Fleur de Passion» offiziell mit dem Jugendgericht des Kantons Genf zusammen.
Der Professor fügt hinzu: «Mit dem Projekt beabsichtigen wir auch, den Wissenschaftlern die notwendigen Daten und Werkzeuge für neue Forschungen über den Einfluss menschlicher Aktivitäten im Meer zu vermitteln.»
Und er doppelt nach: «Das Ziel des Projekts ist, Verwaltungen, Privatunternehmen und Aktivisten auf eine Abmachung zu verpflichten, die dem Meer einen Teil des in den vergangenen Jahrzehnten verlorenen Gleichgewichts zurückgibt.»
Das wissenschaftliche Programm soll durch das Projekt «Micromégas»Externer Link ergänzt werden. Periodische Wasserproben werden die Untersuchung der Verschmutzung mit Plastikabfall ermöglichen.
Letztere werden in Zusammenarbeit mit der schweizerischen Vereinigung «Oceaneye»Externer Link und der Eidgenössischen Technischen Hochschule EPFL in Lausanne durchgeführt, wo die Proben analysiert werden. Die Forschungsergebnisse werden an das UNO-Programm für Umweltschutz (UNEP)Externer Link weitergeleitet.
Pascal Hagman, Projektleiter von «Oceaneye», bestätigt, dass «uns die Forschungsergebnisse ermöglichen, neue Studien über die Verschmutzung der drei wichtigsten Ozeane anzupacken, die Verseuchung zu quantifizieren und die tatsächlichen Auswirkungen zu belegen».
Sozialprogramm
«Jugendliche auf dem Meer»Externer Link heisst ein sozialpädagogisches Projekt für sozial gefährdete Jugendliche und junge Erwachsene aus der Schweiz und anderen Ländern. Der Aufenthalt auf dem Segler dauert zwischen einem Tag und zwei Monaten.
Auf hohem Meer teilen sie Zeit und Arbeit mit der übrigen Besatzung, wodurch die soziale Wiedereingliederung gefördert werden soll. «Sie haben die Gelegenheit, das Leben auf dem Meer kennenzulernen, mit anderen Menschen Kontakt zu haben und so sich selber besser kennenzulernen», meint Samuel Gardaz.
Kulturprogramm
«Im Spiegelbild von Magellan»Externer Link schliesslich heisst das Projekt, zu welchem ein Dutzend Zeichner aus der Schweiz und anderen Ländern eingeladen sind. Sie werden sich auf der «Fleur de Passion» ablösen und sollen die Berichterstatter der Expedition sein.
Sie werden so mit dem Reisebericht von Antonio Pigafetta, dem Chronisten Magellans und einem der wenigen Überlebenden seiner Expedition, wetteifern. Wie damals der Italiener, werden sie zu stummen Zeugen der «Ocean Mapping Expedition»Externer Link.
Mit ihren Vignetten und Zeichnungen sollen sie diejenigen Aspekte wiedergeben, die in der Gegenwart und Vergangenheit die Menschen dazu verleiteten, sich auf solche Abenteuer einzulassen: Die Notwendigkeit der Forschung und Entdeckung; der Drang nach Eroberung und Beherrschung; Zugang zu den Naturschätzen der Erde.
Die Reise Fernando Magellans
Dem Portugiesen Fernão de Magalhães (Fernando Magellan) sind zahlreiche historische Studien gewidmet, die ihn als Abenteurer mit starkem Charakter beschreiben. Schon als junger Mann wird er in Dokumenten im Zusammenhang mit Gewürzen erwähnt. In Lissabon studierte er diese exotische Welt, und mit der Zeit reifte in ihm die Idee, auf westlichem Weg zu den Gewürzinseln zu gelangen.
Nach langen und kostspieligen Vorbereitungen brach die Expedition am 10. August 1519 von Sevilla aus auf. Sie bestand anfänglich aus fünf Schiffen: Trinidad, San Antonio, Concepción, Victoria und Santiago mit einer Besatzung von insgesamt 234 Mann.
Die Schiffe fuhren dem amerikanischen Kontinent Richtung Süden entlang, um einen Durchgang zum «Grossen Meer» zu finden. Wegen seinem ruhigen und friedlichen Anblick nannte es Magellan «Pacífico». Magellan gilt als Entdecker der Magellanstrasse, der Meeresverbindung zwischen Atlantik und Pazifik im Süden Südamerikas.
Bei der Ankunft auf den Philippinen sah sich die Besatzung in einen Konflikt zwischen rivalisierenden Stämmen verwickelt. In der Schlacht von Mactán kamen Magellan und weitere Besatzungsmitglieder ums Leben.
Am 6. September 1522, drei Jahre nach der Ankerlichtung und nach einer gefährlichen und mühsamen Reise, die der Venezianer Antonio Pigafetta in seiner Chronik faszinierend schilderte, kamen 18 Besatzungsmitglieder auf der Victoria unter Kapitän Juan Sebastián Elcano in Sevilla an. Etwas später erreichten vier weitere Überlebende der Trinidad Spanien. Sie waren im indischen Ozean von Portugiesen aufgegriffen worden.
(Übertragen aus dem Spanischen: Regula Ochsenbein)
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