Bursche aus Uganda fand Freunde fürs Leben
In den 1960er-Jahren kam der Ugander Aloysius Mubiru für das Tierarztstudium in die Schweiz. Hier fand er Freunde in einer Burschenschaft. Über 40 Jahre später liessen diese nichts unversucht, um den verschollen geglaubten Kollegen in Uganda zu finden.
Man sagt von den Schweizern, sie seien zurückhaltend, doch wenn man einen Schweizer erst mal näher kennenlerne, habe man einen Freund fürs Leben. Dass dies zutreffen könnte, hat eine Zürcher Burschenschaft bewiesen.
Im Jahr 1963 kam Aloysius Mubiru aus Uganda in die Schweiz, um mit einem Stipendium in Zürich Tiermedizin zu studieren. Das Studienfach war vorgegeben, weil Uganda Tierärzte benötigte.
Mubiru fand in Zürich schnell Freunde und trat der Studentenverbindung der GlanzenburgerExterner Link bei. Man traf sich wöchentlich am Stammtisch oder Daheim, trank Bier, sang Studentenlieder und diskutierte.
«Nero» habe sich mit den Trinksitten der Burschenschaft bestens ausgekannt, schreibt ein damaliger Freund in der VereinszeitschriftExterner Link. Mubiru war einer der ersten dunkelhäutigen Burschen in der Schweiz. Es ist in Burschenschaften üblich, einen Übernamen zu bekommen, und Mubiru erhielt den Namen «Nero».
Nach seinem Studium kehrte Mubiru nach Uganda zurück – obwohl seine Zürcher Freunde ihn baten, wegen dem ugandischen Diktator Idi Amin in der Schweiz zu bleiben. Doch Mubiru fühlte sich seinem Heimatland verpflichtet und wollte, dass Uganda von seinem Studium profitiert, wie der heutige Glanzenburger Martin Fussen gegenüber swissinfo.ch erzählt.
Akademische Burschenschaft der Glanzenburger
Die GlanzenburgerExterner Link sind eine farbentragende, nichtschlagende Zürcher Burschenschaft. Sie wurde 1959 gegründet.
2016 geriet die Studentenverbindung wegen der Spendensammelaktion «Saufen für den FriedenExterner Link» in die Schlagzeilen: Die Burschen verpflichteten sich, an einem Abend pro eingegangenen 10 Franken einen Deziliter Bier zu trinken. Dabei kamen 10’000 Franken für das Schweizerische Rote Kreuz zusammen.
Die Burschenschaft bewarb sich 2013 für den Eurovision Song Contest – mit einem Heavy Metal SongExterner Link, in dem die Burschen auf Lateinisch die Misere des Lebens und die Freuden des Stammtisches besangen. Für den Sieg hat es nicht gereicht.
Verschollen in Uganda
Aus Uganda schrieb Mubiru laut Fussen noch einen Brief an seine Zürcher Freunde. Danach hörten die Schweizer nichts mehr von ihm. Sie schickten Briefe, diese kamen mit dem Vermerk «Adresse unbekannt» zurück. Die Freunde in Zürich befürchteten das Schlimmste.
Es war die Zeit der Gewaltherrschaft Idi Amins, unter der laut Schätzungen bis zu 400’000 Menschen umkamen. Fussen erzählt, die Zürcher Burschen hätten sich gesagt: «Jetzt ist genau das passiert, wovor wir ihn gewarnt haben! Nero ist umgebracht worden.» Seither war «Nero» in der Studentenverbindung bloss noch eine traurige Legende, von der die Altherren den jungen Burschen berichteten.
Doch dann kam 2007 der Film «The Last King of Scotland» über die Terrorherrschaft Idi Amins in die Schweizer Kinos. Ein Glanzenburger sah den Film und fand, man müsse versuchen herauszufinden, was mit Mubiru geschehen sei. «Er ging allerdings auch davon aus, dass Mubiru wohl tot sei», sagt Fussen.
Der junge Mann kontaktierte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). «Das IKRK war zwar hilfsbereit, hatte aber keine Akten», erzählt Fussen. «Und die ugandische Botschaft antwortete nicht einmal.»
Erst eine Anzeige in einer ugandischen Tageszeitung brachte 2008 den Durchbruch: Die Tochter von Mubiru meldete sich bei den Schweizern und erzählte, dass ihr Vater am Leben sei, wenn auch nicht bei bester Gesundheit. Und so kam es, dass die Freunde nach über 40 Jahren miteinander telefonierten.
Uganda ist ein Staat in Ostafrika. Amtssprachen sind Englisch und Swahili. Im 19. Jahrhundert wurde Uganda von den Europäern kolonialisiert und missioniert. 1894 wurde Uganda britisches Protektorat. 1962 erreichte das Land die Unabhängigkeit. Doch es folgten Diktaturen von Milton Obote (1966 bis 1971 sowie 1980 bis 1986) und Idi Amin (1971 bis 1979). Seit 1986 wird das Land von Yoweri Kaguta Museveni regiert.
Die bilateralen BeziehungenExterner Link zwischen der Schweiz und Uganda sind nach Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten bescheiden.
Wiedersehen nach 50 Jahren
An der Generalversammlung im Jahr 2014 kam die Frage auf, was man tun werde, wenn Mubiru eines Tages sterben werde. Bei Burschenschaften ist es nämlich Sitte, mit Fahne und Uniform das Grab eines verstorbenen Mitglieds zu besuchen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Den Burschen und Altherren war bewusst, dass es ihnen nicht gelingen würde, innert drei Tagen nach Uganda zu reisen. Die für eine Reise nach Uganda notwendigen Impfungen und das Besorgen des Visums nehmen mindestens einige Wochen in Anspruch.
Und so beschloss man, Mubiru jetzt schon zu besuchen – als Studentenverbindung. Zehn Männer reisten im März 2017 nach Uganda. Einer von ihnen kannte Mubiru noch persönlich und wagte die Reise im Alter von fast 80 Jahren. Als Geschenk brachten die Glanzenburger auf Wunsch von Mubirus Ehefrau unter anderem mehrere Konservendosen mit Sauerkraut mit – etwas, was es in Uganda nicht zu kaufen gibt.
«Nero hat sich sehr über unseren Besuch gefreut», erzählt Fussen. Wegen seiner Gebrechlichkeit und Demenz war zwar ein richtiges Gespräch kaum mehr möglich, aber er erinnerte sich an seine Zeit in der Schweiz und sprach noch einige Brocken Deutsch.
Und wie ist es Mubiru in Uganda ergangen, waren die Ängste seiner Schweizer Freunde wegen Idi Amin unbegründet? «Mubirus Frau hat uns erzählt, dass die Anfangszeit schwierig war. Die Zustände im Land machten ihnen Angst», sagt Fussen. «Dann aber fand Nero eine Anstellung an der Universität, und sie konnten trotz der schwierigen Lage ein relativ ruhiges Leben führen. Mehr haben wir leider nicht erfahren.»
Studentenverbindungen in der Schweiz
Laut Historischem Lexikon der SchweizExterner Link dürfte es hierzulande seit 1819 etwa 950 Studentenverbindungen gegeben haben, davon rund 150 in der französischsprachigen Schweiz. Viele Studentenverbindungen waren an die Konfession gebunden.
«Studentenverbindung» ist ein Oberbegriff für studentische Korporationen, während «Burschenschaft» eine Verbindung bezeichnet, welche die Traditionen der Urburschenschaft aus dem 19. Jahrhundert übernommen hat. Burschenschaften gibt es nur in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Chile.
Traditionellerweise bleibt man ein Leben lang Mitglied in einer Burschenschaft. Nach Abschluss des Studiums und der der aktiven Phase der Studentenverbindung werden die Burschen «Altherren» genannt.
Heute ist die Schweizer Studentenverbindungslandschaft sehr vielfältig und bunt. Da gibt es einerseits noch die klassischen Burschenschaften – einige fechten, andere nicht mehr –, aber auch unpolitische Turnerschaften, Schützengesellschaften, Mädchenverbindungen, Sektionen des Alpenklubs und vieles mehr.
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