Schweizer Tourismusbranche peilt Rekord-Wintersaison an – trotz Energiekrise
Die Schweizer Skigebiete bereiten sich auf ihre stärkste Wintersaison seit der Covid-19-Pandemie vor. Doch wegen der steigenden Strompreise aufgrund des Ukraine-Kriegs müssen Betreiberinnen und Betreiber von Skigebieten nach Möglichkeiten zum Energiesparen suchen.
Dank des Neuschnees im Hochgebirge konnten Anfang November bereits die ersten Skigebiete in den Schweizer Alpen ihre Pisten eröffnen.
Nach zwei Wintern mit Einschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie zeigen sich die Tourismusverantwortlichen für diese Saison vorsichtig optimistisch.
Die Zahl der Hotelübernachtungen dürfte dank der Rückkehr von ausländischen Gästen (+18% im Vergleich zum Vorjahr) um 1% gegenüber dem Stand vor der Pandemie steigen. Das erklärte die Promotionsagentur Schweiz Tourismus Ende November.
Drei Viertel der Betriebe in den Schweizer Alpen erwarten daher, das Umsatzniveau von vor der Krise wieder zu erreichen. Dies ergab eine aktuelle Umfrage des Verbands Hotelleriesuisse.
Trotz dieses neuen Optimismus lösten die steigenden Energiepreise Covid als dunkle Wolke am Horizont ab. «Die grösste Herausforderung sind die Energiepreise, die allen Dienstleistenden, die ohnehin schon mit sehr geringen Margen arbeiten, grosses Kopfzerbrechen bereiten», sagt Véronique Kanel, Sprecherin von Schweiz Tourismus.
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Das Dilemma der Hoteliers
Die überwiegende Mehrheit (70%) der Alpenhotels sind Grossverbraucher von Strom, Gas und Öl. Im Jahr 2021 machten die Energiekosten 3% der Kosten der Hotels aus.
Dieses Jahr sind es 5%. Rund die Hälfte der Umfrageteilnehmenden gibt daher an, dass sie vor ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten stehen.
Für viele Hotelbetreiberinnen und -betreiber sei das ein grosses Dilemma, so Kanel: «Sie müssen entweder ihren Energieverbrauch senken oder die Preise erhöhen.»
Die Umfrage ergab, dass drei Viertel der Hotels die Winterpreise um 5% angehoben haben. Jedes zehnte Hotel plant jedoch, die Preise um mehr als 10% zu erhöhen. Als Hauptgrund werden die gestiegenen Energiepreise genannt, aber auch zusätzliche Personalkosten spielen eine Rolle.
In der Hotellerie herrscht derzeit ein akuter Fachkräftemangel, und der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende führt zu höheren Löhnen. Auch die Lebensmittel sind für die Hotels teurer geworden.
Die Eigentümerinnen und Eigentümer haben auch nach Möglichkeiten gesucht, Energie zu sparen, etwa durch die Installation energieeffizienter Beleuchtung und das Herunterdrehen von Heizkörpern.
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Auch Seilbahnen angespannt
«Die Saison ist gut angelaufen, was den frühen Verkauf von Skipässen und die Gästezahlen in den bereits geöffneten Skigebieten betrifft», sagt Berno Stoffel, Direktor des Verbands Seilbahnen Schweiz.
Doch die steigenden Energiepreise, die im vergangenen Jahr 7 bis 9% des Umsatzes ausmachten, machen den Leitenden von Skianlagen zu schaffen.
Die Antwort, so der Verband, ist eine Reihe von freiwilligen Sparmassnahmen. Sie könnten den Energieverbrauch um etwa 5% senken.
Als wirksamste Ideen genannt wurden die Verlangsamung der Skilifte, die Verkürzung der Betriebszeiten und die Senkung der Heizung in den Seilbahnen und Gebäuden. Davon werden einige in Skigebieten wie Verbier und Saas-Fee bereits umgesetzt.
Der Verband rechnet damit, dass die Preise für die Schweizer Skipässe im Durchschnitt um 3% steigen werden, um dies auszugleichen. «Nur wenige [Skigebiete] erwarten eine Erhöhung von mehr als 5%», so der Verband gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung.
Schneekanonen in der Kritik
Da sich die Schweiz und die Unternehmen auf höhere Stromrechnungen einstellen müssen, ist auch der Einsatz von Schneekanonen ins Rampenlicht der Medien gerückt. Kritikerinnen und Kritiker sagen, dass sie die Umwelt schädigen und Energie verschwenden.
Eine moderne Schneekanone kostet 50’000 Franken. Hinzu kommen die Kosten für die unterirdischen Rohre für Wasser und Luft und andere Infrastrukturen sowie für den Stromverbrauch im Betrieb.
«Ein Kubikmeter Schnee kostet schätzungsweise fünf bis acht Franken», sagt Björn Luginbühl, Leiter Technik der Bergbahnen Adelboden, gegenüber dem Tages-Anzeiger. Die 20’000 Kubikmeter Schnee, die für die Präparierung der berühmten Chuenisbärgli-Piste in Adelboden benötigt werden, kosten beispielsweise über 100’000 Franken.
Insgesamt benötigen die Schweizer Skigebiete – Skilifte, Seilbahnen, Schneekanonen und Gastronomie – nach Angaben von Seilbahnen Schweiz schätzungsweise 183 Gigawattstunden (GWh) Strom pro Jahr. Das entspricht dem Verbrauch von 30’000 bis 40’000 Haushalten.
Berno Stoffel spielt die Auswirkungen des Skisports auf die Gesamtenergierechnung der Schweiz herunter: Seilbahnen, Sessel- und Skilifte würden nur 0,24% des jährlichen Stromverbrauchs in der Schweiz ausmachen, die Beschneiungsanlagen lediglich 0,1%, betont er.
Peter Richner, Energieexperte an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), stimmt dem zu: «Eine Studie hat gezeigt, dass die Beschneiung eines mittelgrossen Skigebiets etwa so viel Strom verbraucht wie ein Hallenbad», sagte er gegenüber Schweizer Radio SRF.
Seilbahnen Schweiz argumentiert, dass es ohne Schneekanonen keine Pisten mehr gäbe. Sie garantierten eine erste Schneedecke vor Weihnachten. Damit würden sie zu den geschätzten fünf Milliarden Franken beitragen, die der Wintertourismus in der Schweiz pro Jahr generiert.
Planung für Notfälle
Die Bundesbehörden nahmen den Wintertourismus unter die Lupe, weil sie sich Gedanken darüber machen, wie sie mit möglichen Stromausfällen umgehen sollen. Ende November legte Wirtschaftsminister Guy Parmelin einen Stufenplan vor, der im Fall einer ernsthaften Stromlücke im Land in Kraft treten würde.
Betreibende von Skigebieten werden kollektiv aufgeatmet haben, als sie erfuhren, dass sie Beschneiungsanlagen und Skilifte nur im Fall eines dramatischen Mangels als letzte Option abschalten müssen – «was um jeden Preis zu vermeiden ist», s der Wirtschaftsminister.
Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
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