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Schweizerin betreibt Ecolodge im bolivianischen Dschungel

Pferde baden in einer Lagune
Pferde baden in einer Lagune in der Nähe von Trinidad in Zentralbolivien. Keystone / Martin Alipaz

Miriam Hinojosa Garnica ist in Zürich aufgewachsen. Von der grössten Stadt der Schweiz ist sie in eine abgelegene Region im bolivianischen Amazonasgebiet ausgewandert, wo sie heute die Ecolodge Chuchini leitet.

2012 kam Miriam Hinojosa Garnica als einfache Touristin auf das Landgut Chuchini in der Nähe von Trinidad in Bolivien, rund 600 Kilometer von der Hauptstadt La Paz entfernt.

Begeistert von dem Ort bat sie darum, eine Zeitlang als Volontärin bleiben zu dürfen. Dabei lernte die heute 41-Jährige den zwei Jahre jüngeren Efrem kennen, den Sohn der Gutsbesitzenden.

Ein Jahr später heirateten die beiden, und 2014 kamen die Zwillinge Yara und Efrem Junior zur Welt. Seit die Kinder da sind, gibt es auf dem Anwesen auch einen Spielplatz und eine Zipline, die über die Lagune führt.

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Hinojosa Garnica wollte sich sofort in diesem Gebiet engagieren. «Mein Vater ist früh gestorben, und ich stand mit 17 Jahren ganz alleine in einem grossen Haus auf dem Land. Also habe ich alles verkauft und bin nach Zürich gezogen.»

Durch den Verkauf des Hauses verfügte die Schweizerin über das nötige Kleingeld, um ihren Schwiegereltern den Park abzukaufen, und das Ehepaar konnte sich zudem ein Haus kaufen.

Wegbereitend für den Schutz der Natur

Efrems Eltern hatten die Chuchini Farm gegründet. Sein Vater, der für eine Baufirma arbeitete, kaufte das Land 1972, um dort Arbeiter unterzubringen. Als die Bauarbeiten 1973 abgeschlossen waren, zog er mit seiner Familie dorthin und dekontaminierte das von Moskitos verseuchte Gelände.

Die Menschen aus der Umgebung begannen, das Gebiet für Spaziergänge zu nutzen, und Efrems Eltern beschlossen, ein Restaurant zu eröffnen. Ab 1979 übernachteten die ersten ausländischen Touristinnen und Touristen auf dem Anwesen.

Schon früh widmeten sich die Gutsbetreibenden der Wiederansiedlung von Wildtieren, die dem Tierhandel zum Opfer gefallen waren. Als der Zoo von Trinidad im Jahr 2000 aufgelöst wurde, entliess er die Tiere über dieses Anwesen wieder in die Wildnis.

Jahrtausende alte Traditionen

Die Lodge wurde auf einem Loma errichtet, einem künstlichen Hügel von etwa zehn Metern Höhe. Diese Erhebungen hatten die Moxos errichtet, ein Volk, von dem nach heutigem Stand der Geschichtsschreibung vermutet wird, dass es vor 10’000 Jahren über die Beringstrasse aus China einwanderte, als diese noch von Eis bedeckt war.

Miriam Hinojosa Garnica
Miriam Hinojosa Garnica auf ihrem Hof. Cecilia Viscarra

Um sich vor den im Amazonasbecken häufig auftretenden Überschwemmungen zu schützen, errichteten sie künstliche Hügel.

Die Moxos sind auch die Erfinder einer der ältesten Formen der Fischzucht der Welt, da diese Hügel, wenn sie miteinander verbunden waren, auch zum Fischfang dienten.

Dem Volk der Moxos ist heute auf dem Landgut Chuchini ein kleines Museum gewidmet. Die meisten Ausstellungsstücke sind Keramiken.

Ein Refugium für die Tierwelt

Chuchini bedeutet auf Mojeño Trinitario, der Sprache der Region, «Höhle des Tigers». Allerdings gibt es in Südamerika keine Tiger, sondern Jaguare. Grund für diese Verwechslung waren die rudimentären zoologischen Kenntnisse der spanischen Kolonialherren im 16. Jahrhundert.

Bis heute ist der Jaguar auf dem 300 Hektar grossen Gelände gut vertreten. Die Art wird als «vom Aussterben bedroht» eingestuft.

«Mit Hilfe von Fotofallen konnten fünf Tiere identifiziert werden. Ihr Revier ist eigentlich viel grösser, aber sie scheinen sich hier sicher zu fühlen. In der Region grassiert die Wilderei. Das Naturschutzgebiet ist deshalb ein Zufluchtsort für diese Katzen», sagt die Zürcherin.

Ein weiteres Raubtier, das in Südamerika heimisch ist, hat sich auf dem Gelände niedergelassen: der Kaiman. «Die angehenden Tierärztinnen und Tierärzte der Universität von Trinidad verbringen in ihrem letzten Studienjahr hier eine Nacht und zählen die Tiere», sagt Hinojosa Garnica.

Zwischen 700 und 850 Tiere leben im Dschungel von Chuchini. Auch fünf schwarze Kaimane, eine seltenere Art, wurden gezählt. Angesichts dieser beeindruckenden Zahl erklärt die Schweizerin, dass ein Kaimanweibchen pro Jahr zwischen dreissig und sechzig Junge zur Welt bringt. Doch nur fünf Prozent erreichen das Erwachsenenalter.

Pferde grasen an einer Lagune
Pferde grasen an der Lagune des Chuchini-Anwesens. Cecilia Viscarra

Ein Stück gepflegter Regenwald

Am Rand des Amazonas-Regenwalds bildet das Chuchini-Reservat ein kleines, aber wirksames Bollwerk gegen den allgemeinen Rückgang des Regenwalds. Mit jeder Regenzeit füllt sich die Lagune.

Damit sie nicht austrocknet, baut das Ehepaar Hinojosa Garnica zu Beginn der Trockenzeit am Ende der Lagune einen Damm aus Holz und Lehm.

«So kann die typische Vegetation des Amazonasgebiets überleben», sagt Efrem Hinojosa Garnica. Ausserdem legt das Ehepaar jedes Jahr kleine künstliche Hügel an, auf denen die Tierwelt während des Hochwassers zur Ruhe kommen kann.

Zu diesen Vorkehrungen, die an die Arbeit der Moxos in früheren Zeiten erinnern, kommt die mühsame Aufgabe der Wasserunkrautbekämpfung hinzu. Dadurch wird der Sauerstoffgehalt des Wassers in der Lagune aufrechterhalten, und die Wasserfauna bleibt vielfältig.

Ausserdem fällt das Ehepaar keine Bäume. «Ob durch den Klimawandel oder die Abholzung der Wälder, die Winde werden von Jahr zu Jahr stärker. Die entwurzelten Bäume nutzen wir für unsere Bauarbeiten», sagt Efrem Hinojosa Garnica.

Moxos-Museum; Skulpturen in Form eines Gesichts
Im Museum des Chuchini-Guts, das den Moxos gewidmet ist, befinden sich zahlreiche Skulpturen in Form von Gesichtern. Cecilia Viscarra

Zürich oder Dschungel?

Nach über zehn Jahren im Dschungel kann sich Miriam Hinojosa Garnica nicht mehr vorstellen, woanders zu leben.

«In der Schweiz hätte ich mir ein solches Anwesen mit Lagune, Pferden und sogar einem Nandu nie leisten können. Ich reise zwar immer noch gerne nach Zürich, aber ich fühle mich dort nicht mehr zu Hause.»

Sie bedauert nur, dass sie so weit von ihrer Mutter entfernt wohnt: «Meine Mutter lebt immer noch in der Schweiz, in der Nähe von Morges [Kanton Waadt]. Ich habe ihr ein paar Mal angeboten, zu mir zu kommen, aber sie liebt das Leben dort zu sehr, vor allem die kulturellen Veranstaltungen», sagt sie.

«Und ausserhalb der grossen Städte in Bolivien gibt es in dieser Hinsicht nicht viel, abgesehen von folkloristischen Festen. Ausserdem fährt sie gerne Fahrrad, was hier umständlich und sogar gefährlich sein kann.»

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Gastgeber/Gastgeberin Emilie Ridard

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Editiert von Emilie Ridard, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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