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Warum in der Schweiz kaum in die Höhe gebaut wird

Aussicht über Basel
Roland Schmid / 13 Photo

In der Schweiz gibt es vergleichsweise wenige Wohnhochhäuser. Erste Versuche in den 1960er- und 1970er-Jahren gerieten schnell in Verruf. Erst seit den 2010er-Jahren entstehen zaghaft neue Hochhäuser.

Ein Blick über Städte und Agglomerationen der Schweiz zeigt: Kaum ein Haus ist höher als vier oder fünf Stockwerke. Dies im Unterschied zu den USA und anderen aussereuropäischen Ländern, wo anfangs des 20. Jahrhunderts ganze Skylines in die Höhe schossen.

«Wir mussten nicht so stark in die Höhe bauen, weil wir stattdessen viel Raum beansprucht hatten,» sagt Martin Vinzens, der oberste Schweizer Raumentwickler. «Die Wertschätzung für die Ressource Boden sowie das Landschaftsbild war damals wenig ausgeprägt.» Vinzens ist der Chef Sektion Siedlung und Landschaft beim Bundesamt für Raumentwicklung.

«Zudem fand man, dass niedrigere Häuser sich bewährten, zum Beispiel um günstiger bauen zu können oder einen guten Zugang zu den Aussenräumen und zum Beaufsichtigen der draussen spielenden Kinder zu haben.» Nicht zuletzt hätten Hochhäuser wegen des Schattenwurfs einen grossen negativen Einfluss auf die Umgebung, weshalb Bauvorhaben von Hochhäusern bei Nachbarquartieren für gewöhnlich auf Widerstand stiessen.

Hochhaus
Der Bel-Air-Turm mit einer Höhe von 68 m in Lausanne gilt als erster Wolkenkratzer der Schweiz. Architekt: Alphonse Laverrière, 1929-1932 Keystone / Luca Zanier

Altstädte sollen nicht verschandelt werden

Auch der Jurist und ausgebildete Raumplaner Sandro LangExterner Link von der Gemeinde Baar im Kanton Zug, der sich in einer MasterarbeitExterner Link dem Thema Hochhaus gewidmet hat, macht historische Gründe, rechtliche Einschränkungen und wirtschaftliche Überlegungen aus: «Die beiden Weltkriege behinderten den Hochhausbau allgemein in Europa, denn der Bau von Hochhäusern ist teuer.»

Im Unterschied zu den USA verfügten zudem die meisten europäischen Städte über mittelalterliche Stadtkerne, was ebenfalls eine Rolle spielte: «Man wollte nicht neben die schönen Altstädte Hochbauten setzen», so Lang.

Erst ab den 1950er-Jahren kamen Hochhäuser in der Schweiz auf. «Als man von den Agglomerationen in die Stadt pendeln konnte, entstanden an den Stadträndern Hochhaussiedlungen und man propagierte das Leben im Grünen», so Lang.

Flugaufnahme zwei Hochäuser
Das Wohnen in einem Hochhaus war eine bis dahin unbekannte Wohnform, die Hochhäuser im Heiligfeld waren die ersten ihrer Art in Zürich. Architekt: Albert Heinrich Steiner, 1950 – 1952 Werner Friedli / Eth-Bibliothek

Schweizer Aversionen gegen Hochhäuser

Laut Lang haben Städteplaner und Immobilieninvestoren lange an Traditionen festgehalten und Hochhäuser nicht als geeignete Wohnform angesehen. «Schweizer sind eher Einfamilienhaus-Menschen. Die Akzeptanz war deshalb nicht da.»

Auch Vinzens bestätigt, dass es in der Schweiz eine gewisse Aversion gegen Hochhäuser gab. «Man fand Hochhäuser hässlich, anonym und beengend. Manche Beispiele aus der Anfangszeit waren wohl auch nicht so gelungen. Und da sagten die Leute: So was wollen wir bei uns nicht haben.»

Mit der Anfangszeit sind die 1960er- und 1970er-Jahre gemeint, in denen auch in der Schweiz einige Wohnhochhäuser entstanden, zum Beispiel das Tscharnergut in Bern-Bethlehem, die Hardau-Hochhäuser in Zürich oder die Cité du Lignon in Vernier, einem Vorort von Genf.

Hochhäuser
Die Wohn-Überbauung Hardau umfasst insgesamt vier Hochäuser mit einer Maximalhöhe von 95,4 Metern. Sie prägen bis heute die Skyline der Stadt Zürich. Architekt: Max P. Kollbrunner, 1976–1978 Keystone / Steffen Schmidt
Grsskomlex
Die Überbauung «Le Lignon» bei Genf ist mit über einem Kilometer Länge das längste Gebäude der Schweiz. Ursprünglich für 10’000 Bewohner der Mittelschicht konzipiert, beherbergt es heute um 5700 Mieter. Architekt: Georges Addor, 1962 – 1971 Keystone / Martial Trezzini
Hochhaus Siedlung
Die Grosswohnsiedlung «Telli» in Aarau besteht aus vier lang gestreckten Blöcken und werden auch «Staumauern» genannt. 2500 Menschen leben in den bis zu 50 Meter hohen Überbauung. Architekt: Hans Marti, 1971 – 1991 Markus Bertschi / 13 Photo

Zunächst galten diese Hochhäuser als modern, doch dann gerieten sie in Verruf: Während Hochhauswohnungen in manchen anderen Ländern prestigeträchtig und teuer sind, galten sie in der Schweiz als triste Wohnungen für geringverdienende Leute. Ähnlich den Plattenbauten in Deutschland.

«Man sah Hochhäuser als etwas an, wo man viele Leute unterbringen kann, als etwas Billiges», sagt Vinzens. «Obwohl man weiss, dass Wohnhochhäuser nicht so kostengünstig sind.» Es wohnte laut Vinzens denn auch zu Beginn eine städtische Mittelschicht in den Wohnungen. Das habe sich erst später geändert.

Eine Kultur wie in den USA, wo die Reichen sich eine teure Wohnung in Hochhäusern kaufen, hat es laut Vinzens in der Schweiz früher nicht gegeben. «Die Reichen sagten sich wohl: Ich habe genug Geld, ich kann mir auch eine Villa mit Garten rundherum kaufen und dann habe ich meine Ruhe», so Vinzens.

Der Boden wird knapp – Hochhäuser als Verdichtungstool?

Doch inzwischen wird auch in der Schweiz der Boden knapp. Seit einer Gesetzesrevision im Jahr 2014 werden kaum noch neue Bauzonen geschaffen. Es muss daher verdichtet werden.

Warum also nicht in die Höhe bauen? Tatsächlich werden seit den 2010er-Jahren in den städtischen Zentren der Schweiz wieder vermehrt Hochhäuser gebaut. Seien es Bürotürme oder luxuriöse Wohnbauten.

Grafik
Kai Reusser / swissinfo.ch
zwei Hochhäuser im Abendlicht
Die weithin sichtbaren Wohntürme, HochZwei, sind das neue Symbol der Luzerner Allmend und mit 77 beziehungsweise 88 Metern Höhe die derzeit höchsten Gebäude in der Innerschweiz. Architekten: Marques AG und Iwan Bühler GmbH, 2009 -2012 Herbert Zimmermann / 13 Photo
Hochhaus
Der Jabee Tower steht im Kanton Zürich und ist zur Zeit das höchste Wohngebäude der Schweiz (100m). Architekt: Mike Sattler, 2016 – 2019 Albinfo
Hochhaus
Das Meret Oppenheim Hochhaus in Basel ist ein 81 Meter hoch und bietet 150 Wohnungen. Architekten: Herzog & de Meuron, 2016 – 2019 © Keystone / Georgios Kefalas

«Wenn wir auf dem gleichen Raum mehr Dichte hinbekommen wollen und dann auch noch etwas Grünfläche rundherum wünschen, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als in die Höhe zu gehen», sagt Vinzens. Von amerikanischen Verhältnissen sei die Schweiz aber noch weit entfernt.

Lang kam in seiner Masterarbeit sogar zum Schluss, Hochhäuser eigneten sich in der Schweiz nur bedingt als Verdichtungs-Tool. Erstens bestehe nach wie vor Skepsis in der Bevölkerung. «Zweitens muss man um die Hochhäuser herum oftmals grüne Umgebungen schaffen, wodurch der Verdichtungseffekt eines Hochhauses häufig zunichte gemacht wird.» Schlussendlich sei es an den meisten Orten noch immer rentabler, in die Horizontale zu bauen.

Es gibt keine verbindliche Definition eines Hochhauses. Die meisten kantonalen BauordnungenExterner Link und auch die Schweizerischen BrandschutznormenExterner Link verstehen darunter ein Gebäude mit einer Höhe von mehr als 30 MeternExterner Link.


Serie Raumplanung

In einer Serie gehen wir aktuellen raumplanerischen Fragen in der Schweiz nach, hier die anderen Beiträge: 

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