So schlecht steht es in der Schweiz um die Chancengleichheit
Wer in der Schweiz aus einem armen und bildungsfernen Elternhaus mit Migrationshintergrund stammt, hat schlechte Karten. Nur wenigen gelingt der Aufstieg. Der soziale Status wird in der Schweiz gewissermassen vererbt.
Serie: Soziale Ungleichheit in der Schweiz
In einem einführenden Text zu dieser Serie haben wir gesehen, dass soziale Ungleichheit in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern weniger stark ausgeprägt ist.
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Ist die Schweiz das Utopia des gerecht verteilten Reichtums?
Aber wenn man die Chancengleichheit anschaut, also die Aufstiegschancen der Armen oder die «unfaire UngleichheitExterner Link«, sieht es deutlich düsterer aus: In einem Ranking der europäischen Staaten liegt die Schweiz nur auf Platz zehn – nach Malta, Tschechien, Deutschland, Belgien, Island, Frankreich, Norwegen, Finnland und der Niederlande.
Die Schweiz hat im Vergleich zu anderen Ländern eine tiefe BildungsmobilitätExterner Link. Das heisst: Nur wenigeExterner Link, die aus einem Elternhaus mit geringer Bildung kommen, schaffen einen Hochschulabschluss.
«Akademikerkinder haben eindeutig höhere Bildungschancen als Arbeiterkinder», sagt Robert FluderExterner Link, Professor an der Fachhochschule Bern. «Armut und Reichtum werden in der Schweiz vererbt, und das verstösst gegen das liberale Gedankengut.»
Migrantenkinder haben schlechte Karten
Das Schweizer Bildungssystem ist sozial ungerechtExterner Link, wie ein Expertenbericht des Schweizerischen WissenschaftsratsExterner Link zeigt. Wer aus einer sozial benachteiligten Schicht stammt oder Migrationshintergrund hat, dessen Aufstiegschancen sind geringExterner Link.
«Die Schweiz hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein Bildungssystem, das durch ein hohes Ausmass an Chancenungleichheit geprägt ist», heisst es im Bericht. Und weiter: «Die soziale Ungleichheit von Bildungschancen geht in der Schweiz einher mit einer geschlossenen Sozialstruktur und Ungleichheit von Erwerbs- und Lebenschancen.»
Chancengleichheit ist wichtiger als wirtschaftliche Gleichheit
Für die Debatte über soziale Ungleichheit ist dieser Befund relevant, denn: «Wenn Chancengleichheit besteht, wird soziale Ungleichheit eher akzeptiert», sagt Fluder.
Auch Wirtschaftsprofessor Reto FöllmiExterner Link von der Universität St. Gallen sagt: «Wenn die soziale Mobilität intakt ist, kann man Ungleichheit viel besser aushalten. Wenn es hingegen keine Mobilität gibt, man also qua Geburt oder Ausbildung auf einer Schiene festsitzt, dann gibt es grössere Spannungen in einer Gesellschaft.»
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