Öffentlicher Rundfunk im internationalen Vergleich
Die Schweiz debattiert über die Rolle des öffentlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter, und sie ist nicht die einzige: In vielen Ländern ist der mediale Service Public ein Reizthema. Wir werfen einen Blick auf den öffentlichen Rundfunk in Ländern, wo Journalisten und Journalistinnen von swissinfo.ch gelebt und gearbeitet haben.
SCHWEIZ
Öffentliche Medien: Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) betreibt 17 Radiosender und sieben Fernsehstationen in den vier Landessprachen. SWI swissinfo.ch – ehemals Schweizer Radio International – ist der internationale Dienst der SRG in zehn Sprachen.
Geschichte: Die SRG wurde im Jahr 1931 gegründet, um die verschiedenen regionalen Radiostationen unter einem Dach zu vereinen. Was in der französischsprachigen Schweiz begann, umfasste bald auch deutsch- und italienischsprachige Medien. Angebote auf Rätoromanisch kamen 1938 dazu, als Rätoromanisch als vierte Landessprache anerkannt wurde.
Finanzierung: Die umgangssprachlich «Billag» genannte Radio- und Fernsehgebühr beträgt rund 450 Franken pro Jahr und Haushalt. Im Jahr 2015 stimmte die Stimmbevölkerung einem Vorschlag knapp zu, wonach alle die Gebühr bezahlen müssen, unabhängig vom tatsächlichen Zugang zu Fernsehen und Radio.
Kürzlich haben beide Parlamentskammern über die Rolle der gebührenfinanzierten Medien debattiert. Eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern hat eine Initiative zur Abschaffung der Rundfunkgebühr lanciert, über die vermutlich im Juni 2018 abgestimmt wird.
______
USA
Öffentliche Medien: Die Hörfunk- und Fernsehsender von National Public Radio (NPR) respektive Public Broadcasting Service (PBS).
Geschichte: Man sagt, der öffentliche Rundfunk sei in den USA 1910 entstanden, als zum ersten Mal eine Vorstellung der Metropolitan Opera in New York auf Radiostationen im ganzen Land übertragen worden sei. Das heutige Modell des amerikanischen öffentlichen Rundfunks wurde 1967 durch die Public Broadcasting ActExterner Link unter Präsident Lyndon B. Johnson etabliert.
Finanzierung: Die Steuer beträgt 0.012% des Bundesbudgets oder $4 (4 Franken) pro Person und Jahr. Die Corporation for Public Broadcasting (CPB), eine vom Kongress gegründete Non-Profit-Organisation, verteilt die Steuergelder an andere öffentliche Medien. Die meisten öffentlichen Radio- und Fernsehstationen bekommen allerdings nur 10% ihres Budgets von CPB, der Rest stammt aus Unternehmensspenden, Subventionen und direkten Beiträgen von Zuschauern und Zuhörern.
NPR und PBS wurden in einer Studie des Pew Research CenterExterner Link im Jahr 2014 als die vertrauenswürdigsten News-Quellen genannt. Der neue US-Präsident Donald Trump plant in seinem Budgetvorschlag von 2017 die Streichung öffentlicher Gelder für die CPB.
______
GROSSBRITANNIEN
Öffentliche Medien: British Broadcasting Corporation (BBC) mit zehn Radio- und neun Fernsehsendern sowie dem BBC World Service in 32 Sprachen.
Geschichte: BBC Radio wurde 1922 von einer Gruppe Radiohersteller gegründet. 1927 folgte die offizielle Gründung der British Broadcasting Corporation. Die BBC ist der weltweit älteste nationale Rundfunk.
Finanzierung: Die meisten Einwohner müssen eine Konzessionsgebühr in der Höhe von 40p pro Tag und Haushalt bezahlen beziehungsweise £147 (181 Franken) pro Jahr. Die Gebühr wird als Steuer angesehen und das Hinterziehen ist eine Straftat. Rabatte gibt es bei Schwarz-Weiss-Fernsehgeräten und für sehbehinderte Personen. Haushalte, in denen eine Person im Alter von mindestens 75 Jahren lebt, sind von der Gebühr befreit. 2016 betrugen sowohl Einkünfte als auch Betriebskosten der BBC etwa 4.7 Milliarden Pfund.
Gemäss Financial Times konsumiert eine durchschnittliche Person in Grossbritannien während 18 Stunden pro Woche Inhalte der BBC. Die Gebühr zur Finanzierung der BBC kam dennoch schon häufig unter Beschuss, zuletzt aus politisch konservativen Kreisen und von privaten Medienunternehmen, die das Angebot der BBC kritisieren.
______
SPANIEN
Öffentliche Medien: Die spanische Rundfunkanstalt RTVE betreibt das Televisión Española (TVE), das Radio Nacional de España (RNE) sowie regionale Fernsehsender und die Nachrichtenagentur EFE.
Geschichte: RTVE wurde 1956 gegründet.
Finanzierung: Direkt vom Staat via Steuern.
RTVE hat in Spanien einen guten Ruf und die Einwohner schätzen die Sender als unabhängig ein. Allerdings gab es in den letzten Jahren zunehmend Beschwerden von Journalisten und Bürgern bezüglich der Einmischung der Regierung bei heiklen politischen Themen.
______
CHINA
Öffentliche Medien: Das chinesische Staatsfernsehen CCTV bietet 22 Gratissender über Themen wie Finanzen, Kunst, Unterhaltung, Sport, Filme, Wissenschaft und Bildung sowie 19 Bezahlsender über Sport, Musik und Gesundheitsthemen.
Geschichte: Gegründet im Jahr 1958, seit 2004 mit Bezahlangeboten.
Finanzierung: Ursprünglich wurde CCTV komplett staatlich finanziert. Inzwischen verdient es einen bedeutenden Teil des Budgets via Werbung und erhält weiterhin einen kleinen Teil staatlicher Subventionen. Die meisten chinesischen Haushalte bezahlen 18 RMB (2.6 Franken) pro Monat für den Zugang zu digitalem Fernsehen. Die Leute nehmen dies aber nicht als Steuer wahr.
CCTV hat starke Bindungen zur chinesischen Regierung, und alle Gratissender beginnen das Tagesprogramm mit der Nationalhymne.
______
TUNESIEN
Öffentliche Medien: Tageszeitung «La Presse», zwei Fernsehstationen, neun Radiosender und eine Presseagentur.
Geschichte: Die Radiosender wurden in den 1940er-Jahren von Frankreich gegründet, das Tunesien kolonialisiert hatte. Nachdem Tunesien 1956 die Unabhängigkeit erreichte, folgten weitere Radiosender, darunter ein internationaler Radiodienst in Französisch, Italienisch und Englisch.
Finanzierung: Das öffentliche Medienangebot wird überwiegend staatlich finanziert, die Werbung macht nicht mehr als 20% des Budgets aus. Ein kleiner Teil wird von einer Steuer gedeckt, die auf dem Gas- und Elektrizitätsverbrauch erhoben wird.
Bis zur Revolution im Jahr 2011 wurden die öffentlichen Medien klar als Sprachrohr der Regierung wahrgenommen. Inzwischen haben die Medien versucht, sich von der Regierung zu distanzieren, allerdings mit mässigem Erfolg.
______
BRASILIEN
Öffentliche Medien: Der öffentliche Rundfunk Empresa Brasil de Comunicação (EBC).
Geschichte: EBC entstand aus Radiobrás, einem 1975 gegründeten öffentlichen Radiosender.
Finanzierung: 83% des Budgets von EBC in der Höhe von 538 Millionen brasilianische Real (171 Millionen Franken) kommen direkt aus dem Staatshaushalt, 17% aus eigenen Produktionen.
EBC wird von einem unabhängigen Gremium geleitet, hat aber enge Beziehungen zum Staat. Die Mitglieder des Gremiums wechseln je nach Regierung. Die Bevölkerung nimmt EBC als staatliches Medium wahr. In Brasilien sind die privaten Medien viel stärker und einflussreicher als die öffentlichen Medien. Nur 0,14% der Bevölkerung schauen regelmässig TV Brasil, der Fernsehsender von EBC.
______
RUSSLAND
Öffentliche Medien: Es gibt keine Rundfunkgebühr. Die Tageszeitung «Rossijskaja gaseta» und der Auslandsfernsehsender «Russia Today» sind direkt staatlich finanziert.
Geschichte: In der Sowjetunion waren alle Medien staatlich. Nach dem Ende der Sowjetunion 1991 entstanden starke private Medien. Allerdings wird deren redaktionelle Tätigkeit stark von der staatlichen Medienabteilung kontrolliert: Die Publikation einer Geschichte kann jederzeit durch einen «Anruf von oben» gestoppt werden.
______
JAPAN
Öffentliche Medien: Japans öffentlicher Rundfunk NHK, der auch den internationalen Dienst «NHK World» in 18 Sprachen betreibt.
Geschichte: Der Radiodienst von Tokio wurde 1925 gegründet, Fernsehsender folgten 1950.
Finanzierung: Die Einwohner bezahlen eine Rundfunkgebühr, die für Satelliten-TV teurer ist. Das Budget wird von einem von der Regierung ernannten Komitee genehmigt. Das ist einer der Gründe, warum NHK als Staatsmedium wahrgenommen wird, obwohl es bloss öffentlich finanziert wird.
(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch