Späte Rückführung chilenischer Ureinwohner
Die Skelette von fünf Feuerland-Indianern aus einem Zürcher Museum sind vergangene Woche in ihr Heimatland gebracht worden. Die Seenomaden des Kawésqar-Volkes waren vor 129 Jahren verschleppt und in Europa auf Völkerschauen vorgeführt worden.
Als der Filmmacher Hans Mülchi und der Historiker Christian Baéz 2008 den Dokumentarfilm «Kalafaterer, menschliche Tiergärten» drehten, entdeckten sie die fünf Skelette an der Anthropologischen Fakultät der Universität Zürich.
Es sei überraschend, dass sie in der riesigen Sammlung von Skeletten der Fakultät überhaupt entdeckt wurden, sagt Anthropologieprofessor Walter Fuchs von der Universität Zürich.
Viele der aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammenden Skelette seien namenlos. «Doch jene der Kawésqar konnten eindeutig identifiziert werden, da sie mit ihrem Namen und Herkunftsort etikettiert waren.»
Eine grausame Reise
Im August 1881 waren elf Kawésqar-Indianer vom deutschen Geschäftsmann Carl Hagenbeck auf Feuerland unweit der Meeresstrasse von Magallan gefangen genommen und nach Europa gebracht worden.
Im Jardin d´Acclimatation in Paris wurden «Henry, Lise, Grethe, Piskouna und Kapitän», wie sie Hagenbeck taufte, als Kuriositäten zur Schau gestellt, später auch im Zoologischen Garten in Berlin, danach in Leipzig, München, Stuttgart, Nürnberg. Die grausame Reise endete in Zürich.
Tod in Zürich
Professor Fuchs bestätigt gegenüber swissinfo.ch, dass diese amerikanischen Ureinwohner nach Frankreich, Deutschland und auch in die Schweiz gelangten, um an makabren Spektakeln, sogenannten «Menschlichen Tiergärten», zur Schau gestellt zu werden.
«Diese Vorstellungen zeigten Ureinwohner aus Afrika und Patagonien, wie wenn sie Tiere wären. So kamen die Kawésqar 1882 nach Zürich, erkrankten aber hier. Trotz ärztlicher Betreuung starben fünf an Lungenentzündung und Masern. Ihre sterblichen Überreste wurden an der Anthropologischen Fakultät aufbewahrt und von Wissenschaftlern untersucht.»
Offizielle Feierlichkeiten
Am letzten Dienstag wurden die repatriierten Skelette der fünf Ureinwohner in Chile von Staatspräsidentin Michelle Bachelet mit militärischen Ehren empfangen.
Bachelet entschuldigte sich im Namen der Nation für das Schicksal der Kawésqar. Das sei ein Akt der Wiedergutmachung für die Behandlung, die den indigenen Völkern widerfahren sei.
Traditionelles Begräbnis
Am Mittwoch wurden die Repatriierten auf der Insel Karukinká begraben.»Wir haben diese Insel ausgewählt, weil sie dem Verschleppungsort am nächsten liegt,» sagte Celina Llanllán, Mitglied der Gemeinschaft der Kawésqar gegenüber einer chilenischen Tageszeitung.
Wie es die Bräuche dieses Volkes fordern, wurden die sterblichen Überreste mit Öl einbalsamiert, in Häute von Seelöwen gepackt und in Binsenkörben in einer Höhle begraben.
Ivan Turmo, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Spanischen: Regula Ochsenbein)
Die Kawésqar oder Alacalufen sind ein See-Nomadenvolk, das in Kanus die Kanäle chilenisch Patagoniens zwischen dem Golf von Penas und der Meeresstrasse von Magallan befuhr.
Sie fuhren auch auf den Kanälen zwischen den westlich von Feuerland und im Süden der Meeresstrasse gelegenen Inseln.
Ihre Sprache ist das Kawésqar, wie sie sich auch selbst nennen.
«Kawésqar» bedeutet Person oder Mensch.
Die Bezeichnung «Alacalufen» hatte wahrscheinlich ursprünglich eine abschätzige Bedeutung und wird von ihnen nicht benützt.
Zusätzlich zur Gruppe der Kawésqar wurden Ende des 19.Jh. zwei weitere Gruppen von Ureinwohnern gegen ihren Willen aus Feuerland nach Europa eingeschifft: Selknam und Tehuelches und eine Gruppe von Mapuches.
Die chilenische Regierung ist bemüht, auch deren sterbliche Überreste zu repatriieren
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