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Wie radikal sind Schweizer Burschen?

Bundespräsident Fritz Honegger (rechts) prostet 1982 am Zentralfest des Zofingervereins Bundesrat Pierre Aubert zu.
Studentenverbindung als Karrieresprungbrett: Bundespräsident Fritz Honegger (rechts) prostet 1982 am Zentralfest des Zofingervereins Bundesrat Pierre Aubert zu. Keystone

Studentenverbindungen in Deutschland und Österreich gelten häufig als rechtsradikal. Nicht so in der Schweiz. Trotz gemeinsamer Wurzeln haben sich Studentenverbindungen hier anders fortentwickelt als in den Nachbarländern.

«Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt», singen Burschen am Eisenacher Burschentag die zeitweise verbotene erste Strophe der deutschen Nationalhymne. Und ein Deutscher mit chinesischen Wurzeln ist der «Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks» in Bonn nicht «deutsch genug»: Sie stellt 2012 den Antrag, dass «Deutschstämmigkeit» Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung sei. Noch ein Beispiel: Die Wiener Olympia wurde wegen ihrer Verwicklung in den Rechts-Terrorismus in Südtirol ab 1961 für einige Jahre aufgelöst.

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Wegen angeblicher Verstrickungen mit der rechtsradikalen Szene geraten deutsche und österreichische Burschenschaften immer wieder in die Schlagzeilen. Warum fehlen entsprechende Berichte aus der Schweiz?

Sind auch Schweizer Burschenschaften von der Neonazi-Szene unterwandert und Medien sowie Behörden schweigen dazu? Roland BeckExterner Link, promovierter Historiker und Mitglied der Studentenverbindung HelvetiaExterner Link, winkt ab. Er kenne zwar nicht alle Schweizer Verbindungen bis ins letzte Detail, aber im Allgemeinen hätten Burschenschaften in der Schweiz einen «bürgerlichen Charakter»; die Helvetia und Zofingia beispielsweise seien klassische Kaderschmieden der freisinnig-liberalen Partei. «Eine neonazistische Gesinnung wäre in der Schweiz hingegen karrierehinderlich», meint Beck.

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Die Sarinia, Hüterin der Tradition in Freiburg

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Freundschaft, Wissenschaft und Tugend: das sind die Grundfesten des Schweizerischen Studentenvereins, symbolisiert durch die drei Farben bordeaux, weiss und grün. Er zählt rund 70 Verbindungen an Universitäten, Fachhochschulen und Gymnasien. Hochburg mit 11 Verbindungen ist Freiburg. Eine von ihnen ist die Sarinia. 1895 gegründet, ging sie aus der Spaltung der ursprünglichen Verbindung Romania in eine…

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Schweiz ist keine Nation

Der Hauptunterschied zwischen der Schweiz und Deutschland sowie Österreich liegt laut Beck im Umstand, dass die Schweiz keine Nation ist, sondern eine Föderation mit unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Religionen. In der «Willensnation Schweiz» sei alles ein Mix, man kontrolliere sich gegenseitig und finde zu einer mittleren Linie. «Deshalb wird bei uns der Nationalismus oder gar der Rechtsextremismus früher oder später immer auf Ablehnung stossen, spätestens bei einer Volksabstimmung.»

Zudem hätten Schweizer Studentenverbindungen sich anders fortentwickelt. «In der Schweiz schöpfen die Studentenverbindungen ihren Geist aus der republikanischen und radikal-demokratischen Bewegung des frühen 19. Jahrhunderts. In Deutschland und Österreich spielen in der Gründungszeit zwar ähnliche Motive eine Rolle, doch seit 1871 und der Reichsgründung übernimmt in Deutschland das Gedankengut der national gesinnten Reichsbürger mehr und mehr überhand.» Ähnlich dominiere in Österreich gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer stärker der Kaiserkult und die Orientierung an grossbürgerlichen und aristokratischen Idealen.

Im Nationalsozialismus verboten

Die Entstehung der Schweizer Studentenverbindungen ist allerdings eng mit Deutschland verbunden: Weil das Universitätsangebot in der Schweiz bescheiden war, gingen im frühen 19. Jahrhundert viele Schweizer nach Deutschland studieren. Nach Gründung der Universitäten Zürich und Bern kamen einige wieder zurück. Sie brachten die deutschen Bräuche der Studentenverbindungen wie Fechten, Couleur tragen sowie die Fest- und Liederkultur mit in die Heimat.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg kam in den schweizerischen Studentenverbindungen eine Bewegung auf, die eine Abkehr vom NationalitätsprinzipExterner Link forderte. Während des Zweiten Weltkriegs zeigten sich Schweizer Studentenverbindungen resistent gegen die nationalsozialistische Gefahr. Kein Wunder: Im Nationalsozialismus waren Studentenverbindungen verboten. Geduldet wurden nur Organisationen, die sich ganz dem nationalsozialistischen Regime unterwarfen.  

Umso erstaunlicher ist es, dass später deutsche und österreichische Burschenschaften der Neonaziszene nahestehen sollen. Beck erklärt: «Meines Erachtens orientieren sich sowohl die deutschen wie die österreichischen Studentenverbindungen eher an den politischen Verhältnissen vor den beiden Weltkriegen.» Mit anderen Worten: Sie sind möglicherweise im Geiste Bismarcks nationalistisch, völkisch und monarchistisch – sympathisieren aber nicht mit Hitler und dem Dritten Reich. In der mehrsprachigen und direktdemokratischen Schweiz hingegen ist auch eine völkische oder monarchistische Ausrichtung undenkbar.

Studentenverbindungen in der Schweiz

Laut Historischem Lexikon der SchweizExterner Link dürfte es hierzulande seit 1819 etwa 950 Studentenverbindungen gegeben haben, davon rund 150 in der französischsprachigen Schweiz. Viele Studentenverbindungen waren an die Konfession gebunden. Es gab auch einige jüdische Studentenverbindungen. Manche Verbindungen – wie die Helvetia beispielsweise – sind föderalistisch organisiert, nach Vorbild des politischen Systems der Schweiz. So gibt es keinen starken Zentralpräsidenten.

«Studentenverbindung» ist ein Oberbegriff für studentische Korporationen, während «Burschenschaft» eine Verbindung bezeichnet, welche die Traditionen der Urburschenschaft aus dem 19. Jahrhundert übernommen hat. Burschenschaften gibt es nur in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Chile.

Heute ist die Schweizer Studentenverbindungslandschaft sehr vielfältig und bunt. Da gibt es einerseits noch die klassischen Burschenschaften – einige fechten, andere nicht mehr –, aber auch unpolitische Turnerschaften, Schützengesellschaften, Mädchenverbindungen, Sektionen des Alpenklubs und vieles mehr. Eine Zürcher Burschenschaft bewarb sich 2013 für den Eurovision Song Contest – mit einem Heavy Metal Song, in dem die Burschen auf Lateinisch die Misere des Lebens und die Freuden des Stammtisches besangen (siehe Video unten). Für den Sieg hat es dann allerdings nicht gereicht.

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