Kann der Verfassungsausschuss die Türen zum Frieden in Syrien öffnen?
Diplomaten und Vertreter der Konfliktparteien treffen sich am Mittwoch in Genf zur ersten Sitzung des Verfassungsausschusses Syriens, um einen politischen Weg für das vom Krieg erschütterte Land aufzuzeigen. Hier ist ein kurzer Leitfaden zu den Gesprächen.
Welche Bedeutung hat dieses Syrien-Treffen?
Nach vielen gescheiterten Friedensgesprächen in den letzten acht Jahren richten sich alle Augen wieder auf Genf. Ein von Russland im vergangenen Jahr einberufener Kongress beauftragte den UNO-Sonderbeauftragten, Geir PedersenExterner Link, mit der Bildung eines Ausschusses zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung.
Im vergangenen Monat kündigte die UNO eine Vereinbarung Externer Linkzwischen der Regierung Syriens und der Opposition über die Bildung des 150-köpfigen Ausschusses an. Laut UNO handelt es sich um «die erste konkrete politische Einigung» der Konfliktparteien. Demnach soll mit der Umsetzung des von den Schlüsselstaaten angenommenen Friedensplans von 2012 begonnen werden, der in der Resolution 2254 Externer Linkdes UNO-Sicherheitsrates von 2015 genehmigt wurde. In Genf geht es um die nächsten Schritte.
Wer nimmt teil?
Mehr
In Genf bereden Zivilisten aus Syrien die Zukunft ihres Landes
Der 150-köpfige Ausschuss in Genf besteht aus je 50 Personen, die von der syrischen Regierung, der Opposition und der UNO aus der Zivilgesellschaft ausgewählt wurden (Frauen sind mit 30% vertreten).
Jede Gruppe benennt 15 Personen, die Verfassungsvorschläge vorbereiten und entwerfen, die dem Ausschuss zur Annahme vorgelegt werden – idealerweise im Konsens oder mit einer Mehrheit von mindestens 75%.
Es dauerte fast zwei Jahre, bis eine Einigung über die Teilnehmerschaft zustande kam. Die UNO-Liste stiess lange Zeit auf Einwände – vor allem seitens der syrischen Regierung – bezüglich der Namen und des Umfangs der Arbeiten. In jeder Delegation befinden sich Kurden, aber die syrischen demokratischen Kräfte (SDF) oder YPG-Milizen sind nicht vertreten.
Pedersen überwacht den Prozess, unterstützt von zwei Ko-Vorsitzenden: Ahmad Kuzbari für die syrische Regierung und Hadi Al-Bahra für die Opposition. Der UNO-Sonderbeauftragte ist bereits der vierte, der das Amt innehat. Seine drei Vorgänger – unter ihnen der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan – traten nach erfolglosen jahrelangen Friedens-Vermittlungsversuchen zurück.
Wie gross sind die Erfolgsaussichten?
Pedersen glaubt, dass der Ausschuss die Funktion des «Türöffners» haben könnte, um einen umfassenderen politischen Prozess, Reformen und schliesslich Neuwahlen zugunsten einer Vereinigung Syriens anzustossen.
Er betont, dass es sich um einen von Syrien geleiteten Prozess handle. Dieser werde durch die UNO ermöglicht. Die Weltmächte Russland und USA sowie die EU und Staaten wie die Türkei, Iran und Saudi-Arabien, die Gesandte entsandt haben, unterstützten den Prozess, seien aber nicht beteiligt.
Der Ausschuss wird «für einige Tage» in Genf debattieren, aber es ist unklar, wie lange die Redaktionsgruppe noch weiterarbeiten wird.
«Ich bin optimistisch, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft spürbare Fortschritte in den Diskussionen feststellen werden», sagte Pedersen am Montag vor Journalisten.
Aber der Ausschuss allein könne den Konflikt nicht lösen. Pedersen fordert «greifbare Fortschritte in Genf» und «sinnvolle Fortschritte vor Ort». Dazu könnten frühzeitige, vertrauensbildende Massnahmen wie die Freilassung von Frauen und Kindern gehören, die von den Konfliktparteien festgehalten würden.
Aber seitdem die Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al- Assad militärisch klar Oberhand hat, kann sie Zugeständnisse verzögern. Syrische Offizielle liessen durchblicken, dass Assad bei den nächsten Wahlen wieder kandidieren könnte.
Wie ist die Situation in Syrien?
Seit März 2011 sind Hunderttausende von Menschen im syrischen Konflikt umgekommen. Rund die Hälfte der 22 Millionen Einwohner Syriens wurden vom Krieg vertrieben, viele davon ins Ausland. Grosse Teile des Landes liegen in Trümmern.
Nach erfolgreichen militärischen Operationen zur Rückeroberung der von Rebellen besetzten Gebieten – das Regime wurde dabei von Russland und von iranischen Milizen unterstützt – kontrolliert Assad nun angeblich rund 60% des Landes. Der Nordwesten Syriens, einschliesslich der Region Idlib, ist der letzte grosse Landesteil, der sich noch in Rebellenhand befindet.
Schweizer Unterstützung
Wie in früheren Friedensgesprächen hat die Schweiz die Arbeit des Komitees und die Suche nach einer friedlichen Lösung des Konflikts unterstützt.
Die Schweiz hat in Genf auch eine Plattform, den Support-Raum der Zivilgesellschaft, eingerichtet, die es den mehr als 400 syrischen Organisationen und Einzelpersonen ermöglicht, sich am Friedensprozess zu beteiligen.
Seit 2011 hat die Schweiz Syrien über 430 Millionen Franken an humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt.
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch