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Tauchen für saubere Schweizer Gewässer

Auch nachts sind die Schweizer Umwelt- und Abfalltaucher unterwegs für sauberere Gewässer, wie hier im Zugersee. Suat.ch

Sie wollen die Seen und Flüsse der Schweiz von Abfällen säubern, die dort von Menschenhand entsorgt wurden. Eine Handvoll aktiver Taucher hat dazu im letzten Sommer den Verein Schweizer Umwelt- und Abfalltaucher gegründet: ein Generationenprojekt.

Velos, Auto- und Traktorpneus, Motorräder, Ofenrohre, Kühlschränke, Gartenbänke, Munition, Ölfässer, Farbkübel, zahlreiche Glas- und PET-Flaschen, Büchsen: So sieht in etwa die «Beute» aus, die von den 17 Schweizer Umwelt- und Abfalltauchern (Suat) seit dem kurzen Bestehen ihres Vereins aus Seen und Flüssen gefischt wurde.

«Ich bin schockiert über die Verantwortungslosigkeit einiger Leute gegenüber der Natur», sagt Suat-Präsident und -Vereinsgründer Thomas Niederer gegenüber swissinfo.ch. «Das macht mich sehr nachdenklich.»

Vom Hobby zum Umweltprojekt

Der 45-Jährige, von Beruf Lüftungsanlagen-Spezialist, ist erst 2008 unter die Taucher gegangen, nach einem Schnupperkurs in Griechenland. Für Niederer, der sich derzeit zum Tauchlehrer ausbilden lässt, ist heute das Tauchen mehr als ein Hobby – es ist zu einem Umweltprojekt geworden.

«Ursprünglich habe ich zu tauchen begonnen, um mich zu entspannen, zu erholen. Mit der Feststellung, was sich alles unter Wasser befindet, war das mit dem Entspannen für mich nicht mehr möglich», erklärt Niederer.

Das Tauchen sei für ihn wie eine Berufung: «Ich kann die Augen nicht verschliessen vor dem Abfall, dem Zivilisationsmüll, den man unter Wasser antrifft. Ich kann auch nicht einfach daran vorbei tauchen.»

Keine Illusion

Obwohl es in der Schweiz 1500 Seen gibt, ist es für Thomas Niederer keine Illusion, diese mit nicht einmal 20 freiwilligen Tauchern nachhaltig zu säubern. Denn man stehe ja erst am Anfang.

«Wenn sich das so weiter entwickelt und andere Taucher, die ebenso umweltbewusst sind und denen unsere Gewässer auch am Herzen liegen, sich inspirieren lassen und bei uns mitmachen, dann werden wir in kurzer Zeit 50, 100, in ein paar Jahren vielleicht 250, 500 Mitglieder haben. Und dann werden wir in der Lage sein, sehr effizient viel zu bewältigen.»

Für 200 Jahre Arbeit

Laut dem Suat-Präsidenten hat allein der Vierwaldstättersee 170 Kilometer Uferlinie. Es bräuchte 1200 Tauchgänge, um den See rundherum abzudecken. 300 bis 400 Seen in der Schweiz seien gut betauchbar, sagt er. Selbst wenn die Suat-Taucher jeden Tag unter Wasser wären, hätten sie für 200 Jahre Arbeit.

Niederer spricht von einem Generationenprojekt. «Ich habe einen 20-jährigen Sohn, der mit mir zu tauchen angefangen hat. Er hat noch 50 Jahre Zeit zu tauchen und kann das problemlos weiterführen. Ihm werden weitere folgen – hoffentlich.»

Zusammenarbeit mit Kantonen…

Mittlerweile bestehe zu einigen Kantonen ein sehr enger Kontakt, sagt Niederer. «Unsere Arbeit machen wir ja freiwillig und kostenlos. Aber den Müll, den wir herausholen, möchten wir nicht auf unsere Kosten entsorgen müssen. Da brauchen wir die Mithilfe und Unterstützung der Behörden.»

Nach vielen Gesprächen mit verschiedenen Ämtern ist Niederer positiv überrascht, wie unkompliziert und wohlwollend die Behörden mitmachen.

…und Privaten

In den vergangenen Wochen führten die Suat-Taucher mit dem Hotel Palace und dem Schiffsrestaurant Wilhelm Tell am Luzerner Seebecken des Vierwaldstättersees ein erfolgreiches Projekt durch: Sie befreiten die Uferzone zwischen den beiden Punkten von allerlei Müll, der sich im Laufe der Zeit auf dem Seegrund angesammelt hatte.

«Toll für uns war, dass sich sogar der Luzerner Tourismusdirektor Marcel Perren unsere Putzaktion und den dabei zusammengekommenen Abfallhaufen ansah», erzählt Niederer stolz.

Freiwillig und gratis

Alle Suat-Mitglieder sind berufstätig. «Aber weil uns das Projekt so wichtig ist, treffen wir uns während der Woche ein- bis zweimal am Abend nach der Arbeit bis spät in die Nacht hinein und an den Wochenenden. Dann gehen wir auf die Suche nach den Abfällen.»

Die Suat-Taucher verrichten ihre Umweltarbeit nicht nur freiwillig, sondern auch gratis. Doch Taucheranzüge, Ausrüstung sowie Instrumente und Geräte zur Verrichtung der Säuberungsaktionen kosten viel.

«Bis jetzt finanzieren wir das über unsere Mitgliederbeiträge und Zuschüsse einzelner Mitglieder. Auch für die Sicherheit, die zuoberst steht, müssen wir einiges bezahlen. Wir wollten mit unserem Projekt aber nicht zuwarten, bis vielleicht einige Sponsoren oder Gönner mitmachen, dafür ist es uns zu wichtig», betont Niederer.

Natürlich sei man auch auf der Suche nach Sponsoren. «Es würde uns natürlich sehr helfen, wenn sich auch Kantone und Gemeinden oder Private finanziell beteiligen würden», so der Suat-Präsident.

«Man kann uns auch engagieren für Reinigungsarbeiten, Kontrolltauchgänge oder zum Suchen und Bergen von Gegenständen. Wir sind in der Lage, Taucharbeiten bis in eine Tiefe von 100 Metern zu machen.»

Kein Ökofundi

Thomas Niederer wurde auch schon das Etiket «hoffnungsloser Idealist» oder gar «Ökofundamentalist» verpasst. Darauf reagiert er gelassen: «Nein, das bin ich überhaupt nicht. Das Tauchen hat einfach meine Einstellung zur Umwelt enorm verändert. Vor dem Tauchen war ich auch einer derjenigen, die zu wenig Rücksicht auf die Umwelt genommen haben. Mit dem Tauchen hat sich das schlagartig verändert.»

Den Leuten sollte eigentlich bewusst sein, dass die Unterwasserwelt die Grundlage unseres Lebens sei, so der Suat-Präsident. «Und wenn man die einmal so kennengelernt hat, dann verändert sich zwangsläufig die Einstellung dazu.»

Chemikalien, Biozide und Medikamente, die in Flüsse und Seen sowie in das Grundwasser gelangen, haben negative Auswirkungen auf Mensch, Tier und Pflanzen.

Die Fischbestände – ein wichtiger Indikator für den Zustand der Gewässer – haben in den letzten Jahrzehnten in vielen Gewässern abgenommen.

Welche Folgen Mikro-Verunreinigungen oder deren Umwandlungsprodukte für die Wasserlebewesen haben, ist noch unklar.

Gelangen schädliche Substanzen ins Grundwasser, kann dies die Trinkwasser-Qualität und im schlimmsten Fall die menschliche Gesundheit betreffen.

Ist die Grundwasser-Qualität beeinträchtigt, können hohe Kosten für die Trinkwasser-Aufbereitung oder die Suche nach Ersatzwasser die Folge sein.

(Quelle: BAFU)

Geb. 17.06.1965 in Stein-Säckingen, Kanton Aargau, Vater von 2 Kindern.

1972-1976: Primarschule.

1976-1979: Realschule.

Beruf: Lüftungsanlagenbauer.

Erster Tauchgang: Ferien 2008 Griechenland.

Per Dato: Divemaster in Ausbildung.

300 Tauchgänge in Schweizer Seen.

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