Tierfreunde mobilisieren gegen Verzehr von Haustieren
In der Schweiz ist es nicht verboten, Hunde und Katzen zu essen – zum Entsetzen vieler Tierfreunde. Die Tradition ist jedoch nicht weit verbreitet, und ob es ein Verbot oder gesetzliche Vorgaben zu den Tötungsmethoden braucht, ist umstritten.
Die Debatte schwelt seit Jahren. Von Zeit zu Zeit wird sie durch einen Medienbericht neu angefacht, wie jüngst mit einem Artikel im Zürcher Tages-Anzeiger. Die Zeitung zitierte Leute, die – unter Zusicherung der Anonymität – erklärten, ab und zu Fleisch von Hunden oder Katzen zu essen.
Es sei nichts Aussergewöhnliches. «Fleisch ist Fleisch», erklärte ein Landwirt aus dem St. Galler Rheintal in dem Artikel. Und ein Bauer aus dem Appenzellischen schilderte, wie er einen Hund erschiesse oder mit einem Knüppel totschlage. Ein Kollege, ein Metzger, häute und zerlege das Tier und räuchere das Fleisch.
«Serviere ich Mostbröckli [normalerweise aus Rindfleisch], merkt niemand, dass es Hundefleisch ist», sagte er gegenüber dem Tages-Anzeiger. Andere Leute verwiesen darauf, die Zeiten hätten sich geändert, heute sei es offenbar verpönt, Hunde und Katzen zu essen.
Es ist nicht möglich, festzustellen, wie viele Menschen in der Schweiz das tun. Doch wenn das Thema im Gespräch aufkommt, scheint immer jemand eine Anekdote zur Hand zu haben.
2005 verabschiedete das Schweizer Parlament das Gesetz zum Schutz der «Würde und des Wohlergehens des Tieres». Es beinhaltet eine Reihe von Richtlinien, darunter:
– Tiertransporte dürfen nicht länger als sechs Stunden dauern
– Ferkel dürfen nicht ohne Betäubung kastriert werden
– Säugetiere dürfen nur geschlachtet werden, wenn sie zuvor betäubt worden sind
– Rituelles Schlachten ist verboten, der Import von Koscher- und Halal-Fleisch ist jedoch erlaubt
– Die Einfuhr von Hunde- und Katzenfellen und daraus hergestellten Produkten ist verboten
– Tierversuche dürfen nur mit Bewilligung durchgeführt werden, Forscher müssen die Notwendigkeit für Tierversuche begründen
– Das Misshandeln und Vernachlässigen von Tieren ist strafbar, mit Gefängnis oder Busse
Katzen-Eintopf im Anzeiger
Wie die Geschichte vom Knecht, dessen Bauernfamilie Hundefleisch im Kamin räucherte. Oder das Katzen-Eintopf-Rezept, das im Mitteilungsblatt einer kleinen Stadt veröffentlicht wurde. Oder der Hund, der nach seinem Tod von der Familie gegessen wurde, der er gehört hatte.
Er habe gehört, dass man in der Ostschweiz Hunde- und Katzenfleisch esse. «Aber soviel ich weiss, nur sehr, sehr selten. 99,5% der Schweizer wären dagegen», glaubt Dennis Turner, ein Ethologe und Tierpsychiater in Zürich.
«Da es nicht sehr oft passiert, brauchen wir meiner Ansicht nach kein Gesetz, das den Verzehr von Hunden und Katzen verbietet», erklärt Turner im Gespräch mit swissinfo.ch.
Vermisste Haustiere – im Kochtopf gelandet?
Martina Karl, Präsidentin des Schweizer Tierschutzvereins Mensch-Tier-Spirits-Helvetia, ist anderer Meinung als Turner. Sie sagt, in der Schweiz ässen etwa 3% der Leute Hunde und Katzen. Ihre Organisation hat eine Petition für ein Verbot des Verzehrs von Hunden und Katzen lanciert.
«Hunde und Katzen sind Haustiere, sie sollen nicht für den Verzehr getötet werden dürfen. Es sollte gesetzlich verboten werden, dass man diese Tiere züchtet oder einfängt, um sie zu essen», sagt Karl gegenüber swissinfo.ch. Seit dem 2. Januar hat ihre Organisation für die Petition mehr als 2000 Unterschriften gesammelt.
Bereits 1993 hatte eine andere Tierschutzvereinigung für eine ähnliche Petition 6000 Unterschriften gesammelt und in Bern eingereicht. Das Parlament war aber der Ansicht, es sei nicht nötig, die Essgewohnheiten der Leute mit Gesetzen zu steuern. Verboten ist in der Schweiz der Verkauf von Hunde- oder Katzenfleisch, zum Beispiel über einen Metzger oder ein Restaurant.
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Wo liegt Ihr Problem, Fleischesser?
Besondere Sorge macht Karl das Verschwinden von Katzen. Nach Angaben der Schweizerischen Tiermeldezentrale verschwinden pro Jahr 10’000 bis 20’000 Haustiere; 80% davon Katzen.
Dennoch bezweifelt Hans-Ulrich Huber, Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes, der grössten Tierschutz-Organisation des Landes, dass viele der vermissten Katzen in einem Kochtopf landen.
«Wahrscheinlich essen so zwischen 100 bis 200 Leute in der Schweiz von Zeit zu Zeit Hunde- oder Katzenfleisch», erklärt gegenüber swissinfo.ch. Die von Martina Karl genannte Zahl von 3% sei viel zu hoch, sagt er. Und weil die Verbreitung so gering sei, sehe er keinen Grund für ein totales Verbot, wohl aber Raum für Verbesserungen, sagt Huber.
«Es ist sehr unbefriedigend, dass es keine gesetzlichen Vorschriften gibt über die Tötungsmethoden. Es braucht zumindest ein Gesetz, das regelt, wie die Tiere getötet werden dürfen», meint er. So wie das für Schweine, Vieh und Geflügel der Fall sei.
Abgesehen davon sei der Appetit auf Gerichte mit Hund oder Katze fragwürdig, wie klein er auch sei. «Es gibt so viel Fleisch in der Schweiz. Wir brauchen nicht auch noch Hunde und Katzen», unterstreicht Huber.
Zur Anzahl der Haustiere in der Schweiz gibt es keine präzisen Angaben.
Schätzungsweise gibt es aber etwa 1,35 Millionen Katzen und 500’000 Hunde sowie 4,5 Millionen Fische.
2011 nahmen Schweizer Tierheime etwa 23’400 unerwünschte Tiere auf – darunter 13’000 Katzen und 4000 Hunde. Im gleichen Zeitraum wurden 16’000 obdachlose Tiere adoptiert.
Haustiere oder Fleisch?
Dennis Turner hat eine detaillierte Studie über kulturelle Unterschiede im Verhältnis der Menschen Tieren gegenüber verfasst, die 12 Länder (inklusive die Schweiz und China) sowie fünf Religionen abdeckte.
«Die grosse Mehrheit der Erwachsenen in all den untersuchten Ländern war gegen das Essen von Hunden und Katzen», sagt Turner. «Ich denke, der Hauptgrund für diese Ablehnung ist, dass die Menschen persönliche Beziehungen zu Hunden und Katzen haben. Und wenn es eine persönliche Beziehung gibt, ist man gegen den Konsum des Fleisches der betroffenen Tierart.»
Turner sagt, in China gebe es immer mehr Leute mit Heimtieren, und dies ziehe auch einen Wandel im Verhältnis der Menschen zu Tieren nach sich. Turner verweist auch darauf, dass Europäer Kaninchen- und Kalbfleisch essen, was in anderen Teilen der Welt Stirnrunzeln auslösen könne.
Und während Steaks aus Pferdefleisch in der Schweiz regelmässig auf Menus auftauchen, ist die britische Supermarktkette Tesco derzeit unter Beschuss, nachdem in ihren Burgern Pferdefleisch gefunden wurde.
Turner selbst hätte mit dem Verzehr von Hunde- oder Katzenfleisch ein moralisches Problem: «An Orten, wo die Mehrheit der Leute Hunde oder Katzen als Haustiere halten, denke ich, dass es moralisch falsch ist.» Aber: «Ich denke, wir sollten Menschen aus anderen Kulturkreisen wie zum Beispiel Korea oder China nicht kritisieren, die andere Standards und Einstellungen haben könnten zu diesen Tieren als wir», sagt Turner.
Auf die Frage, ob sich Schweine und Hühner mit Hunden und Katzen vergleichen liessen, sagt Turner: «Sie sind nicht verschieden, aber die meisten Leute hier haben zu solchen Tieren keine persönliche Beziehung. Ein Bauer könnte eine persönliche Beziehung haben, aber es ist auch eher selten, dass er die Tiere selber schlachtet.»
Martina Karl, die schon lange Vegetarierin ist, macht einen Unterschied zwischen Haustieren und Zuchtvieh. «Haustiere sind Mitglieder der Familie, im Unterschied zu Kühen liegen sie auf Sofas und Betten herum», sagt sie. Sie mahnt Fleischesser aber auch, dass sie sich kritischer damit befassen sollten, wo ihr Filet herkomme, wie das Tier gelebt habe und wie es getötet worden sei.
Turner findet, grundsätzlich habe sich die Beziehung zwischen Mensch und Tier im Verlauf des letzten Jahrhunderts verbessert: «Es gibt mehr Respekt vor den Tieren, auch wenn wir sie verzehren. Die Idee des humanen Schlachtens ist aufgekommen und wird in immer mehr Ländern mit Gesetzen durchgesetzt», erklärt Turner.
Und er betont, die Schweiz gehöre zu den Ländern mit den weltweit fortschrittlichsten Gesetzen, was Tierhaltung und Tierschutz angehe. Trotzdem bleibe noch viel zu tun, räumt er ein.
Nach Angaben von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, lag der Pro-Kopf-Konsum von Fleisch in der Schweiz 2011 bei 53,74 Kilo, 3,3% mehr als 2010. Am höchsten war der Konsum 1987, mit 71 Kilo Fleisch pro Person.
Am beliebtesten war Schweinefleisch, mit einem durchschnittlichen Konsum von fast 25 Kilo pro Jahr. Geflügel und Rind waren fast gleich populär, mit 11,43 respektive 11,29 Kilo pro Jahr.
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
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