Schweizer Männer bleiben Zahlväter
Seit einem Jahr gilt in der Schweiz ein modernes Gesetz für getrennte Eltern, das theoretisch ein gleichberechtigtes Familienmodell ermöglicht. Doch laut Väterverband halten Richter an der traditionellen Rollenverteilung fest und degradieren Männer zu Zahlvätern.
Seit dem 1. Januar 2017Externer Link prüfen Schweizer Behörden auf Verlangen eines Elternteils bei jeder Trennung oder Scheidung die alternierende Obhut. Das bedeutet, dass Kinder abwechslungsweise bei Vater und Mutter wohnen. Entsprechend geringer fallen dann auch die Unterhaltsbeiträge an die Mütter aus. Dieses Modell ermöglicht eine gleichberechtigte Aufteilung von Familie und Beruf für Frau und Mann.
Soweit die Theorie. In der Praxis wird nach der Trennung jedoch meist ein traditionelles Familienmodell gelebt. Das heisst: Die Kinder wohnen hauptsächlich bei der Mutter, und der Vater bezahlt für Unterhalt und Betreuung.
Unterhalt nach einer Trennung
In der Schweiz bezahlt nach einer Scheidung der besserverdienende Ehepartner dem anderen einen Unterhalt, wenn dieser nicht selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann.
Weil in der Schweiz meist die Frauen für die Kinderbetreuung und Haushaltsführung ihr Arbeitspensum reduzieren oder ganz aufgeben, bezahlt nach einer Scheidung meist der Mann der Ex-Frau einen Unterhalt – zusätzlich zu den Alimenten für die Kinder.
Seit 2017 erhalten auch Unverheiratete nach einer Trennung (nebst Kinderalimenten) einen «Betreuungsunterhalt» – also Geld dafür, dass sie ihr Arbeitspensum reduzieren und sich der Betreuung des Kindes widmen. Die Idee hinter dieser Regelung ist die Gleichstellung von unehelichen Kindern mit ehelichen.
Väter erhalten bloss ein Besuchsrecht
Schuld daran sind unter anderem die Richter. Das sagt zumindest männer.chExterner Link, der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Der Verband hat seit Inkrafttreten des Gesetzes über 30 Fälle ausgewertet. Offizielle Statistiken gibt es noch keine.
Nicolas Zogg, politischer Leiter von männer.ch, erzählt swissinfo.ch von Fällen, in denen der Vater vor der Trennung 50 oder 70 Prozent gearbeitet und die Kinder mitbetreut hat. Nach der Trennung bekam der Vater jeweils bloss noch ein Besuchsrecht und musste wieder Vollzeit arbeiten. «Väter haben im Streitfall kaum Chancen, eine faire Obhuts- und Unterhaltsregelung zu bekommen», sagt Zogg. Sie würden zu Bezahlvätern degradiert und müssten teils absurd hohe Unterhaltszahlungen leisten.
Hausmänner sind eine Rarität
Der Verband greift daher zu ungewöhnlichen Mitteln: Mit einer ResolutionExterner Link sowie einer Petition richtet er sich direkt an Richter und Richterinnen und fordert sie zu einer fortschrittlicheren Rechtsprechung auf.
Aber sind wirklich nur die Richter so konservativ? Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass Schweizer Familien generell sehr traditionellExterner Link sind. In rund der Hälfte der Familien arbeitet der Vater Vollzeit und die Mutter Teilzeit. In 23 Prozent bleibt die Mutter ganz daheim. In nur gerade mal 2,4 Prozent der Familien ist die Mutter alleine Vollzeit tätig. In wie vielen Fällen der Vater ganz zu Hause bei den Kindern bleibt, wird in der Statistik nicht separat ausgewiesen. Es dürften verschwindend wenige sein.
Obhut und elterliche Sorge – was ist was?
Kurz gesagt bedeutet Obhut, mit dem Kind zusammen zu wohnen, und elterliche die Erziehungsberechtigung (gesetzliche Vertretung, Verwaltung des Vermögens und Bestimmung des Aufenthaltsortes).
In der Schweiz ist die gemeinsame elterliche Sorge nach einer Trennung die Regel. Auch wenn die Kinder hauptsächlich bei der Mutter wohnen, entscheiden also beispielsweise beide Elternteile gemeinsam, welche Schule das Kind besuchen soll. Nur wenn es das Kindswohl erfordert, wird das Sorgerecht nur einem Elternteil zugesprochen.
Die Obhut hingegen wird entweder einem Elternteil zugewiesen (alleinige Obhut), oder das Kind wohnt ausgiebig bei beiden Elternteilen (alternierende Obhut). Die alternierende Obhut ist nicht die Regel, muss aber vom Gericht geprüft werden, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangen.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch