Weshalb so viele auf eine Entschädigung verzichten
Die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen hatten bis Ostern Zeit, einen Solidaritätsbeitrag zu beantragen. Aber viele von ihnen wollten die schmerzhafte Vergangenheit nicht wieder wachrufen.
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Die ersten Jahre meiner Karriere arbeitete ich in der Westschweizer Regionalpresse (Print und Radio). Im Jahr 2000 kam ich zu Schweizer Radio International, in der Zeit des Übergangs zu www.swissinfo.ch. Seither schreibe ich über unterschiedlichste Themen, von Politik über Wirtschaft zu Kultur und Wissenschaft; manchmal berichte ich auch in Form kurzer Videobeiträge.
Die Behörden rechneten mit 10’000 bis 15’000 Gesuchen. Die Zahlen basieren auf Schätzungen, weil es weder Register noch Statistiken gibt. Aber am 30. März beantragten nur 7839 ehemalige Verdingkinder und andere Opfer sogenannt fürsorgerischer Zwangsmassnahmen einen SolidaritätsbeitragExterner Link, der ihnen zusteht und der im Maximum 25’000 Franken pro Person ausmacht.
Die Dossiers müssen vom Bundesamt für Justiz (BJ) geprüft werden. Dieses hat bisher bereits 1000 Gesuche gutgeheissen. Die ersten Zahlungen wurden anfangs Jahr ausgerichtet. In letzter Zeit haben die Behörden alles unternommen, um die Betroffenen zu informieren, die noch nicht auf dem Laufenden waren. Sie verschickten zum Beispiel mehr als 10’000 Briefe an verschiedene Organisationen und Altersheime. Die Bemühungen haben Früchte getragen. Allein im März wurden 1800 Gesuche eingereicht.
Aber Tausende von beitragsberechtigten Personen haben sich nicht gemeldet. «Wir müssen diese Entscheidung respektieren», sagt Claudia Scheidegger vom BJ. «Es gibt Opfer, die kein Gesuch stellen wollen.» Sie weigerten sich, von der Vergangenheit eingeholt zu werden und wollten nicht mehr davon erzählen, sagte sie im Schweizer Fernsehen SRF.
Der stellvertretende Direktor des BJ und Delegierte der Opfer von fürsorgerischen ZwangsmassnahmenExterner Link, Luzius Mader, sagte gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass einige auf den Beitrag verzichtet hätten, weil «sie sich für ihre Geschichte schämten» oder weil sie der Meinung seien, «dass man das Leid nicht wiedergutmachen könne». Andere seien «stolz darauf, das Geld nicht zu brauchen, oder sie wollten nichts mehr mit dem Staat zu tun haben».
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