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«Vollzeitarbeit bremst soziale Kontakte»

Frauen bei der Arbeit in einer Klinik in Flawil. Keystone

Wenn sich in der Schweiz Mütter untereinander treffen, kommt sofort das Thema "Arbeit-Haushalt" zur Sprache. Die Frage lautet nicht: Was arbeitest du so im Leben?, sondern: Zu wie viel Prozent arbeitest du?

Die Norm bei Müttern von kleinen Kindern ist Teilzeitarbeit, meistens weniger als 50 Prozent. Bei den Vätern hingegen sind es weniger als einer von zehn, die teilzeitlich arbeiten.

Wenn ihre Kinder älter werden, stocken Frauen selten auf Vollzeitarbeit auf und profitieren selten von den Vorteilen eines vollberuflichen Engagements.

swissinfo.ch hat mit vier Müttern gesprochen, die entweder voll, teilzeitlich oder überhaupt keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. 

Natalia (38, Mutter von zwei Kindern, 5- und 2-jährig)

…arbeitet einen Tag in der Woche als freie Journalistin

«Bevor ich Kinder hatte, stellte ich mir eher ein konservatives Modell vor: Ich würde als Mutter voll zu den Kindern schauen, bis sie in den Kindergarten oder in die Schule gehen, oder höchstens einen Tag in der Woche arbeiten.

Manchmal wünschte ich mir einen zweiten Arbeitstag in der Woche, aber ohne die Kinder irgend jemand anderem in Betreuung geben zu müssen. Mir ist es lieber, dass jemand in der Familie oder am liebsten mein Mann zu den Kindern schaut.

Die meisten Mütter, die ich kenne, arbeiten mehr als ich. Wenn das Pensum ihrer Erwerbstätigkeit deutlich höher ist, hinterfragen sie meine Position, und wenn sie überhaupt nicht erwerbstätig sind, finden sie es in Ordnung, dass eine Mutter einen Tag in der Woche arbeitet. Es beschäftigt mich nicht allzu sehr, was die Leute denken, ich tue das, was mir und meiner Familie passt.

Ich kann schwer verstehen, dass Frauen Vollzeit arbeiten, wenn es nicht lebensnotwendig ist. Denn ich wundere mich, wieso man Kinder hat, wenn man sie fünf Tage in der Woche abgibt. Aber ich will das nicht kommentieren, denn es ist hart genug, dies zu tun, ohne dabei kritisiert zu werden.»

Faryal (38, Mutter von zwei Kindern, 8- und 6-jährig)

…arbeitet Vollzeit als Kommunikationsexpertin

In der Schweiz, oder zumindest in Bern, scheint die Meinung vorzuherrschen, dass es unmöglich ist, mit Kindern unter 15 Jahren hundert Prozent zu arbeiten. Als ich Kinder bekam, war es für mich persönlich ziemlich klar, dass ich nicht Vollzeit arbeiten wollte, solange sie sehr klein waren. Ich glaube, das wurde von den Leuten, mit denen wir verkehrten, als normal betrachtet.

Jetzt sind meine Kinder etwas älter und ich erhielt das Angebot einer Vollzeit-Kommunikations-Arbeit. Ich muss sagen, dass es einfacher ist, als ich dachte, diese beiden Dinge unter einen Hut zu bringen. Ich habe auch gleich zu Beginn der Arbeit klargestellt, dass ich mich nicht auf eine Überstunden-Arbeitskultur einlassen werde.  

Ich sehe aber, dass diese Berner Einstellung immer noch überwiegt, speziell unter den Müttern jener Kinder, die mit meiner Tochter in die Schule gehen. Denn Vollzeitarbeit bremst soziale Kontakte. Ich habe das Gefühl, dass die Leute den Kopf schütteln, wenn ich ihnen erzähle, dass ich fünf Tage in der Woche arbeite und Kinder habe, die in die Schule gehen.

Mein Ehemann erleichtert mir das Leben sehr, da er in Sachen Familienleben sehr entgegenkommend ist und mir dadurch auch meine Karriere fördern hilft. Dies erachte ich als sehr wichtig.   

In Bern, denke ich, funktioniert diese Formel. Die Stadt hat ein sehr gutes System der nachschulischen Betreuung, das ich nicht genug loben kann.

Nancy (41, Mutter von drei Kindern, 8-, 5- und 1-jährig)

…arbeitet Vollzeit als Hausfrau

Ich arbeitete Vollzeit in einem Bürojob bis zur Geburt meines ersten Kindes. Seither bin ich Vollzeit-Mutter und ‹General Manager meines Haushalts›. Wir haben ein grosses Haus mit Garten. Zusammen mit der Kinderbetreuung ist meine Agenda damit ausgeschöpft. Ich bin glücklich, dass mein Ehemann eine Vollzeit-Beschäftigung hat. Mit seinem Einkommen kann die Familie es sich leisten, dass ich den Haushalt manage.

Sobald meine erste Tochter da war, hatte ich das Gefühl, diese familiäre Arbeitsteilung sei für mich natürlich, und es gefiel mir auch. Vorher war ich mir nicht schlüssig gewesen. Es passte mir nicht, mir sagen zu lassen, ich müsse jetzt Teilzeit arbeiten. Gleichzeitig wollte ich aber auch nicht zum 100-Prozent-Job zurück.   

Schon nach den ersten Wochen mit Kind wusste ich, dass mir das gefallen würde. Mein Ehemann überliess die Entscheidung mir. Er ist natürlich froh, dass ich zuhause bin. Es ist ihm ja auch lieber, dass die Ehefrau seine Kinder erzieht, als jemand anderes.  

Vielleicht werde ich wieder arbeiten gehen, sobald der Jüngste in den Kindergarten kommt. Und sonst ist es auch recht. Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu verpassen.  

Vor acht Jahren kam das schon eher als eine Überraschung an, besonders bei Frauen, dass ich nicht an den Arbeitsplatz zurück kehren wollte. Von Frauen in meinem Alter und älter wird ja erwartet, dass sie wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, weil man unterstellt, dass sie als Hausfrauen nicht zufrieden sind.

Jacqueline (47, Mutter eines Babys von 5 Monaten)

…hat ihr eigenes Geschäft 

Ich war in den letzten 18 Jahren zusammen mit einem Geschäftspartner Besitzerin einer kleinen Werbeagentur mit zwei Angestellten. Wir waren immer in der Lage, unsere Arbeit in 40 Stunden pro Woche zu erledigen. Wir sind ein gutes Team und arbeiten sehr effizient.

Ich war mir nicht sicher, wie viel ich nach der Geburt meines Babys arbeiten würde. Zuerst wollte ich erfahren, wie sich das Kind verhält und wie intensiv die Pflege des Babys ausfällt. Es war auch ein Glück, dass mein Geschäftspartner während den letzten Wochen der Schwangerschaft und den ersten Monaten nach der Geburt einen Teil meiner Arbeit übernehmen konnte. Das machte mich flexibel.   

Diese Woche habe ich wieder richtig zu arbeiten begonnen, obschon ich mich während der ganzen Zeit von zuhause aus auf dem Laufenden hielt. Künftig werde ich zwei Tage pro Woche im Büro arbeiten. Während dieser Zeit wird sich eine Betreuungsperson zuhause um mein Kind kümmern. Und in den restlichen Wochentagen werde ich wohl rund drei bis fünf Stunden pro Tag von zuhause aus arbeiten.

Ich möchte nicht fünf Tage pro Woche arbeiten müssen, ich fände das schade. Doch als ältere Mutter bin ich kein typischer Fall. Anders als bei Frauen im Alter zwischen 30 und 35 Jahren ist meine berufliche Karriere bereits gut etabliert.

Man sagt ja, dass Arbeit und Mutterschaft eine Doppelbelastung darstellen. Doch für mich ist es ein Doppelvergnügen, beides zusammen tun zu können.

Zwischen 1997 und 2010 erhöhte sich die Anzahl Arbeitsstunden von Vätern und Müttern in gemeinschaftlichen Haushalten.

Mütter arbeiten etwas weniger im Haushalts- und Familienbereich, aber mehr Stunden in bezahlten Beschäftigungen.

Väter arbeiten gleichviel wie früher in bezahlten Beschäftigungen, arbeiten aber signifikant mehr im Haushalt und für die Familie.

Rund 88% aller Väter und 16% aller Mütter mit Kindern unter 25 Jahren arbeiten Vollzeit. 

Andererseits arbeiten 61% der Mütter, aber nur 7,6% aller Väter Teilzeit.  

Seit 1992 fiel der Anteil Frauen, die als unbezahlte Beschäftigte gelten, von rund 40% auf 23% zurück.  

Drei Viertel der Frauen, die mit einem Partner in einem Haushalt mit Kindern leben, sind allein für den Haushalt zuständig.  

Nur 4% der Paarhaushalte haben sich für ein Arbeitsmodell entschieden, in dem beide Partner Teilzeit arbeiten.  

(Quelle: Eidg. Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau EBG)

(Source: Federal Gender Equality Office)

(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

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