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Die Schweizer Berge, ein neues Läuferparadies

Mann rennt in den Bergen, Aletschgletscher im Hintergrund
Für sein Buch erkundete der Amerikaner Doug Mayer mehr als 1000 km Wanderwege in der Schweiz – hier in der Aletschgletscher-Region im Kanton Wallis. PatitucciPhoto

Das Rennen auf Trails wird immer beliebter. Mit ihren unzähligen Pfaden, atemberaubenden Ausblicken und öffentlichen Verkehrsmitteln bis in die entlegensten Täler habe die Schweiz alles, um das neue Eldorado des Berglaufsports zu werden, sagt der Amerikaner Doug Mayer, der eben ein Buch zu dem Thema veröffentlicht hat.

swissinfo.ch: Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch über die schönsten Trails der Schweiz zu schreiben?

Ratschläge von Doug MayerExterner Link

Der schwierigste Trail: «Ohne zu zögern, der Hardergrat: Ein schmaler, 25 Kilometer langer Pfad entlang der Krete mit Blick auf den Brienzersee. Für diese Strecke braucht es eine hervorragende körperliche Verfassung und eine gewisse Affinität für das Bergsteigen.»

Der schönste Trail: «Diese 31 Strecken sind so etwas wie meine Kinder, die Wahl fällt mir daher sehr schwer! Wenn ich mich aber nur für eine einzige entscheiden müsste, wäre es der Monte Zucchero, im Tessin. Man durchquert einzigartige Landschaften, in fast absoluter Ruhe. Eine perfekte Umgebung, um mental auszubrechen.»

Der erste Trail: «Mein Rat ist, sich mit einer Person auf den Weg zu machen, die schon etwas Erfahrung hat, und vor allem, sanft anzufangen. Fünf Kilometer laufen in den Bergen, das ist schon sehr gut. Das Gefühl des Vergnügens ist unerlässlich, wenn man durchhalten will.»

Die Risiken: «Das Trail-Laufen unterscheidet sich nicht grundlegend vom Wandern oder anderen Aktivitäten in den Bergen. Es ist wichtig, die richtige Ausrüstung zu haben und sich der eigenen Fähigkeiten bewusst zu sein. Der gesunde Menschenverstand muss im Vordergrund stehen: Wenn man müde und das Wetter schlecht ist, dann heisst es umkehren!»

Doug Mayer: Trotz der wachsenden Beliebtheit der Trails gab es bisher keine entsprechenden Publikationen. Die Informationen für eine breitere Öffentlichkeit sind bisher eher rar.

Vor diesem Hintergrund entschied ich mich, im Sommer 2017 in Begleitung von Kim Strom eine Tour durch die Schweizer Alpen zu machen, um die 31 schönsten Routen des Landes auszuwählen. Wir wurden von den Fotografen Janine und Dan Patitucci begleitet, die diese Region wie ihre Westentasche kennen. Zu viert haben wir insgesamt mehr als 4000 Kilometer und 200’000 Höhenmeter hinter uns gebracht!

swissinfo.ch: Sie sind Amerikaner mit Sitz in Chamonix (Frankreich), einem Ort, der oft als Mekka der Trailstrecken in Europa betrachtet wird. Wieso haben Sie sich für die Schweiz entschieden?

D.G.: Zunächst einmal kenne ich die Schweiz gut, weil ich Angehörige habe, die im Wallis leben, in Troistorrents. Zudem gehören die Schweizer Alpen sicher zu den schönsten Geländen für die Ausübung dieses Sports.

Mit ihren wunderschönen Wanderpfaden, atemberaubenden Landschaften, malerischen kleinen Dörfern und einer Ruhe, die ihresgleichen sucht, bietet dieses Land Berglaufbegeisterten eine ideale Umgebung.

Und anders als zum Beispiel in der Region um Chamonix, gibt es in der Schweiz noch immer zahlreiche Orte zu entdecken. Ich denke vor allem an abgelegene Täler im Engadin, im Kanton Graubünden. In unserem Buch haben wir uns nicht mit bekannten Trail-Strecken wie Sierre-Zinal oder dem Jungfrau-Marathon befasst. Wir wollten stattdessen den Akzent auf meist unbekannte und wildere Routen legen.

swissinfo.ch: Wie sehen Sie das Entwicklungspotenzial des Trail-Laufsports in den Schweizer Alpen?

D.G.: Das ist riesig! Die Schweiz verfügt über Tausende von Kilometern von markierten und bestens unterhaltenen Wanderpfaden. Das ist ein beträchtlicher Trumpf. Dazu kommt ein weltweit einzigartig dichtes Netz öffentlicher Verkehrsmittel, das auch die entlegensten Dörfer in den Alpen leicht zugänglich macht.

Läufer auf dem Hardergrat
Der Hardergrat, ein 25 km langer, schmaler Wanderweg, der entlang der Bergrücken über dem Brienzersee verläuft. Eine schöne und gefährliche Strecke, nur für erfahrene Läufer. PatitucciPhoto

swissinfo.ch: Der Trail-Laufsport hat in den vergangenen Jahren einen spektakulären Aufschwung erlebt. Wie erklären Sie sich das?

D.G.: Ich kann nur für mich selbst sprechen. Wie viele Amateurläufer begann ich damit, auf der Strasse zu rennen, mitten im Verkehr, und fand das bald einmal mühsam. Als ich dann vor rund zwanzig Jahren das Laufen auf Trails entdeckte, gab es schlicht kein Zurück mehr.

«Courir les montagnes suisses: 30 trails incroyables», von Kim Strom, Doug Mayer, Janine & Dan Patitucci, erschienen im Verlag Helvetiq. DR

Ein weiterer Faktor, der meiner Meinung nach eine wichtige Rolle spielt, ist die Ausrüstung (Schuhe, Jacken, Taschen, etc.). Sie hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, was das Laufen auf Trails deutlich einfacher und angenehmer macht.

Und schliesslich braucht es keine grossen technischen Fähigkeiten, um damit anzufangen. Das Laufen in den Bergen ist praktisch für jeden und jede zugänglich, wenn man sich vernünftige Ziele setzt, zum Beispiel eine Strecke von fünf Kilometern mit einem geringen Höhenunterschied.

+ Aus unserem Archiv: Warum die Schweizer verrückt nach Laufen sind…

swissinfo.ch: Trail-Läufer benutzen die gleichen Pfade wie Wanderer und Mountainbiker. Wie können Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppen, die sich in den Alpen tummeln, vermieden werden?

D.M.: Angesichts des Booms beim Trailsport ist das tatsächlich eine Herausforderung, die sich in Zukunft stellen wird. Auch deshalb haben wir Routen gewählt, die nicht unbedingt zu den bevorzugten Strecken vieler Wanderer gehören.

Aber in der Schweiz sind alle sehr höflich, und das «Zusammenleben» auf den Bergpfaden verläuft meistens sehr gut. In Nordamerika ist das zum Beispiel nicht immer so.

swissinfo.ch: Woher kommt dieser Entscheid, rennen zu wollen, anstatt auf die eher meditative und kontemplative Praxis des Wanderns zu setzen?

D.M.: Ich wandere auch und teile Ihre Meinung nicht. Die körperliche Anstrengung, die das Laufen in den Bergen erfordert, erlaubt meiner Ansicht nach eher, sich in einen meditativen Zustand zu versetzen.

Trail-Läufer nennen das den «flow state» [eine Art ekstatischer Zustand, in dem alles im Fluss ist]. Das Gehirn konzentriert sich auf die Strecke, auf die Hindernisse, die es zu meiden gilt, und ist gleichzeitig sehr entspannt.

Ich fing ursprünglich an, auf Trails zu laufen, weil ich die körperliche Anstrengung und das Abenteuer liebte, aber heute ist es meine Art, zu meditieren und zu entspannen. Und ich würde es für nichts auf der Welt aufgeben.

Auch Schweiz Tourismus ist sich des Potenzials bewusst

«Der Trail-Laufsport erlebt in der Schweiz einen rasanten Anstieg», erklärt Véronique Kanel, Sprecherin von Schweiz TourismusExterner Link. Im Verlauf von zehn Jahren ist die Zahl der Berglaufrennen in gewissen Kantonen wie dem Wallis schätzungsweise um das Zehnfache gestiegen.

Bei bekannten Läufen wie Sierre-Zinal (Siders-Zinal) oder dem Eiger Ultra-Trail sind die Teilnehmerplätze heute bereits wenige Minuten nach Eröffnung der Anmeldefrist vergeben.

«Die Multiplikation und die Vielfalt der Strecken machen es möglich, immer mehr Wettkämpferinnen und Wettkämpfer aus der Schweiz, aber auch aus den Nachbarländern sowie aus Grossbritannien oder Nordamerika anzuziehen», sagt Kanel.

Den bedeutenden Tourismusdestinationen in den Alpen ist das nicht entgangen: Sie haben in den vergangenen Jahren alle ihre eigenen Trail-Wettkampfrennen ins Leben gerufen.

Aber man kann auch ausserhalb der grossen Sportveranstaltungen auf Bergpfaden laufen, ohne den Blick stets auf die Stoppuhr zu richten. Eine Tendenz, für die sich mehr und mehr Tourismusdestinationen in den Bergen interessieren.

So haben zum Beispiel im Wallis Saint-Luc und Chandolin (mit der Trail Running Station des Val’AnniviersExterner Link), EvolèneExterner Link oder Portes du SoleilExterner Link jüngst spezielle Angebote lanciert, die Dutzende von Kilometern mit kartographierten, digital erfassten Strecken umfassen.

Nach Ansicht von Schweiz Tourismus haben diese Aktivitäten ein grosses Entwicklungspotenzial, das auch wirtschaftlich interessant ist. «Das Laufen auf Trails ist auch in dem Sinn sehr interessant, dass es zur Diversifikation der touristischen Aktivitäten in den Alpen beiträgt», erklärt Kanel.

Während Schweiz Tourismus in diesem Jahr auf das VelofahrenExterner Link setzt, plant die Schweizer Organisation zur Tourismusförderung das Laufen auf Bergpfaden im Rahmen ihrer nächsten Sommerkampagne intensiver zu fördern, wie ihre Sprecherin bekräftigt.

Kontaktieren Sie den Autor dieses Artikels auf Twitter: @samueljabergExterner Link

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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