«Unsere Traditionen halten uns zusammen»
Die junge Auslandschweizerin Heidi Amstalden Albertin lebt in einer von Schweizern gegründeten Kolonie in Brasilien. Die 27-jährige Juristin ist stolz darauf, einer der Gründerfamilien zu entstammen. In ihrer Freizeit ist sie eine leidenschaftliche Fotografin.
swissinfo.ch: Sie wurden im Ausland geboren: Warum sind Sie Auslandschweizerin?
Heidi Amstalden Albertin: Ich bin Brasilianerin, die Schweizer Abstammung habe ich von Seiten meiner Mutter (Amstalden, von Zuben, Sigrist und Zumstein). Von der Seite meines Vaters her bin ich aber auch Italienerin.
swissinfo.ch: Was für einen Bezug haben Sie zur Schweiz? Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie eine Schweizer Seite haben?
H.A.A.: Ich lebe in HelvetiaExterner Link, einer Schweizer Kolonie in Brasilien, die 1888 von vier Schweizer Einwandererfamilien gegründet wurde: Amstalden, Ambiel, Bannwart und Wolf.
Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten, unter anderem zum Gastland, sind ausschliesslich jene der porträtierten Person und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.
Die Helvetianer pflegen seit der Gründung der Kolonie Helvetia ihre Beziehungen zur Schweiz durch Musik, Volkstanz, Schweizer Küche, Feiern und den Kontakt mit Familienmitgliedern und Freunden, die in der Schweiz leben.
Seit ich vier Jahre alt bin, mache ich auch als Mitglied bei einer Schweizer Volkstanz-Gruppe (Tanzgruppe Helvetia) mit. 2010 nahmen wir am Eidgenössischen Trachtenfest in Schwyz teil.
Aus all diesen Gründen sowie wegen meiner Familie war meine Schweizer Seite immer sehr stark und präsent in meinem Leben.
swissinfo.ch: Wie ist Ihr Leben und die Küche in Helvetia?
H.A.A.: Helvetia gehört zu Indaiatuba City im Bundesstaat São Paulo. Helvetia liegt etwa 100 km von São Paulo City und 10 km von meinem Arbeitsplatz entfernt.
Unsere Gastronomie ist grösstenteils brasilianisch geprägt: Gemüse, Reis und Bohnen, Fleisch, Pasta, manchmal begleitet von Schweizer Rezepten, die wir von unseren Ahnen her kennen, etwa «Schnitzwecka» zu Ostern, Apfelmus, Spätzli, und bei Gelegenheit Schüblig, Fondue und Raclette.
swissinfo.ch: Wie wichtig sind Schweizer Traditionen in Colônia Helvetia? Spürt man davon im Alltag noch viel?
H.A.A.: Unsere Traditionen halten uns zusammen und machen uns aus, weshalb wir sie weiter pflegen. Die Tradition ist sogar im Namen unserer wichtigsten Feier enthalten, mit der wir den Schweizer Nationalfeiertag begehen: «Festa da Tradição», übersetzt «Fest der Tradition» oder «Feier der Tradition».
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Die Traditionen haben sogar einen Einfluss auf unseren Alltag, weil wir Zeit aufwenden zum Üben von Schweizer Musik, Tanz und Darbietungen, wie auch für die Organisation von Partys und Veranstaltungen.
swissinfo.ch: Die Familie Amstalden gehört zu den vier Gründerfamilien von Colônia Helvetia. Spürt man mit diesem Nachnamen eine besondere Verpflichtung, Schweizer Traditionen aufrecht zu erhalten?
H.A.A.: Mein Ururgrossvater Benedicto Amstalden, ein Schweizer Bürger von Sarnen, Kanton Obwalden, war einer der Gründerväter der Colônia Helvetia. Seinen Namen zu tragen, ist eine Quelle des Stolzes und ein Weg, sein Erbe, sein Heldentum und seine grossen Errungenschaften zu bewahren. Deshalb bin ich darum bemüht, die Traditionen, die er mitbrachte, am Leben zu erhalten.
swissinfo.ch: Welcher Arbeit gehen Sie nach? Wie läuft es?
H.A.A.: Ich habe Rechtswissenschaften studiert und arbeitete eine Zeitlang als Anwältin. Heute bin ich Beamtin, genauer gesagt arbeite ich als Assistentin eines Richters am «Tribunal de Justiça do Estado de São Paulo» (Gericht des Bundesstaats São Paulo) und bin sehr glücklich mit meinem Job.
Mein Hobby ist die Fotografie, und ich bin Mitglied eines Fotoklubs («FotoClube Salto»). Mit diesem Klub reise ich durch Brasilien, auf der Suche nach schönen Szenen zum Fotografieren. Ich schätze es sogar noch mehr, wenn meine Bilder die kulturellen Unterschiede zwischen Leuten von hier und aus dem Ausland zeigen. Ich liebe die Fotografie!
swissinfo.ch: Was ist in Brasilien attraktiver als in der Schweiz?
H.A.A.: Wir haben grosse, sehr beliebte Feiern in Brasilien, wie den Karneval und die «Festas Juninas» (ursprünglich Feiern für katholische Heilige im Juni). Wir haben auch schöne und ausgedehnte Strände.
Die grössten Unterschiede zur Schweiz sind die fehlende Sicherheit und die wirtschaftliche Instabilität.
swissinfo.ch: Wie denken Sie aus der Ferne über die Schweiz?
H.A.A.: Ein schönes Land mit gastfreundlichen Menschen, einer hohen Lebensqualität, berühmt für ihre Schokolade, Uhren, Banken und ihren Käse.
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