Weihnachtsbeleuchtung zwischen LED und Kerzenschein
Viele Weihnachtsbeleuchtungen sind ein Firmament Zehntausender kleiner LED-Sterne, die den Menschen beim Geschenkkauf den Weg in die Geschäfte weisen. Die Leuchtdiode als Hightech-Entwicklung soll im Advent aber möglichst Kerzenlicht verbreiten.
Über der Zürcher Bahnhofsstrasse und dem Paradeplatz prangt seit Ende November Lucy. Die neue Weihnachtsbeleuchtung der Limmatstadt besteht aus 23’100 Leuchtdioden und 11’500 Kristallprismen. Sie tauchen den Himmel über der Schweizer Einkaufsmeile Nummer 1 in zurückhaltend-warmes Licht, durchsetzt mit roten und blauen Farbtupfern.
Mit dem kalten, weissen «Neon»-Licht der vorherigen Weihnachtsbeleuchtung, etwas vollmundig World’s Largest Timepiece geheissen, waren die Zürcherinnen und Zürcher seit der Premiere 2005 nie warm geworden.
Auch wenn die 275 Leuchtröhren der «weltgrössten Uhr» mit ihren 240’000 LED-Lichtpunkten heute ausrangiert sind und in einer Lagerhalle auf einen Käufer warten, hat die innovative Licht-Skulptur Strahlkraft über ihre Lebensdauer hinaus. Denn World’s Largest Timepiece mit seinem kalten Weihnachtslicht war Auslöser einer heissen Debatte, die Fachleute wie Roderick Hönig, Journalist bei der Architekturzeitschrift Hochparterre, begeisterte.
«Wie hat eine Weihnachtsbeleuchtung im öffentlichen Raum auszusehen, in welcher Lichtfarbe, Intensität und mit welcher Kadenz leuchtet sie?», umreisst der Lichtspezialist die zentralen Fragen.
Die Antworten darauf leuchten seit diesem Advent vom Himmel über der Zürcher Bahnhofstrasse herab.
Am Markt durchgesetzt
Der Technologieschub, den das Licht dank der rasend schnell voranschreitenden Entwicklung der helleren und zugleich viel sparsameren Leuchtdioden in den letzten zehn Jahren erlebt hat, eröffnet völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Als Voraussetzungen dafür nennt Hönig einerseits, dass LED marktfähig und bezahlbar geworden seien. Dabei half auch das schrittweise Verbot der herkömmlichen Glühbirne (siehe Kasten).
Andererseits sei die Leuchtdiode eine relativ stabile Lichtquelle hinsichtlich klimatischen Einflüssen, insbesondere bei Feuchtigkeit und Kälte. Ihre relativ grosse Stossfestigkeit mache sie auch einigermassen sicher vor Vandalen. Zudem lässt sich laut Hönig farbiges Licht einfacher herstellen als mit anderen Lichtkörpern.
«Das ergibt für Gestalter grosse Möglichkeiten, insbesondere für Weihnachtsbeleuchtung als eine temporäre Beleuchtung. Da wagt man ja immer mehr, als wenn sie 120 Jahre halten muss», sagt Hönig, der auch Präsident des Festivals Lichttage Schweiz ist, das alle zwei Jahre stattfindet.
Gelb leuchten statt Weiss strahlen
Doch oha – was für die Ausleuchtung von Geschäften, Bürolandschaften und gehobenen Interieurs angesagt ist, gilt nur sehr eingeschränkt für die Weihnachtsbeleuchtung. Man habe mit den Spielereien wohl etwas über die Stränge geschlagen, wie das Schicksal des World Largest Time Piece zeige, so Hönig.
Dieses habe zwar international die Nase vorn gehabt, was Steuerung und Technologie betreffe. Die Freude am Ausreizen der Technologie sei aber an der Limmat auf den Konservatismus des Weihnachtsmonats geprallt. «LED sind zwar unbestritten, aber sie müssen an Weihnachten und Kerzenschein erinnern – in diesem Widerspruch müssen sich die Gestalter bewegen.»
An Weihnachten werde der Mensch «ganz schnell konservativ», denn dieser Zeit hafte etwas Traditionelles an, das sehr viel mit Kindheitserinnerungen zu tun habe, so der Fachjournalist.
Diese Tradition um das märchenhaft-festliche, gelbe Weihnachtslicht macht selbst vor Hönigs Stube nicht Halt, wie der Hochparterre-Autor sagt.
«Wir feiern traditionell mit Kerzen am Weihnachtsbaum. Die Stimmung, welche rote Kerzen verbreiten und die sich in den Christbaumkugeln und in den Augen der Kinder spiegelt, ist schwerlich mit Elektronik herzustellen. Das wäre auch gar nicht sinnvoll.»
Lichtfest in Genf
Obwohl sich die Diskussionen in der Schweiz bisher weitgehend um Zürich und die Bahnhofstrasse drehen, liegt das Monopol in Sachen spielerischer, weihnächtlicher Lichtkreationen keineswegs an der Limmat.
In Genf darf in der Zeit des Sich-Besinnens und des Schenkens ziemlich frei experimentiert werden. Seit zehn Jahren führt die Stadt zur Weihnachtszeit das «Festival Arbres & Lumières» durch. Dabei verwandeln Künstler, die aus dem In- und Ausland eingeladen werden, Bäume oder Baumgruppen rund um das Seebecken in Lichtskulpturen. Diese spiegeln sich auf dem See in allen Farben. Auch in kaltem Neon-Weiss.
Auch Bern läutetet dieses Jahr die Ära der Diodenlichter in der Weihnachtsbeleuchtung ein. Doch mit dem neuen «Sternenregen», der die Unesco-geschützten Altstadtgassen samt deren Kopfsteinpflaster in warme Goldtöne taucht, blieb man in der Bundesstadt bei Bewährtem.
Ob farbig-innovativ oder goldig-konservativ, sowohl an der Limmat als auch am Genfersee wie an der Aare gilt: «Die Weihnachtsbeleuchtungen sind Verkaufsförderungsmassnahmen; es geht nicht um Weihnachten, es geht um den Umsatz», sagt Roderick Hönig.
Die Haushaltbeleuchtung verschlingt rund 4,5% des gesamten Stromverbrauchs in der Schweiz. Das entspricht etwa der Produktion des Atomkraftwerks Mühlebergs.
Das Verbot von Glühbirnen wird in der Schweiz stufenweise in Kraft gesetzt.
Seit Anfang 2009 gilt das Verbot für schwache Glühbirnen bis 25 Watt. Diese Lampen der Energieklassen F und G fallen zahlenmässig kaum ins Gewicht (A ist die verbrauchsärmste Kategorie).
Die stärkeren Glühlampen (40 bis 150 Watt), die unter die Energieklasse E fallen, will der Bundesrat bis 2012 erlauben.
Dem Nationalrat ging das zu wenig schnell: Per Motion verlangt er ab 2012 ein Glühbirnenverbot, das auch die meisten Halogenlampen erfasst (Energieklasse C).
Darunter würden zum Beispiel Halogenstäbe mit 200 bis 400 Watt Leistung fallen, die in Ständer- oder Wandleuchten für indirektes Licht sorgen («Fliegengrill» genannt, weil ihre Hitze angezogene Insekten sofort röstet).
Stimmt auch der Ständerat zu, wird die Schweiz zusammen mit Australien und Kalifornien zur Vorreiterin in Sachen energieeffiziente Beleuchtung.
Die EU ihrerseits verbietet Lampen der strengeren Energieklasse C erst ab 2016.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch